Mittags Freiburg, nachmittags Konstanz. Der Terminkalender von Christian Lindner und seinem Wahlkampfteam ist voll. In 46 Tagen besucht der FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 75 deutsche Städte – auch Konstanz. Am Montag, 3. Februar, steht der 46-jährige Bundestagskandidat im Cinestar im Einkaufszentrum Lago vor der Leinwand und macht sie zu seiner politischen Bühne.
Seine Nebendarsteller: Judith Skudelny, die Spitzenkandidatin der FDP Baden-Württemberg für die Bundestagswahl, Ann-Verschuka Jurisch, die Bundestagsabgeordnete und Direktkandidatin der FDP im Wahlkreis Konstanz und Birgit Homburger, Kreisvorsitzende der FDP im Landkreis Konstanz. Sie heizen dem Publikum vor dem Eintreffen von Christian Lindner ein.
Allerdings passiert Judith Skudelny ein kleiner Fehler bei ihrer Rede. „Ich weiß nicht, wie viel Produktion als produzierende Industrie wir hier in Freiburg haben, aber wir brauchen wieder bezahlbare Energiepreise“, sagt Judith Skudelny und stutzt kurz. Sofort ist der FDP-Politikerin ihr Fauxpas aufgefallen. „Oh, entschuldigen Sie bitte. Konstanz. Ich wollte Sie nicht verwechseln. Ich habe Freiburg noch so in den Knochen. Sie sind diejenigen aus der Mitte, mit Anstand“, sagt sie und lacht kurz auf.
Kleiner Protest vor dem Kino gegen Lindner
Was Judith Skudelny in den Knochen steckt, sind die Proteste der bis zu 500 Menschen, die in Freiburg lautstark gegen die FDP skandierten. In Konstanz sei ihr dieser Gegenwind nicht aufgefallen. Starken Gegenwind gibt es an diesem Tag in Konstanz wirklich nicht.
Ein laues Lüftchen macht sich unten vor dem Eingang zum Cinestar dennoch bemerkbar. Dort stehen fünf Studenten. „Wollen sie einen Flyer?“, fragen sie und drücken den Besuchern der FDP-Veranstaltung ein zusammengefaltetes Papier in die Hand.

Auch Volker und Gerda Schönknecht nehmen einen der Zettel. Auf dem Flyer ist das Konterfei von Christian Lindner zu sehen. Über seinen Augen befindet sich ein Schriftzug: Christian Lügner. Darunter steht: Keine Stimme für die FDP. „Nee, das nehmen sie wieder“, sagt das Ehepaar. Von den 286 Zuschauern im Cinestar, sind die meisten Anwesenden aber pro FDP eingestellt.

Darunter ist auch Hubertus Seibert. „Wir fragen uns, warum die FDP so wenig Stimmen bekommt“, sagt er. Laut den aktuellen Umfragewerten der verschiedenen Meinungsforschungsinstitute würde die FDP zwischen drei und vier Prozent der Wählerstimmen erhalten. Der Einzug in den Bundestag ist damit nicht garantiert. Das will Christian Lindner ändern.
„Sie merken es meiner Erststimme an, dass ich gerade aus Freiburg komme“, sagt Christian Lindner leicht heiser. „Mich stachelt der Protest geradezu noch an.“ Immer wieder hat er es mit Klimaklebern, Fridays for Future, linken Aktivisten „und auch mal ner Torte“ zu tun. Bei einer Veranstaltung in Greifswald warf eine Lokalpolitikerin der Linken Lindner eine Schaumtorte ins Gesicht.

Es gibt zu viel Druck auf die politische Mitte
Christian Lindner nimmt es mit Humor. „Ich habe mir angewöhnt, immer zu Beginn zu fragen, ob jemand was loswerden will. Nein, keiner eine Torte? Ok“, sagt er und startet seine Rede. „Wir dürfen die Mitte nicht aufgeben“, so der FDP-Politiker. Die Freien Demokraten wollten den Mittelstand stärken. Mit Bürokratieabbau, Wirtschaftswachstum, mit der Stärkung der Sicherheitsbehörden und einem schlanken Staat.
Auch die Freunde Luca Tesauro, Luis Landgraf, Tobias Dieterle, Alexander Bacher und Julian Geretzky sind zur Wahlveranstaltung gekommen. Vier der fünf Freunde dürfen zum ersten Mal wählen. „Wir wollen uns mal informieren“, sagt Luis Landgraf. Sie sind noch unentschlossen, wem sie ihre Stimmen geben sollen.

Auch Friedrich Merz, Spitzenkandidat der CDU, der am Mittwoch, 5. Februar, in Singen auftritt, hätten sie gerne gesehen, doch keinen Platz mehr bekommen. Aber Christian Lindner finden sie schon beeindruckend. „Er ist sehr redegewandt“, sagt Alexander Bacher. Generell bringe der liberale Spitzenkandidat vieles auf den Punkt.
Lindner setzt Akzente, die das Publikum hören will. Sowohl die teilweise radikalisierten linken als auch die rechten Ränder würden so viel Druck auf die Mitte ausüben, dass es „den Charakter des Landes“ verändern würde. „Natürlich wollen auch wir die AfD klein machen“, sagt Lindner eindringlich.
Aber nicht mit symbolischen Gesten wie Lichterketten oder moralischen Appellen. „Davon lässt sich keiner bei einer geheimen Wahl abbringen, sein Kreuz bei der AfD zu machen“, ist er überzeugt. Die Lichterketten auf den aktuellen Demonstrationen richten sich aber auch gegen den Fall der AfD-Brandmauer durch die Parteien CDU und FDP.
Das sind Christian Lindners Themen
Lindner will die AfD kleinmachen
„Wenn wir die AfD klein machen wollen, müssen wir die Probleme klein machen, die diese Partei einst groß gemacht hat“, findet der 46-Jährige. Dass seine Partei Schützenhilfe bei der Abstimmung zur Verschärfung der Migrationspolitik von der AfD bekommen hat, verschweigt er dabei nicht. Ein Antrag, der viele Positionen der FDP beinhaltet, ist nur mithilfe der gemeinsamen Stimmen der CDU und AfD in den Bundestag gekommen. Das Gesetz zur Migrationsbegrenzung scheiterte allerdings am vergangenen Freitag.
Lindner sieht da keinen Widerspruch: „Die eigentliche Frage ist doch, warum Grüne und SPD einem solchen Antrag nicht zustimmen wollen. Das ist doch das Problem“, meint er.