Bei der Ausrufung des Klimanotstands war Konstanz von der schnellen Truppe, bei den sichtbaren Folgen der politischen Neuausrichtung aber ist viel Geduld erforderlich. Anne Mühlhäußer von der Freien Grünen Liste (FGL) wies im Zusammenhang mit der Konsolidierung der städtischen Finanzierung darauf hin, dass laut Plan pro Jahr gerade mal zwei der insgesamt 190 im städtischen Besitz befindlichen Gebäude zum Zweck der erwünschten Klimaneutralität saniert werden sollen. Der Job ist somit in 95 Jahren erledigt, was für die FGL-Stadträtin einen „bedenklichen Zeitrahmen“ darstellt.

Und dabei geht selbst die gesetzte Frist bis zum Jahr 2117 (das wäre dann exakt 200 Jahre nach der Oktoberrevolution in Russland) nach Einschätzung einiger Stadträte von eher optimistischen Annahmen aus. Schon jetzt komme man mit etlichen der gesteckten Ziele nicht hinterher, weshalb die Stadt andere Wege zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes ins Auge fassen sollte.
Könnte Tübingen Vorbild sein?
Anne Mühlhäußer wies in diesem Zusammenhang auf die Potenziale des Energiesparens hin. Sie verstehe zum Beispiel nicht, warum die Hausmeister nicht zum Ausschalten des Lichts oder zum Runterdrehen der Heizung verpflichtet werden. Als vorbildliche Initiative nannte sie ferner die in Tübingen veranlasste Abschaltung von jeder zweiten Laterne in dafür geeigneten Straßen.
Sie warb außerdem für eine schnelle Planung und Realisierung von Wärmenetzen. Wenig übrig hat Anne Mühlhäußer hingegen für Werbeaktionen für klimapolitische Aktionen, die bereits umgesetzt worden seien.
Bedenken über die Vorgehensweise zur bis 2035 angestrebten Klimaneutralität gibt es auch in anderen Fraktionen. Jürgen Faden von den Freien Wählern (FW) und SPD-Stadtrat Alfred Reichle plädierten für eine Strategie, bei der der CO2-Einspareffekt das Maß der Dinge ist.
Der FW-Stadtrat beispielsweise hält die Ertüchtigung von Heizungen in den Gebäuden für sinnvoller als komplette Haussanierungen. Alfred Reichle riet „aus eigener Erfahrung“ für Dach- anstelle von Fassadendämmungen – bei Letzteren sei der CO2-Einspareffekt deutlich geringer.

Beide Stadträte plädierten außerdem für die Förderung privater Investitionsbereitschaft. Bei den städtischen Gebäuden handle es sich nur um einen Bruchteil des gesamten Konstanzer Hausbestands, bei der Klimapolitik aber müsse man die gesamtstädtische CO2-Reduzierung im Auge haben.
Stadt verpasst Chance auf Vorbild
Achim Schächtle (FDP) untermauerte dies anhand einer simplen Berechnung. Bei den 190 städtischen Gebäuden handelt es sich demnach um etwa 3 Prozent des Gesamtbestandes in Konstanz. Wenn in den nächsten 95 Jahren pro Jahr zwei städtische Gebäude saniert würden, entspricht dies einer Quote von etwa 0,03.
„Damit ist die Stadt Konstanz kein Vorbild“, so das Fazit des FDP-Stadtrates. Auch er plädiert deshalb für eine Sanierungsstrategie, bei der nicht von Haus zu Haus vorgegangen wird. Stattdessen sollte die CO2-Einsparung als Maßstab gelten.