Eltern von Schülern der Wessenbergschule und eines Fußballvereins in Konstanz erheben Vorwürfe gegen das Landratsamt. Ihrer Meinung nach habe die Behörde positive Corona-Tests zu spät an Eltern und Mitschüler kommuniziert – auch wenn das Virus sich nicht weiter ausbreitete.
Was war geschehen?
Eine Zehntklässlerin der Wessenbergschule wurde positiv auf Covid-19 getestet. Das Gesundheitsamt soll am 21. Juli davon Erkenntnis erhalten haben. Darüber hinaus wurde ein Jugendfußballer des SC Konstanz-Wollmatingen positiv getestet, das Gesundheitsamt soll am 17. darüber in Kenntnis gesetzt worden sein. Eltern und Mitschüler der Schülerin wurden von der Schule am Samstag, 25. Juli informiert.
„Da es einen positiven Covid-19-Fall in unserer Klasse gibt, seid ihr für Montag vom Unterricht befreit bzw. ausgeschlossen ... Es ist ratsam, sich für dieses Wochenende in freiwillige Quarantäne zu begeben und die Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren“, schreibt der Klassenlehrer. Die Eltern der Mitspieler wurden am 22. Juli vom Vorstand des Vereins informiert. Der Vorstand wurde nach seiner Aussage auch erst am 22. in Kenntnis gesetzt.
Das sagt das Landratsamt
„In beiden Fällen lag, nach intensiver Ermittlung und in Absprache mit den Betroffenen, kein Anhalt für enge Kontakte vor und somit konnte auf Quarantänen verzichtet werden“, schreibt Sprecherin Marlene Pellhammer auf SÜDKURIER-Anfrage. Und weiter: „Die Kategorisierung in Kontaktperson eins und Kontaktperson zwei ist Aufgabe des Gesundheitsamtes. Die Kategorisierung erfolgt nach Vorgaben des RKI. Wie sich gezeigt hat, war die Entscheidung des Gesundheitsamtes korrekt, es hat sich kein weiteres Infektionsgeschehen entwickelt.“ Was Eltern als glücklichen Zufall bezeichnen.
Sowohl bei dem Jugendfußballer als auch bei der Schülerin kam das Amt zu der Auffassung, dass geringe Gefahr ausginge. Laut Definition des Robert-Koch-Institutes bedeutet dies, dass die positiv getesteten Personen nicht länger als 15 Minuten Gespräche von Angesicht zu Angesicht im selben Raum mit Mitmenschen führen, und dass sie keinen direkten Kontakt zu Sekreten oder Körperflüssigkeiten anderer Menschen haben. Sowohl die Wessenbergschule als auch der SC Konstanz-Wollmatingen gilt als vorbildlich, was die Umsetzung der Corona-Bestimmungen angeht.
Das sagen die Eltern
Manfred Schneider, Vater eines Schülers der betroffenen Klasse: „Drei Tage gingen unsere Kinder in die Schule, obwohl das Landratsamt wusste, dass eine an Corona Schülerin zuvor unter ihnen war. Also mussten wir alle damit rechnen, selbst infiziert worden zu sein.“ Eine Mutter sagt: „Damit haben die Behörden beschlossen, dass unsere Kinder in die Schule gehen sollen, da nach ihrer Einschätzung das Infektionsrisiko gering gewesen sein soll. So eine Entscheidung aber müssen wir Eltern fällen, nicht das Amt.“
Ein Vater bittet das Landratsamt, in Zukunft Eltern umgehend zu informieren – egal zu welcher Kategorisierung die Behörde kommen mag. Aus diesem Grund: „Im Klassenzimmer kommt es vielleicht nicht zu solchen 15-minütigen, direkten Gesprächen oder zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Aber sehr wohl in Pausen oder auf dem Schulweg.“ Marlene Pellhammer dazu: „Das Verhalten der Schüler nach der Schule ist nicht zu kontrollieren. Hier steht jeder einzelne in der Verantwortung, um die Ausbreitung des Virus so gering wie möglich zu halten.“ Ob es nicht einfacher, sinnvoller und erfolgreicher wäre, dieses Risiko zu minimieren, wenn Fälle in der Klasse oder in der Mannschaft bekannt wären – dazu schreibt sie nichts.
Das sagen Verein und Schule
Uwe Walentin, Jugendleiter des SC Konstanz-Wollmatingen, bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt als konstruktiv: „Mein Eindruck: Die Menschen dort sind glaubwürdig und sachlich“, so Uwe Walentin. „Die Situation ist neu für uns alle. Was ich aber auch sagen muss: Es sollte selbstverständlich sein, dass bei Infektionen umgehend die Eltern informiert werden. Nur die dürfen entscheiden, ob ihr Kind weiterhin trainiert oder in die Schule geht – egal, um welche Kategorie es sich handelt. Es existiert ja immer ein gewisses Risiko.“
Er hat selbst zwei Kinder: „Mir ginge es nicht gut, wenn ich wüsste, dass sich in ihrem unmittelbaren Umfeld infizierte Personen aufhalten oder aufgehalten haben.“ Die betroffene Jugendmannschaft zog er zehn Tage aus dem Verkehr, nachdem er mit Verspätung informiert worden sei – es gab weder Training noch Spiele, auch wenn das Gesundheitsamt auch hier von einer geringen Infektionsgefahr ausging. Dazu sagt Uwe Walentin: „Obwohl wir unter freiem Himmel trainieren und spielen – es handelt sich um Sport und um Kinder. Natürlich kann es dabei zum Kontakt mit Sekreten oder Körperflüssigkeiten kommen.“ Daher ging er auf Nummer sicher, „und das war auch im Sinne der Eltern“.
„Im Interesse der Schule, Eltern zeitnah zu informieren“
Schulleiter Martin Pohlmann-Strakhof: „Die Zusammenarbeit mit Landratsamt und Gesundheitsamt ist gut. Es ist im Interesse der Schule, alle Eltern und Mitschüler möglichst zeitnah zu informieren. Ich als Schulleiter kann nur informieren, wenn ich selbst die Informationen habe.“ Und wie erklärt er sich die Zeitspanne zwischen dem 21. und dem 25. Juli, also die Lücke zwischen Bekanntwerden im Amt und der Benachrichtigung der Eltern? „Dazu gibt es keine Aussage von mir.“ Nur so viel möchte er klar stellen: „Ich bin doch lieber einmal zu viel vorsichtig als einmal zu wenig.“
Das Landratsamt schreibt dazu: „Die Schule wurde umgehend über den Fall informiert. KP 1 und KP 2 (Kontaktpersonen erster und zweiter Kategorie, siehe Kasten) wurden vom Gesundheitsamt informiert. Die Kommunikation mit Eltern und Schülern darüber hinaus liegt in der Verantwortung der Schule.“ Das Gesundheitsamt schreibt in einer Mail an einen Vater (liegt dem SÜDKURIER vor): „Die Latenz (gemeint ist die zeitliche Verzögerung, Anm. der Red.) zwischen Aufnahme des Falles und Informationsweitergabe ist alles andere als optimal.“
Wie geht es weiter?
Eltern und Mitschüler wurden zwar informiert, aber erst Tage, nachdem das Amt von den positiven Test wusste. Wieso überhaupt die Info, wenn das Risiko doch so gering gewesen sein soll? Darauf gibt es keine Antwort. Auch auf die Frage, ob in Zukunft verspätete Informationen ausgeschlossen werden können, trifft die Sprecherin des Landratsamts keine konkrete Aussage.