Nein, die Handwerksbäckerei Laib & Seele in Reichenau-Oberzell, die eine Filiale auf der Insel und eine weitere im Konstanzer Paradies betreibt, wird keine kleineren Brötchen backen. Qualität ist dem Team um Inhaber Robert Martin wichtig. Da Abstriche zu machen kommt für sie nicht in Frage, denn sie wollen ihre Stammkunden halten und neue hinzugewinnen.
Aber die Situation ist kritisch: Kostenexplosion auf allen Ebenen, Mitarbeitermangel und Zurückhaltung seitens der Kunden. Für Robert Martin ist die Lage besonders schwer. Im Jahr 2019 hat er neue Geräte gekauft, dann kam Corona. Im Frühjahr 2022 musste er die Preise anheben. Die Inselkruste – „unser bestes Brot“, sagt Bäckermeister Hans-Peter Stärk – kostet 4,30 Euro. Dieser Preis sei gerechtfertigt.
Kosten-Explosion in allen Bereichen
Für die Backöfen, Teigmaschinen, Kühlräume, Kaffeemaschinen und viele weitere Geräte benötigt die Handwerksbäckerei Energie: Strom, Öl und Gas. „Da sind die Preise explodiert. Wir zahlen 40 bis 70 Prozent mehr“, stellt Ivo Nascimento, Geschäftsführer von Laib & Seele, fest.
Auch die Preise für die Rohstoffe sind erheblich teurer geworden. „Mehl, Milch und Butter sind um 40 bis 50 Prozent gestiegen“, gibt Nascimento Beispiele. Doch damit nicht genug der Probleme: „Die Mehl-Lieferanten haben Schwierigkeiten Tüten und Säcke zu bekommen“, so der Geschäftsführer. Eine Folge des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Lieferengpässe.

Alle wissen, dass Bäcker früh aufstehen. Bei Laib & Seele arbeitet das Backstuben-Team in drei Schichten. Beginn um Mitternacht, 5 Uhr, 8 Uhr und 10 Uhr. Das Sortiment umfasst: 30 Sorten Brot, 10 Sorten Brötchen, 4 Laugenvariationen, 10 Sorten süße Teilchen, 3 Varianten an Zöpfen und 20 verschiedene Kuchen. Die Inselkruste, wenngleich nicht das aufwendigste Produkt, ist ein Aushängeschild des Sortiments.

„Wir zahlen über Tarif. Trotzdem ist es schwer, Mitarbeiter zu finden“, sagt Robert Martin. Die Insellage bringe nicht nur Vorteile. Für die Fahrt zum Hauptgeschäft auf die Reichenau bezahle er seinen Mitarbeitern 50 Euro extra, um sie zu halten. Und es gebe noch weitere „Zückerle“, wie Bäckermeister Hans-Peter Stärk sagt. Wasser, Kaffee und Tee sowie die angebotenen Speisen dürften die Mitarbeiter während der Arbeit kostenlos konsumieren. Für die Mitnahme nach Hause „gibt es 50 Prozent Mitarbeiter-Rabatt“, fügt er an.
Mitarbeiter: Ein wertvolles und seltenes Gut
Worüber Robert Martin empört ist: „Es gibt Leute, die kommen ins Geschäft und versuchen, meine Mitarbeiter direkt abzuwerben.“ Es sei nicht nur schwierig Mitarbeiter – neben den dreien sind zudem weitere fünf in der Backstube, sechs Vollzeitkräfte im Verkauf sowie Aushilfen beschäftigt – zu halten, sondern auch neue zu gewinnen.
Was Robert Martin nicht verstehen kann: „Wir haben in Konstanz rund 16.000 Studenten, aber kein Student will arbeiten“, ist sein Eindruck. Aufgrund der engen Besetzung der Belegschaft beliefern Martin, Nascimento und Stärk größtenteils selbst ihre Filialen mit E-Autos. Auch die Öffnungszeiten der Filialen musste Robert Martin verkürzen. „Ab 1. Oktober wird der Mindestlohn auf 520 Euro erhöht. Dann wir es noch schwieriger“, prognostiziert Ivo Nascimento.
Die Schulferien haben begonnen und die Welterbe-Insel Reichenau wird normalerweise von Touristen fast überrannt. Wo sich normalerweise Schlangen bilden, sind jetzt nur wenige Menschen zu sehen. Inhaber Robert Martin blickt auf die mit wenigen Menschen besetzte Terrasse seines Hauptgeschäfts in Reichenau-Oberzell und seufzt: „Es ist Hochsaison. Normalerweise sind alle Plätze belegt. Aber jetzt?“ Nach einer kurzen Pause erläutert er: „Die Reisebusse fehlen. Früher kamen sechs, jetzt vielleicht einer am Tag.“
Die allgemeine Zurückhaltung ist spürbar
Die Kundenfrequenz sei um die Hälfte gesunken, sagt Robert Martin. Woran liegt das? „Die Kundschaft hält sich zurück, denn die Kosten explodieren. Dazu noch die Angst, was uns im Herbst erwartet.“ Eine Folge der Corona-Pandemie; die Menschen hätten sich andere Gewohnheiten angeeignet. „Sie trinken ihren Kaffee daheim“, meint Bäckermeister Hans-Peter Stärk. „Sie sparen“, fügt Geschäftsführer Ivo Nascimento an, schließlich werden auch Privathaushalte vor allem durch die höheren Lebensmittel- und die steigenden Energiepreise belastet. Jetzt schon werden Abschlagzahlungen erhöht und die Angst vor Nachzahlungen bei der Endabrechnung wächst.
Ja, auch Robert Martin hat Sorge, wie sich die Situation weiterentwickeln wird. Fest steht für ihn, dass er die Preise nicht erhöhen wird, denn er will seine Kundschaft halten. Wie das Team durch die schwierige Zeit kommt? „Es hilft nur, positiv zu denken“, meint Ivo Nascimento. „Wir versuchen, familiär zu arbeiten, zusammenzuhalten und den Blick nach vorn zu richten.“