
Der Zug kommt pünktlich an – und das trotz über vier Stunden Fahrzeit von Stuttgart-Vaihingen nach Konstanz. Das alleine sorgt schon bei manchem Fahrgast für ein leichtes Schmunzeln.
Bereits um kurz vor 12 Uhr startet die Fahrt zum Seenachtfest am Samstag, 10. August, in der Landeshauptstadt. Zunächst allerdings noch mit einer elektrischen Lokomotive, um nicht zu viel Zeit zu verlieren.
In Rottweil gibt es eine halbstündige Fahrpause, um die historische Dampflok, die 1944 in Wien gebaut wurde, anzukoppeln. Für dieses Spektakel steigen viele Fahrgäste aus dem Zug aus und drängen sich am Kopf des Zuges.

Langsam rollt die Dampflok von einem Abstellgleis am Rottweiler Bahnhof an. Ihr Name lautet Güterzuglokomotive 52 7596. Der Verein Eisenbahnfreunde Zollernalb (EFZ), der den Sonderzug organisiert, hat das Vehikel 1978 übernommen und von 2007 bis 2010 in Eigenleistung restauriert.
Einer, der das Ankoppeln sich aus der Nähe anschaut, ist Dan Peter. Mit seiner Kamera macht er Bilder von dem mächtigen Gefährt. Peter ist in erster Linie für seine Partnerin die Reise angetreten. „Meine Frau wollte schon immer mal mit so einem alten Zug fahren“, erklärt er. Die beiden machen die volle Tour von Stuttgart-Vaihingen mit.

Auch wenn es nicht seine Idee war, ist er begeistert von dieser Art der Fortbewegung. „Es ist auch einfach dieses gemütliche Reisen“, erzählt Peter mit einem Lächeln im Gesicht. Das sei sehr entschleunigend. Auf das Seenachtfest freue er sich auch, aber in erster Linie gilt für ihn: „Der Weg ist das Ziel.“
Die Waggons sind originalgetreu
Die Schaffner fordern die Fahrgäste auf, wieder ihre Plätze einzunehmen. In den Waggons sieht es aus, wie in einem alten Film. Auf den großen Lederbänken haben es sich die Mitfahrenden gemütlich gemacht. Die meisten Fenster sind geöffnet, damit die Eisenbahnfans den Fahrtwind spüren können. Das ist auch notwendig bei 30 Grad ohne Klimatisierung in den Abteilen.
Doch es gibt auch einen original Mitropa-Speisewagen, der das Herz der Nostalgie-Fans noch einmal etwas höher schlagen lässt. Zudem verkaufen Helfer der Eisenbahnfreunde Zollernbahn Getränke an den Plätzen. Alles ist sehr detailgetreu und liebevoll aufbereitet.
Ein lautes Pfeifen aus dem Kessel der Lok ertönt und mit einem ersten Ruck setzt sich die Eisenbahn nun langsam in Bewegung. Der Rhythmus der Maschine ist auch im vordersten Wagen gut zu hören.
Im Bereich direkt hinter der Lok finden sich einige Eisenbahnfans zusammen, um zu sehen, wie die Dampfwolke über der Lok aufsteigt und in die schöne Landschaft rechts oder links hinwegzieht. Bei etwa 80 Kilometern pro Stunde lässt sich die Welt vor den Zugfenstern gut betrachten.
„Das ist noch Nostalgie“
Timo Müller hat sich sogar eine Schutzbrille mitgebracht, damit er die ganze Fahrt durch das Fenster schauen kann, ohne dass seine Augen dadurch etwas leiden. Auch er ist schon in Stuttgart zugestiegen. „Eisenbahn ist eben Dampf. Das ist noch Nostalgie“, meint er.
Immer wieder staunen die Menschen, die an den Bahnsteigen auf ihre Züge warten, wenn die gut erhaltene Dampflok aus einer vergangenen Zeit an ihnen vorbeifährt. Es wird gewunken und die Handys sind gezückt. Die Fahrgäste und Zugbegleiter im Zug winken fleißig zurück und freuen sich über jeden Blick.
Manchmal haben sich neben der Bahnstrecke sogenannte Trainspotter positioniert. Das sind Menschen, die Bilder von unterschiedlichen und besonderen Zügen machen und diese sammeln. Mit professionellem Equipment halten sie die historische Bahn fest.
Die Lok wechselt die Richtung
Da in Tuttlingen kein Halt für die historische Bahn möglich ist, geht es stattdessen nach Villingen-Schwenningen. Dort gibt es bei manchem Fahrgast ein bisschen Verwirrung. Denn die Lokomotive wird wieder abgekoppelt und fährt alleine weg.
Was ist los? Ganz einfach: Um weiter in Richtung Immendingen und Konstanz zu fahren, muss die Bahn wieder zurück. Deshalb muss die Zugmaschine an der anderen Seite angekoppelt werden. Auch das nimmt wieder etwas Zeit in Anspruch.
Als die Lok auf der anderen Seite wieder angekoppelt ist, beobachten wieder viele Menschen die große Maschine, die zischt und pfeift. Einige Kinder dürfen sogar einen kurzen Blick in den Führerstand werfen, in dem es noch heißer ist, als der Bahnsteig in Villingen.
Auch Andrea Herm macht Bilder von dem großen, schwarzen Ungetüm an der Spitze des Zugs. Sie wollte eigentlich ab Oberndorf am Neckar mitfahren, doch als sie erfahren hat, dass die Dampflok erst ab Rottweil die Bahn zieht, ist sie in Rottweil zugestiegen.
Herm fährt nicht das erste Mal mit einem historischen Zug der Eisenbahnfreunde Zollernbahn. „Vor kurzem sind wir schon von Schönberg nach Balingen gefahren“, sagt sie. Der Verein liegt ihr am Herzen. „Wir spenden auch öfter an die Eisenbahnfreunde und besuchen die Feste“, erklärt Helm.
Der Blick auf den See löst Freude aus
Dann geht es weiter, jetzt über die Baar in Richtung Immendingen. Die Lokomotive ist jetzt nur noch schwer zu erkennen, da der Wagen direkt hinter der Maschine nur für das Personal zugänglich ist. Dennoch sind die Zugbegeisterten an den Fenstern und filmen und fotografieren ihre Fahrt.
Je näher Konstanz kommt, umso freudiger wird die Stimmung. Manche Gruppen hören Schlager oder schmieden Pläne für den Abend. Als der Untersee auf der rechten Seite zu sehen ist, blicken alle begeistert auf das Wasser.
Mit lauten Pfiffen kündigt sich die Bahn in Konstanz an. An den Haltestellen des Seehas winken die Menschen der Bahn zu. Vor der Rheinbrücke bremst der Zug immer weiter ab und fährt gemütlich gegen 17 Uhr in den Zielbahnhof ein.
Der Zug lockt auch Bahnbegeisterte an den Bahnhof, die sich die Einfahrt anschauen. Wieder sind viele Begeisterte mit Kameras unterwegs. Stefan Bauer aus Horb ist ebenfalls begeistert vom Innenleben der Lok: „So alte Technik sieht man nicht so oft.“ Eigentlich wäre er auch gerne mitgefahren, doch der Zug war bereits ausbucht. Im Konstanzer Bahnhof werden viele Blicke in den Führerstand geworfen.
Nun hat der Lokführer erst einmal ein bisschen Ruhe. Die Mitreisenden feiern alle beim Seenachtfest. Um 0.51 Uhr geht‘s dann wieder zurück. Planmäßig erreicht der Sonderzug Stuttgart-Vahingen um 4.25 Uhr am Sonntagmorgen.