Eines ist klar an diesem Abend im Konstanzer Ratssaal. Niemand soll auf dem nächtlichen Heimweg Angst haben müssen. Niemand soll einem Übergriff oder gar einem Verbrechen zum Opfer fallen, so wie im Juni eine Frau im Stadtgarten.
Und: Ja, auch im vergleichsweise sicheren Konstanz brauchen Frauen einen besonderen Schutz. Aber nur sie? Und wie viel Aufwand kann sich die Stadt für dieses Plus an Sicherheit und Sicherheitsgefühl leisten? Bei derlei Fragen fällt die Debatte schon schwerer.
Zur Diskussion stehen zwei Vorschläge mit einem gemeinsamen Ziel. Die Fraktion von FGL und Grünen, so ihr eigener Wortlaut, „beantragt, analog zu anderen Städten in Deutschland, Gutscheine für Frauen und weiblich gelesene Menschen für Taxifahrten in der Nacht bereitzustellen.“
Sie sollen dafür einen Eigenbeitrag bezahlen, im hessischen Gießen liegt dieser laut der Fraktion bei fünf Euro. Jede Person soll maximal drei Gutscheine auf einmal bekommen, aber darüber hinaus ohne Begrenzung. Das Angebot soll laut FGL und Grünen bestehen, bis ein Budget von 50.000 Euro aufgebraucht ist.
Die CDU hat eine andere Idee. In den Nachtstunden sollen Stadtbus-Fahrer, wenn es die Verhältnisse und der Verkehr zulässt, ihre Passagiere auch zwischen Haltestellen aussteigen lassen. Damit wird der Heimweg im Zweifelsfall kürzer. Die CDU bringt vor, dass eine solche Regelung allen zugutekomme und keine Zusatzkosten verursache. Ein solches Angebot, so die CDU, habe sich in anderen Städten schon lange bewährt.
Für Oberbürgermeister Uli Burchardt ist beides wichtig und richtig. Mehr noch, er „bedauere es ein bisschen, dass es aus dem Gemeinderat kam und nicht der Verwaltung“, sagt er am Ende einer Debatte, bei der sich auch Zweifler kaum mehr trauen, mit Nein zu stimmen und sich in die Enthaltung flüchten. Denn auch sie wissen um die Wucht der Frage, die ihre Kollegin Soteria Fuchs (FGL&Grüne) in den Ratssaal stellt: „Können wir es uns leisten, es nicht zu tun?“
Mitglied des Gemeinderats klagt: „Es gibt Angsträume“
Dem schließen sich viele Stadträtinnen und Stadträte an und betonen, Frauen und Mädchen seien besonderen Gefahren ausgesetzt. „Es gibt Angsträume“, sagt zum Beispiel Normen Küttner (FGL&Grüne). Anke Schwede (Linke Liste) hält das Frauennachttaxi für eine „wirkungsvolle Maßnahme“, Zahide Sarikas (SPD) glaubt, „so können wir Chancengleichheit erreichen“. Susanne Heiß (Freie Wähler) befürwortet das Nachttaxi und die Verbesserungen beim Bus, fragt sich aber auch, was das am Ende kostet und woher das Geld kommen soll.
Doch es gibt auch andere Stimmen. Frank Hoffmann (FDP) sagt ausdrücklich mit Bezug auf jüngste Vorfälle: „Auch junge Männer können hier der Gewalt zum Opfer fallen.“ Manfred Hölzl (CDU) selbst Mitglied im Präventionsrat, spricht von schrecklichen Einzelfällen und mahnt: „Wir haben noch weitere Aufgaben im Bereich der Gewaltprävention zu tätigen“. Das bestätigt auch Moritz Schneider, Stadtrat des Jungen Forums und Mitbetreiber des Kulturkiosks „Schranke“ in Petershausen. Konstanz brauche mehr als „Maßnahmen, die die Symptome behandeln.“
OB Burchardt sorgt sich auch um das Image der Stadt
Oberbürgermeister Burchardt wiederum sorgt sich um das Sicherheitsempfinden der Menschen. Es solle nun keinesfalls das Bild entstehen, Konstanz sei, für wen auch immer, eine besonders gefährliche Stadt. Die Verwaltung arbeite mit ihren eigenen Ordnungskräften eng mit der Polizei zusammen. Bei den nun diskutierten Ideen fürs sichere Unterwegssein in der Nacht „geht es sehr darum, die richtige Dosierung zu finden“, sagt er.
Wie die aussieht und wie viel öffentliches Geld die Stadt in die Sicherheit und das Sicherheitsempfinden gleichermaßen investiert, steht noch nicht fest. Der Gemeinderat hat bei nur zwei Gegenstimmen und acht Enthaltungen dafür gestimmt, dass die Verwaltung konkrete Vorschläge macht, bei denen auch klar ist, wie die Umsetzung funktionieren soll und was diese kosten würde. Dann geht es im Rat auch nochmals um Kosten und Nutzen.
Bis dahin liegen möglicherweise auch Zahlen vor. Bisher konnte die Stadtverwaltung laut der Gleichstellungsbeauftragten Julika Funk nur Statistiken für den gesamten Bereich des Polizeipräsidiums bekommen, das von Konstanz bis nördlich von Villingen-Schwenningen reicht.
Demnach hat die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – bei denen fast immer Frauen die Opfer sind – von 2022 auf 2023 um 12,7 Prozent zugenommen auf zuletzt 815 im Präsidiumsbereich. Bei den allgemeinen Gewaltdelikten auf offener Straße betrage die Steigerung vier Prozent, sagte sie. In diesem Bereich seien ein Drittel der Opfer Frauen.