Selbst einfachste Wohnungen würden zu Preisen vermietet, die ganze Gruppen faktisch vom Wohnungsmarkt ausschließen. Mit diesem Satz bringt Till Hastreiter von der privaten Initiative 83 das Drama am Konstanzer Wohnungsmarkt auf den Punkt.

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Auf Idee von Till Hastreiter geht das Projekt Raumteiler zurück, das für wenig begüterte oder verschuldete Menschen, die in Konstanz von Obdachlosigkeit bedroht sind, Hilfe aus einer Hand verspricht. Sozial-Bürgermeister Andreas Osner hatte sie gern aufgegriffen. Nun wollen die Wohnraumaquise der Stadt Konstanz, die private Initiative 83 und die Notversorgung der Stadt eng zusammen arbeiten.

Raumteiler will alle Wohnungssuchenden in den Blick nehmen. Bisher habe es für jede Gruppe, sei es ein Flüchtling, ein Obdachloser, oder ein Bürger mit wenig Geld, andere Unterstützungssysteme gegeben. „Damit wird die Konkurrenz der Zielgruppen nicht optimal gelöst“, stellt die Stadtverwaltung in den Unterlagen für den Sozialausschuss fest.

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Die Stadt hofft, durch das Projekt Raumteiler die Ausgaben für Wohnungen und Ferienunterkünfte reduzieren zu können, die teuer angemietet werden müssen, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Um in neuen Haushalten Mietverträge zu erreichen, soll es für die Vermieter ein Anreizsystem geben.

Die Anreize für Vermieter

Im Sozialausschuss des Gemeinderats fand dieses Modell volle Zustimmung, ebenso die finanzielle Unterstützung: 72.100 Euro für die Installation des neuen Systems sowie 48.500 Euro für die jährlichen Personal- und Sachkosten der Initiative 83.

Das Projekt 83, das seit 2016 darauf spezialisiert war, ungenutzten Wohnraum für Flüchtlinge zu finden, wolle seine Tätigkeiten auf alle Gruppen ausweiten, die ohne Hilfe kein neues Zuhause finden können, kündigte Hastreiter an. Der Vorstand habe sich dafür entschieden.

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Die Erfolge der Gruppe waren groß: Für 206 Geflüchtete konnten Mietverträge in privatem Wohnraum abgeschlossen werden, das geht aus den Unterlagen für den Sozialausschuss hervor. Das Sozial- und Jugendamt hatte über das Projekt Wohnraum-Aquise im Jahr 2020 35 Personen in privaten Wohnraum vermittelt.

Immer mehr Menschen droht die Obdachlosigkeit

Aktuell sind nach Angaben der Stadt zudem 270 Personen in Notunterkünften untergebracht, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Die Tendenz sei steigend, und die Notbehausungen seien wegen des Mangels an anderen Wohnraumalternativen dauerhaft belegt.

Weil es kaum noch Fluktuation gebe, müssten ständig neue Unterkünfte erschlossen werden. Dabei sollte die Unterbringung durchs Bürgeramt nur vorübergehend sein, um eine Notlage zu überbrücken. Die Realität sehe aber anders aus. In einem Projekt können Obdachlose Unterschlupf in Wohnwagen bekommen, die die Stadt zur Verfügung stellt.

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Weiter kümmere sich das Bürgeramt um die Unterkunft von derzeit 420 anerkannten Flüchtlingen. Die Stadt geht davon aus, dass diese Zahl bis Ende 2021 auf 600 anwachsen wird. Aktuell sei vereinbart, dass die Wohnungsbaugesellschaft Konstanz (Wobak) 59 Wohnungen für die Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen zur Verfügung stellt. Die Stadt baut zudem weiter an kommunalen Unterkünften.

Junges Forum will die Wobak stärker in die Plicht nehmen

Umstritten ist die Idee des Jungen Forums, die Wobak zu verpflichten, künftig jedes Jahr 35 Familien mit Kindern aufzunehmen, die ihre Wohnung verloren haben. Im Ausschuss wurde über den Vorschlag nicht abgestimmt, weil er nicht auf der Tagesordnung stand.

Christine Finke, Stadträtin des Jungen Forums, rechnete vor, dass Familien vom Wohnraummangel besonders betroffen seien. „Die Lage ist dramatisch.“ Im Jahr 2019 seien allein 90 Kinder mit ihren Eltern in Notunterkünfte der Stadt eingewiesen worden.

Christine Finke, Junges Forum
Christine Finke, Junges Forum | Bild: SK-Archiv

Auch Alleinerziehende und Frauen aus Gewaltbeziehungen seien besonders betroffen. Für diese Familien seien die klassischen Notunterbringungen der Stadt nicht passend.

CDU-Fraktion und Wobak sehen keinen Handlungsbedarf

Von der CDU-Fraktion gibt es Gegenwind. Sie zeigt sich überzeugt, dass Familien ohne Zuhause nur mit dem Bau neuer Wohnungen geholfen werden könne, nicht mit dem Einführen weiterer Quoten. Sie unterstütze den Vorschlag des Jungen Forums nicht. Sie verweist darauf, dass es der Wobak gelinge, mehr als 100 Härtefälle im Jahr mit Wohnungen zu versorgen.

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Auch die Wohnungsbaugesellschaft selbst sieht keine Notwendigkeit, die bisherige Praxis zu ändern. Malte Heinrich, Assistent der Geschäftsführung, teilt auf Nachfragen mit: Die Praxis der Wohnungsvergabe bei der Wobak berücksichtige die besondere Dringlichkeit der Wohnversorgung von Familien und Wohnungslosen.

„Jährlich können wir zirka 150 Härtefälle mit einer Wohnung versorgen“, erklärt Heinrich. Auch die Wobak betrachtet es als wirksamste Hilfe für Familien und Wohnungslose, mehr zu bauen. Denn jede Wobak-Wohnung könne nur einmal vergeben werden.

Können sich Normalverdiener Neubau-Wohnungen leisten?

In der Frage, ob der Bau von neuen Wohnungen den Menschen mit schmalem Budget hilft, ist die Stadt tief gespalten. Manche bemängeln, es entstünden viel zu viele Wohnungen, die sich Normalbürger nicht leisten können. Bei Flächen, die neu für die Bebauung erschlossen werden, will die Stadt mit Auflagen zum Bau preisgedämpften Wohnraums dieser Entwicklung gegensteuern.

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Bürgermeister Andreas Osner schlug vor, das Thema Quote für die Wobak in der Verwaltung nochmals zu beraten, eventuell auch in der Arbeitsgemeinschaft Wohnen oder auch im Aufsichtsrat der Wobak. Anke Schwede von der Fraktion der Linken stellte fest: „Ich fände es wichtig, dass wir einen Prüfauftrag dazu beschließen.“

Anke Schwede, Die Linke
Anke Schwede, Die Linke | Bild: Daniel Schroeder/SK-Archiv

Dies sei aber nicht möglich, weil das Thema gar nicht auf der Tagesordnung stehe, sagte Bürgermeister Osner.

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