Hans-Peter Engelmann ist noch recht neu bei der Stadt Konstanz. Und doch hat er schon einiges bewirkt: Engelmann ist mit einem weiteren Mitarbeiter aus dem Hochbauamt dafür verantwortlich herauszufinden, was die städtischen Gebäude dazu beitragen können, dass Konstanz bis 2035 weitgehend klimaneutral wird.
Dafür hat der Architekt gemeinsam mit Kollegen, freien Architekten und Hausmeistern alle 190 Liegenschaften in städtischem Besitz unter die Lupe genommen, vom Kiosk bis zum Schulzentrum. Gemeinsam haben die beiden Projektleiter eine Rangliste erstellt, die in schönstem Beamtendeutsch „Gebäudesanierungsfahrplan“ heißt.
Engelmann und seine Mitstreiter haben die Häuser auf Herz und Nieren untersucht und überlegt, mit welchem eingesetzten Euro am meisten CO2 eingespart wird. Denn ein Projekt in dieser Größe bedeutet erstmal eine Generationenverschuldung. Hans-Peter Engelmann hat viel Erfahrung, da er an früheren Wirkungsstätten große Sanierungsprojekte in der freien Wirtschaft umsetzte.

Die Experten entschieden, welche Objekte zuerst angegangen werden sollten – nach Machbarkeit und Wirksamkeit der Klimasanierung. Hans-Peter Engelmann erläutert: „Stellt man sich das Projekt als Trichter vor, rutschen erstmal 57 der 190 Gebäude am schnellsten nach unten und haben eine gewisse Priorität.
Denn sie machen 63 Prozent der Gesamtfläche aus und stoßen 82 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der städtischen Liegenschaften aus.“ Hochbauamtsleiter Thomas Stegmann betont: „Nicht alle 190 Häuser, Wohnungen und Kioske müssen also klimasaniert werden!“

Da die Verwaltung aber auch nicht in der Lage ist, 57 Häuser auf einmal anzugehen, musste weiter ausgesiebt werden. In den Fokus rückten 26 dieser Gebäude, bei denen sich die Verwaltung den größten Klima-Effekt bei möglichst geringen Investitionen verspricht.
Aber auch dann wurde noch näher hingeschaut: Bei 13 Gebäuden prognostiziert das Hochbauamt eine gemeinsame jährliche Einsparung von 622 Tonnen CO2, wenn hier saniert wird. Das entspricht einer CO2-Reduktion dieser Häuser um 41 Prozent.
Zunächst sollen vier Projekte angegangen werden
Auf der letzten Stufe des Auswahlverfahrens ging es darum, was sofort umgesetzt werden könnte. So schlägt das Hochbauamt vor, im Doppelhaushalt 2023/24 die Finanzierung von zunächst vier Projekten zu verankern.
Hochbauamtsleiter Thomas Stegmann sagt: „Bei der Buchenbergschule und der Stephansschule sind schon Förderanträge genehmigt. Hier könnten wir anfangen, wenn der Gemeinderat bei den Haushaltsberatungen die Finanzierung genehmigt.“ Rektorin Melanie Probst freut sich: „Endlich werden die Projekte angegangen, die schon seit Jahren geplant sind und immer wieder verschoben wurden.“



Als Grundlage für die Kostenschätzung legten die Planer Erfahrungswerte von Arbeiten an der Geschwister-Scholl-Schule zugrunde: Hier kostete die Generalsanierung eines Quadratmeters Bruttogeschossfläche im vergangenen Jahr 3600 Euro. „Wir rechnen aber mit den üblichen Kostensteigerungen beim Bau“, sagt Hans-Peter Engelmann.
Die Verantwortlichen planen auch mit weiteren Hürden wie Handwerkermangel oder Materialknappheit. Außerdem sei der Gebäudesanierungsfahrplan ein Mammutprojekt und binde entsprechend viele Kräfte: „Um all das umzusetzen, benötigen wir zu unseren aktuell 31 Mitarbeitern im Hochbauamt noch 10 bis 15 weitere“, sagt Amtsleiter Thomas Stegmann.
„So ein gewaltiges Aufgabenpaket hatten wir noch nie“
„Schließlich laufen parallel noch viele andere Aufgaben wie die ohnehin seit Jahren umgesetzten Klimaschutz-Sofortmaßnahmen oder der Brandschutz.“ Dazu kommt ein weiteres großes Investitionsprogramm an Schulen, das schon beschlossen ist: „Wir sollen 220 Millionen Euro in zehn Jahren verbauen“, sagt Stegmann. „So ein gewaltiges Aufgabenpaket hatten wir noch nie.“

Nach und nach müssen nun neue Mitarbeiter gesucht und eingearbeitet werden. „Außerdem müssen Projektbeschlüsse gefasst und die Finanzierung geklärt werden, Bauanträge eingereicht und Leistungen europaweit ausgeschrieben werden“, erläutert Thomas Stegmann.
So sei insgesamt mit reichlich zeitlichem Vorlauf zu rechnen. Doch bei den ersten vier Vorhaben könnte es schnell gehen: Wenn der Gemeinderat die Finanzierung absegnet, könnten die Arbeiten im Mai ausgeschrieben werden und die ersten Klimasanierungen des Gebäudefahrplans noch in diesem Jahr beginnen.
Den Sanierungsstau beenden und „nicht mehr hinterherlaufen“
Bei all den Untersuchungen wurde noch eine ganz andere wichtige Erkenntnis manifestiert: „In Konstanz wurde über Jahrzehnte viel zu wenig in den Gebäudeunterhalt investiert“, sagt Hans-Peter Engelmann. Das habe die sogenannte Pabi-Methode (Praxisorientierte Adaptive Budgetierung von Instandhaltungsmaßnahmen) des Steinbeis-Zentrums herausgestrichen.
Hochbauamtsleiter Thomas Stegmann beschwichtigt: „Im Vergleich zu anderen Städten stehen wir gut da. Und bundesweit gehen viele Kommunen so vor: Wenn was kaputt ist, repariert man es halt.“ Doch er sei dankbar für den Gebäudesanierungsfahrplan: „Wir legen den Fokus jetzt wieder auf den Bestand. Jedes Gebäude wurde begangen, überall Mängellisten erstellt.“
Hans-Peter Engelmann drückt es so aus: „Wir wollen wieder zu einer vorausschauenden Planung kommen und nicht mehr nur dem Sanierungsstau hinterherlaufen.“