Im Campus Café der Universität Konstanz ist es gerade nicht so voll. Hinter der Theke stehen zwei Studentinnen und warten auf Kundschaft. Eine von ihnen ist Denise Dogan. Die Jurastudentin hat etwas Zeit für ein kurzes Gespräch. Sie denkt gerade über die Sicherheit auf den Konstanzer Straßen bei Nacht nach. Auf ihren nächtlichen Heimwegen hat sie schon einiges erlebt, was sie beunruhigt. Sie findet die Idee eines Nachttaxis speziell für Frauen gut. Sie sagt: „Ein solches Angebot ist dringend notwendig und ich würde es auch selbst nutzen.“

Die FGL/Grünen-Fraktion möchte ein solches Frauenmobil in Konstanz etablieren. Sie hat daher vor Kurzem einen Antrag gestellt. Sie wollen ein Gutscheinsystem für Nachttaxis einführen. Die Idee ist, dass die Frauen Gutscheine im Wert von je fünf Euro erhalten, die sie bei den nächtlichen Taxifahrten einlösen können. Die Fraktion argumentiert in ihrem Antrag, dass sich Frauen nachts dadurch etwas sicherer auf dem Nachhauseweg fühlen könnten.
Einige Städte in Deutschland haben bereits ein solches Fahrtenangebot für Frauen. So zum Beispiel Freiburg, Heidelberg, Gießen, Osnabrück, Mannheim und München. In allen Städten ähneln sich die Konzepte des nächtlichen Taxis.
Hintergrund des Antrags ist, dass es in Konstanz in diesem Jahr bereits zu einigen Sexualdelikten gegenüber Frauen kam – darunter eine Vergewaltigung, Exhibitionisten und andere sexuelle Belästigungen. Auch in der grenznahen Schweiz war eine junge Frau am Rande des Fantastical – dem Schweizer Pendant zum Seenachtfest – zum Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden.
Auch Julika Funk, Leiterin der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz, sieht Bedarf an einem Frauen-Nachttaxi: „In der letzten Zeit gab es immer wieder Berichte über Übergriffe auf Frauen.“
Die Leiterin der Chancengleichheitsstelle gibt zu bedenken, dass der öffentliche Personenverkehr (ÖPNV) in den Nachtstunden zwischen 23 Uhr und 5 Uhr nur sehr reduziert fahre. Diese Lücke gilt es zu schließen, um Frauen gerade nachts ein größeres Sicherheitsgefühl zu geben. Eine dichtere Taktung von Nachtbussen wäre erstrebenswert, so lang dies nicht möglich ist findet Funk ein Frauentaxi sinnvoll.
Beschimpfungen aus dem Auto heraus
Die Jurastudentin, Denise Dogan, hilft sich selbst auf dem nächtlichen Heimweg: Sie telefoniert mit Freundinnen. „Ich habe jedes Mal Angst, wenn ich im Dunklen nach Hause laufe“, sagt sie. Viele ihrer Freundinnen hätten schon schlechte Erfahrungen gemacht. Sie selbst erlebe häufiger, dass ihr aus Autos zugerufen würde. „Einmal schrien welche beim Vorbeifahren zu mir ‚du Schlampe‘“, berichtet die 27-Jährige.
Mit ihrer Unsicherheit ist Denise Dogan nicht alleine. Denn auch Marlene Hermann aus Konstanz kennt unbehagliche Momente: „Etwas Schlimmes ist mir noch nie passiert. Daher fühle ich mich meist sicher in Konstanz.“ Meist. Denn manchmal gibt es schon Situationen, in denen sie ein ungutes Gefühl habe. „Als Frau, die alleine unterwegs ist, werde ich manchmal gezielt in Gespräche verwickelt. Dabei habe ich das Gefühl, dass mein Gegenüber eine Verabschiedung nicht so einfach akzeptieren könnte oder mir noch folgt“, sagt die 34-Jährige.

Ganz anders handhabt es Chiara Leidolt. Auch die 20-jährige Studentin lebt in Konstanz. „Alleine gehe ich eigentlich nie aus“, sagt sie. Als sie in die Konzilstadt gezogen ist, habe sie häufiger ihr Auto genutzt, um in die Stadt zu kommen. „Zum Parkplatz habe ich mich dann immer begleiten lassen“, sagt sie. Mittlerweile fährt sie meistens mit mehreren Leuten mit dem Fahrrad. „Ich glaube, ich bin noch nie Taxi in meinem Leben gefahren“, sagt sie. Trotzdem hält Chiara Leidolt ein Frauen-Nachttaxi in Konstanz für eine gute Sache.
Gibt das Taxi Sicherheit?
Auf die Frage, was die Polizei von der Einführung eines Frauen-Nachttaxis hält, antwortet Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums in Konstanz. Ihrer Ansicht nach bleibt abzuwarten, ob das Frauenmobil für weniger sexuelle Gewalttaten sorgen würde. Jedoch geht sie davon aus, dass das Sicherheitsgefühl dadurch gestärkt werde.
Dass es eine Zunahme an Gewalttaten gegen Frauen in Konstanz gibt, zeigt der Jahresbericht der polizeilichen Kriminalstatistik. In den vergangenen beiden Jahren stieg die Zahl der Sexualdelikte an. In den meisten Fällen waren Frauen von sexueller Belästigung betroffen.
FGL stützt sich auf Umfragen
Die FGL/Grünen-Fraktion argumentiert in ihrem Antrag mit Umfragen aus anderen Städten. Dessen Ergebnisse würden zeigen, dass sich eine Mehrheit der befragten Frauen auf ihrem nächtlichen Heimweg unsicher fühlen würde. Im Gegensatz zu den befragten Männern. Unter ihnen gab es deutlich weniger Ängste auf dem Nachhauseweg.
Vielleicht können bald auch Nachtschwärmerinnen in Konstanz ein Nachttaxi rufen. Jacqueline Miler, die einen gemeinsamen Tag mit ihrer Mutter in der Konzilstadt verbringt, zieht Vergleiche zu ihrem Heimatort Luzern. An Sicherheit fehlt es ihr dort nicht. Sie fährt gerne mit dem Fahrrad. Auch nachts nutzt die 29-Jährige es oft, um nach Hause zu kommen. In unsicheren Situationen würde sie aber nachts auch ein Taxi nehmen, sagt Miler. Aber einen störenden Gedanken hat sie dabei: „In ein Fremde-Männer-Auto steige ich sehr ungern alleine ein.“

Etwas anders verhält es sich bei ihrer Mutter, Gabriele Miler. Die 61-Jährige wohnt in Oberbayern. „Ich gehe nicht mehr so viel aus. Und wenn ich ein Taxi bräuchte, rufe ich mir einfach eins“, erzählt sie. Vor 40 Jahren hätte sie das Angebot des Nachttaxis vermutlich genutzt, da sie damals weniger Geld hatte. Heute leiste sie sich das einfach selbst.
Bei einer Sache sind sich Mutter und Tochter allerdings einig: Das Angebot sollte sich an Männer sowie Frauen wenden. ‚Raub betrifft auch beide Geschlechter‘, meint Jacqueline Miler.