Stau auf allen Strecken, weil Autofahrer in der Altstadt von Konstanz keinen Parkplatz mehr finden. An solchen Spitzentagen leiten die Verkehrskadetten den Verkehr um die Innenstadt herum. Ab 2027 soll dies eine digitale Steuerung übernehmen. Der Technische Ausschuss gibt 450.000 Euro für die Planung frei. Doch es gibt Zweifel bei den Stadträten und den Planern an dem Konzept.
Es geht vor allem um die 60 Tage im Jahr, in denen Konstanz überrannt wird von Touristen und Kaufwütigen. Das können Brückentage sein oder der Schweizer Nationalfeiertag. An diesen Tagen sind die Parkplätze in der Konstanzer Altstadt besonders schnell belegt. In solchen Fällen sind in der Regel die Verkehrskadetten im Einsatz, um Verkehrsteilnehmer auf Ausweichparkplätze und Ausweichrouten zu lenken. Das alles soll voraussichtlich bis 2027 digital funktionieren mit dynamischen Informationstafeln und sogenannten Wechselverkehrszeichen.
Zweite und dritte Umsetzungsstufe
Doch die Planer halten sich eine Hintertür auf, falls das digitale System doch nicht den durchschlagenden Erfolg bringen sollte. In den Sitzungsunterlagen für den Technischen Ausschuss heißt es: „In einer zweiten und dritten Umsetzungsstufe sind verstärkende Maßnahmen wie Sperrung einiger Straßenabschnitte mittels versenkbarer Poller vorgesehen, falls die Maßnahmen der ersten Stufe nicht ausreichend sein sollten.“
Die digitale Verkehrssteuerung soll den Parkdruck nehmen und den Parksuchverkehr verringern. Es leitet Suchende zu Stellplätzen am Rand oder außerhalb der Innenstadt. Es soll Detektoren geben, die das Verkehrsaufkommen an relevanten Stellen erfassen, und eine Software, die kurzfristige Prognosen errechnen kann. Außerdem soll es digitale Anzeigen geben, die den Verkehr umleiten oder zeitweise die Zufahrt in das linksrheinische Stadtgebiet sperren.
Die Schaltung der Ampeln soll dem Szenario angepasst werden. Ziel der Maßnahmen: Das Fortkommen der Rettungsdienste und Busse gewährleisten und den „reibungslosen Verkehrsfluss“ des motorisierten Individualverkehrs sicherstellen, wie es in den Sitzungsunterlagen heißt. Weitergehende Verkehrsanalysen und -strategien seien auch möglich.
Kosten von 4,7 Millionen Euro
Die Gesamtkosten, inklusive der Aufwendungen für die Planung, liegen bei rund 4,7 Millionen Euro. Auf eine Förderung bei den Planungskosten verzichtet die Stadt, weil sich das Projekt ansonsten noch weiter verschieben würde. Für die restlichen Kosten erwartet die Stadt eine Förderung. Unter bestimmten Bedingungen wäre eine besonders hohe Förderquote drin, doch vieles ist noch offen.
Auch die Verkehrskadetten werden unter anderem wegen der Baustelle am Einkaufszentrum Lago immer teurer. Weil sie inzwischen nicht nur an 20 Tagen, sondern an 60 Tagen im Einsatz sind, kosten sie künftig 270.000 Euro im Jahr, das sind 140.000 Euro von Marketing und Tourismus Konstanz und 130.000 Euro von Seiten der Stadt. Wegen der hohen Planungskosten für das digitale Verkehrsmanagement rechnet Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn vor: „Das sind zwei Jahre Kadetten.“
Für ihren Einsatz bekommen sie von Stadträten viel Lob, auch von Anne Mühlhäuser (Freie Grünen Liste). Sie kritisiert die Masse des motorisierten Individualverkehrs in Konstanz: „Wir bekommen den nicht reduziert.“ Das widerspreche doch dem, was die Stadt erreichen wolle, nämlich die Verkehrswende. Alfred Reichle (SPD) sieht das ganz anders. In 20 bis 30 Jahren werde es vielleicht etwas weniger werden mit dem Autoverkehr.
„Wir haben doch kein Geld“
Wie viel bringt die Investition in die digitalen Systeme? Gisela Kusche, Stadträtin der Freien Grünen Liste, hält das Vorhaben für wenig sinnvoll. „Wir haben doch kein Geld.“ Eine halbe Million für ein Projekt zu investieren, von dem nicht klar sei, ob es die Stadt überhaupt umsetzen könne, halte sie für nicht richtig. „Dann kriegen wir die Fördermittel nicht und können uns das nicht leisten.“ Daniel Groß, Stadtrat der CDU, war erst skeptisch: Mit dem C-Konzept, das den Bahnhofsplatz vom Durchgangsverkehr frei halten soll, und mit „einigermaßen intelligenten Autofahrern“, so habe er gedacht, würde das digitale System nicht mehr benötigt. Er habe sich überzeugen lassen, dass es sinnvoll sei.
Daniel Hölzle (Freie Wähler) stimmt dem Vorhaben zu, sagt aber: „Das ist trotzdem eine Riesensumme.“ Er hofft, dass sich das System weiterentwickelt. Auch Jürgen Ruff (SPD) zeigt sich von den Kosten überrascht, er betrachtet das System aber als positiv. Achim Schächtle (FDP) zeigt sich wenig überzeugt: „Die Kadetten funktionieren. Bei einem Schild bin ich mir nicht so sicher.“
Schächtle fragt zudem nach den Folgekosten. Nach spätestens 15 Jahren müssten doch der Computer und die Anzeigetafeln ersetzt werden. Die Stadtverwaltung rechnet mit einem niedrigen fünfstelligen Beitrag. Holger Reile (Linke) betrachtet alle Investitionen in ein digitales System als Verschwendung. „Hauptsache, der Verkehr fließt, und die Kulturhäuser bleiben dunkel.“ Er würde das Geld in die Qualität der Stadt stecken, sagt er.
Was sich noch tun soll
Geschieht nun bis 2027 nichts Erkennbares? Nicht ganz: Es wird ja auch am sogenannten C-Konzept gearbeitet, nach dem der Durchgangsverkehr nicht mehr über den Bahnhofplatz fließen soll. Wenn dann der Allgemeinverkehr nicht mehr in den Bahnhofplatz einbiegen darf, ist die Hoffnung groß, dass Busse besser durchkommen, also nicht mehr wegen Staus Verspätungen einfahren.
2024 sollen zudem die Fern- und Reisebusse schon vor der Altstadt unter der neuen Rheinbrücke halten. Sie sollen also gar nicht mehr in die Altstadt fahren. Vor der Altstadt, an der Neuen Rheinbrücke, soll auch das neue Stadtwerke-Parkhaus mit 700 Plätzen öffnen. Das alles soll dazu beitragen, die Innenstadt zu entlasten. Allerdings: Mit dem Bau des geplanten Parkhauses am Döbele in der Innenstadt fallen auch dort wieder Parkplätze weg.