Für Familien ist es eine gute Nachricht: Ab dem Schuljahr 2026/27 haben Grundschüler einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung – zunächst die Erstklässler, dann kommt jedes Schuljahr eine weitere Klassenstufe dazu. Ab dem Jahr 2029 greift ein individueller Rechtsanspruch für alle Grundschulkinder. Doch diese Vorgabe der Bundesregierung stellt die Kommunen vor einige Herausforderungen.

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So sagt Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport: „Wir haben mit den Planungen begonnen, doch die Verankerung im Landesgesetz als Grundlage fehlt noch.“ Unter anderem ist noch nicht klar, wie viele Quadratmeter pro Kind vorgesehen werden müssen, auch der Personalschlüssel wurde bislang nicht festgelegt. Entscheidende Fragen können daher noch nicht beantwortet werden. Dazu gehört unter anderem, wer in Konstanz künftig Träger der Schulkindbetreuung sein wird.

Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport.
Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport. | Bild: SK-Archiv | Kirsten Astor

Bisher hat Konstanz hier, gemeinsam mit Reutlingen, ein Alleinstellungsmerkmal in Baden-Württemberg: Private Vereine und Initiativen betreuen die Kinder an den Grundschulen, nicht städtisch getragene Kernzeiten. Dieses System wurde immer wieder diskutiert, denn die Kernzeiten an den Konstanzer Grundschulen sind bei Betreuungszeiten, Personal- und Raumausstattung sehr unterschiedlich aufgestellt.

Außerdem werden die Anforderungen komplexer, was Buchführung oder rechtliche Themen wie Datenschutz und Kindswohlgefährdung angeht. Manche Laien geraten dabei an ihre Grenzen – und in Dettingen stand die Kernzeit sogar vor dem Aus, weil der Vorstand nicht mehr zur Wiederwahl stand und kein Nachfolger in Sicht war. „Wir müssen neue Strukturen schaffen“, sagt nun Schulamtsleiter Frank Schädler.

„Kommune wird deutlich in die Finanzierung einsteigen müssen“

Doch die Ängste mancher Kernzeitmitarbeiter, sie würden künftig überflüssig, kann er ihnen nehmen: „Wir brauchen weiterhin jede Kraft und denken über Qualifizierungsangebote nach.“ Darüber hinaus wird weiteres Personal nötig sein, um den Rechtsanspruch zu erfüllen: „Ich glaube nicht, dass die Stadt alleiniger Träger wird, denn wir sprechen von 150 Stellen. Eher gehe ich von einer Vereinsgründung aus, mit Beteiligung der bisherigen Kernzeiten sowie der Stadt. Die Kommune wird auch deutlich in die Finanzierung einsteigen müssen.“

Klar ist immerhin schon, dass die Grundschulbetreuung an fünf Werktagen in der Woche zu leisten ist, mit jeweils acht Zeitstunden. Im Unterschied zum aktuellen System müssen die Ganztagsbetreuungen künftig auch einen Großteil der Ferien abdecken; es wird nur 20 Schließtage pro Jahr geben.

Welche weiteren Schritte sind nun geplant?

Auf dem Weg zu einem neuen Betreuungssystem für die elf Konstanzer Grundschulen haben die Beteiligten schon einige Schritte zurückgelegt: Ende 2019 erfolgte zunächst eine Elternumfrage mit Bedarfsanalyse. Deren Ergebnisse diskutierte die Stadtverwaltung mit sogenannten Schulfamilien, zu denen neben der jeweiligen Schulleitung auch Lehrer, Kernzeitpersonal, Eltern, Schulsozialarbeiter und das Staatliche Schulamt gehören. Auch ein Austausch mit den Gesamtelternbeiräten Kita und Schule fand statt, unterstützt von Bildungsforscherin Axinja Hachfeld von der Universität Konstanz. Dabei entstand ein Orientierungsrahmen mit Ist- und Soll-Zustand für alle elf Grundschulen.

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Im nächsten Schritt wird die Stadt eine Raumanalyse vornehmen und den Fehlbedarf ermitteln sowie eine gemeinsame pädagogische Konzeption für alle Schulen erarbeiten. „Dennoch wird jede Schule weiterhin ihre Besonderheiten haben, wir schaffen keinen Einheitsbrei“, sagt Frank Schädler.

Eine Mischung aus Hausaufgabenbetreuung, Sport, Spiel und kulturellen Angeboten soll dazu beitragen, dass die Kinder auch nach dem Unterricht gern an ihrer Schule bleiben. „Das ist auch eine große Chance für die Vereine“, sagt der Schulamtsleiter. Dass viele Kinder auch jetzt schon sehr gern in die Kernzeit gehen, haben sie jüngst bei einer Befragung bestätigt.

Bei einem Besuch der Kernzeit an der Haidelmoosschule bestätigen die Kinder dieses Bild. So sagt der achtjährige Frederic: „Ich kann hier ganz viel spielen, das ist was anderes als Schule.“ Die siebenjährige Melinda ergänzt: „Ich bin gern in der Kernzeit, weil hier auch meine Freunde sind. Am liebsten hätte ich gar kein Wochenende, denn ich freue mich jeden Tag auf die Schule und die Kernzeit.“

Konstanzer Amtsleiter verärgert über die Rolle des Landes

Obwohl alle Kommunen des Landes vor denselben Unwägbarkeiten und Aufgaben stehen, ist Frank Schädler verärgert. „Ich verstehe nicht, warum der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung nicht vom Schulsystem selbst, also vom Land, erfüllt wird“, sagt er. Denn die bestehenden Ganztagsschulen, bei denen auch nachmittags Lehrer im Einsatz sind (unterstützt von weiterem Personal) erfüllen bislang und auch künftig nicht den Rechtsanspruch. Sie betreuen nur an vier Tagen nachmittags und sind in den Ferien geschlossen.

So benötigen auch die beiden Ganztagsschulen in Konstanz (die Berchenschule und die Grundschule Petershausen) zusätzliche kommunale Betreuung. „Wir als Stadt werden mal wieder gezwungen, eine Parallelstruktur zum Schulsystem aufzubauen“, ärgert sich Frank Schädler. „Kämen dagegen Unterricht und Betreuung aus einer Hand, nämlich vom Land, wären Zuständigkeiten klar geregelt und Reibungsverluste würden minimiert.“

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