Manchmal lohnt es sich, durchzuhalten. Vor allem, wenn es darum geht, die eigenen Vorstellungen umzusetzen und dabei gleichzeitig ein gesellschaftliches Problem anzugehen. Dachte sich die Konstanzerin Annabel Holtkamp und hielt durch, zehn Jahre lang. Sie ist Mitinitiatorin bei der Genossenschaft Wohnprojekt Konstanz.
Jetzt sieht es so aus, als könnten sie und ihre Mitstreiter ihren Traum vom gemeinsamen, spekulationsfreien Wohnen auf den Christiani-Wiesen umsetzen. Die Wohnprojekt Konstanz eG sieht die Struktur des genossenschaftlichen Wohnens als Antwort auf viele Probleme rund um den knappen Wohnraum, die Wohnungssuchende in Konstanz zwangsläufig bedrängen.
Die Vorteile: Mieten beziehungsweise Entgelte fürs Wohnen bleiben stabil, anstelle einer Miete erwerben die Bewohner des Hauses Genossenschaftsanteile und zahlen ein Nutzungsentgelt. Zudem verbrauchen die Wohnungen des Projekts nur begrenzt individuellen Platz. Gemeinschaftsräume sollen dafür sorgen, dass Bedürfnisse, sich zu entfalten, trotzdem erfüllt werden.
Viele haben lange gewartet, jetzt wird es endlich konkret
Jetzt endlich ist eine Realisierung eines Wohnbaus, in dem diese Ideen realisiert werden, in Sicht. Das Wohnprojekt und die Crescere-Stiftung sind Ankerbauherren für drei Baufelder auf den Christiani-Wiesen. „Insgesamt ist das Grundstück zwei Hektar groß“, sagt Holtkamp. Von den drei Baufeldern wird das Wohnprojekt zwei nutzen, eines die Crescere Stiftung. Ab sofort geht es an die Realisierung und die konkrete Planung des innovativen Wohnraums, der entstehen soll.
Doch für wen genau wird gebaut? Und wie soll das Haus letztlich aussehen? Die Genossenschaft Wohnprojekt Konstanz hat derzeit 115 Mitglieder. „In den zehn Jahren sind natürlich einige weggezogen, vor allem Familien“, sagt Sylvia Machler, die die Idee von der Wohngenossenschaft damals von Wien nach Konstanz brachte und nun Projektleiterin ist. Die Genossenschaft sei aber trotzdem stetig gewachsen. Viele sind Mitglied, weil sie Wohnraum suchen und diesen auf sinnvolle Weise mitgestalten wollen. Andere unterstützen das Projekt ideell und finanziell.
„Im Moment sind wir dabei, herauszufinden, wer einziehen möchte“, sagt Annabel Holtkamp. Die Organisatoren rechnen mit 40 bis 50 Wohneinheiten in den zwei Baufeldern. Innerhalb des Wohnprojekts entstehen auch Personalwohnungen für Mitarbeiter der Schmiederkliniken. Die Crescere-Stiftung plane parallel dazu nochmals 35 bis 40 Einheiten für geförderten Wohnungsbau. Die weiteren Entwicklungen im Quartier sind noch nicht festgelegt, der Stadt ist wichtig, dass die Ankerbauherren zunächst ihre Projekte beginnen.
Was genau ist auf den Christiani-Wiesen geplant?
Das Projekt steckt noch in seinen Anfängen, dennoch wird vieles jetzt bereits konkret. Die Genossenschaft hat ein Architekturbüro in Tübingen beauftragt. Wer einziehen will, müsse seinen Wunsch nach gemeinschaftlichem Wohnen ernst meinen, betont Annabel Holtkamp. Qualität statt Quadratmeter ist ein Inhalt, den das Projekt erfüllen soll. Jeder Person werde etwa 35 Quadratmeter an individueller Fläche zur Verfügung stehen.
Und auch Familien können nicht endlos erweitern: Zu zweit könne man maximal eine Drei-Zimmer-Wohnung bewohnen, allein zwei Zimmer, eine vierköpfige Familie habe Anspruch auf fünf Zimmer. „Dafür gewinnt jeder Bewohner an Gemeinschaftsraum“, erläutert Holtkamp. Geplant seien eine Dachterrasse, ein Atelier, eine Gemeinschaftsküche, ein Spielraum für Kinder, Co-Working-Räume sowie ein öffentliches Cafe. Eventuell werde sogar ein Lebensmittelladen eingerichtet.
Während die Vorplanungen jetzt laufen, rückt der Baubeginn näher. Er ist für Mitte 2026 geplant, wie Sylvia Machler berichtet. Da die Gebäude in Holzbauweise entstehen sollen, wird es schnell vorangehen. Die Projektleiterin rechnet mit einer Fertigstellung frühestens Ende 2027.
Das innovative Projekt stelle allerdings einige planerische Herausforderungen. Auch ein Parkhaus werde integriert. Zwar gebe es Parkhäuser in Holzbauweise bereits, nicht ganz einfach aber sei es, dieses so zu planen, dass die Parkfläche leicht zurückgebaut werden könne – für den Fall, dass in Zukunft noch viel weniger Stellplätze gebraucht würden.
Anna Heister ist noch nicht so lang im Vorstand des Wohnprojekts wie die beiden anderen Frauen. „Ich bin seit 2023 Mitglied und kam über Freunde dazu“, sagt sie. Zu dem Zeitpunkt sei gar nicht klar gewesen, ob es überhaupt eine Realisierungschance geben würde. Ihr erstes Ziel sei es daher gewesen, sich für eine sinnvolle Sache zu engagieren. „Jetzt, da es wirklich möglich ist, will ich aber auch mit einziehen“, sagt sie.
„Wie wird meine eigene Wohnung aussehen?“
Für Annabel Holtkamp ist es ein langgehegter Traum, gemeinschaftlich zu wohnen. „Meine Begeisterung von vor neuneinhalb Jahren hat nícht nachgelassen. Ich bin aber auch ein ausdauernder Mensch“, räumt sie ein und schmunzelt über ihre eigene Hartnäckigkeit. Besonders freue sie sich an der Vielfalt an Talenten, die sie unter ihren Mitstreitern, den anderen Genossenschaftsmitgliedern, erlebe.
Neben der Gemeinschaft ist Holtkamp inzwischen aber auch das Individuelle wichtig. „Wie wird meine eigene Wohnung aussehen?“ – auch diese Frage treibt sie um. Auch Sylvia Machler ist mit sich sehr im Reinen. Die Idee, die sie nach Konstanz brachte, wird jetzt Realität und sie hat die Möglichkeit, zu gestalten: „Wir sind ganz nah dran am Traum, solche Orte zu schaffen.“