Irgendwann hatte es René Wutig satt. Auf dem Weg mit dem Fahrrad nach Kreuzlingen in seine Zahnarztpraxis, und das bei schlechtem Wetter: „Die Strecke zu kurz, um sich komplett in Regenschutzkleidung zu werfen, aber lang genug, um völlig durchnässt anzukommen.“ Das nervte. Aber wie Abhilfe schaffen? Wutig ist ein Tüftler, also entwickelte er vor zehn Jahren einen Vollschutz für das Fahrrad, meldete ein Patent an, gründete eine Firma und brachte das Produkt „Dryve“ auf den Markt, das er wieder aufgegeben hat – eigentlich.

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Aber die Idee ließ ihn trotzdem nicht los, und so hat er weiter geforscht und gebastelt. Und seit Januar dieses Jahres gibt es nun „Wip“, das für „windshield protection“ steht (wörtlich übersetzt: Windschild-Schutz). Ein Wind- und Regenschutz, der leicht und schnell vorne ans Fahrrad geklickt werden kann. Nach der „Drachenhaut“ der Konstanzer Architektin Sabine Feist ein zweites Produkt aus Konstanz, das Radfahren „wetterfester“ machen möchte.

Bei Regen bevorzugen viele das Auto

Philipp Pfeifer ist bei diesem Projekt mit an Bord, hauptberuflich ist er Innovations- und Nachhaltigkeitsmanager und weiß aus Studien: „Ist es draußen nass und kalt, wird im Stadtverkehr statt auf das Fahrrad doch wieder auf das Auto zurückgegriffen.“ Und wolle man eine wirkliche Mobilitäts- und Verkehrswende, sollten diese CO₂-Kilometer besser auch noch vermieden werden.

Deshalb ihr „Wip“: Damit man, im Idealfall, gar nicht mehr nachdenken muss, sondern bei jedem Wetter das Zweirad nimmt. „Wenn wir bei Sauwetter mit unserem Schutz am Fahrrad unterwegs sind, kommen wir keinen Kilometer weit, bis wir gefragt werden: Wo kriegt man das?“ Das Auto also bedenkenlos für Kurzdistanzen, zum Bäcker, zum Einkaufen, in die Stadt, stehenlassen? Weil einen das Fahrrad trocken und immer noch mit einem gewissen Komfort ans Ziel bringt? Da wollen die beiden hin.

Unterstützt werden sie von Pfeifers Frau Anna, die Industriedesignerin ist, und einem Techniker, Julian Binder. „Wir können das meiste selbst nebenher machen, fahren darum zunächst langsam hoch und können so die Kosten relativ niedrig halten.“ Die ersten Stückzahlen sind in Sri Lanka produziert, 50 Stück der ein Kilo schweren Schutzschilder verkauft, die nächsten hundert bestellt worden, eine Crowdfunding-Kampagne ist gestartet.

René Wutig sieht, dass es „seit Januar gut anläuft“, auch wenn „Wip“ im Internet kontrovers diskutiert wird. Von Ablehnung („Das Letzte, was die Welt braucht!“) bis zu den Viel-Radlern, die den Nutzen sehr zu schätzen wüssten. Philipp Pfeifer gibt zu: „Unser Produkt ist erklärungsintensiv.“ Zum Beispiel, dass der Schutz auch bei starkem Wind nicht abbremse und nicht abreiße, dass er auch wirklich Regen großflächig abhalte und der Radfahrer nicht zusätzlich eine Regenhose brauche.

Test ist Autowaschanlage

Sie hätten viel getestet, erläutert Wutig, auch bei starkem Wind funktioniere das Schild flexibel, seitliche Öffnungen lassen den Wind abströmen. Es schützt auch vor Kälte von vorne, und selbst den Härtetest durch eine „Wasser-Bestrahlung“ in einer Autowaschanlage habe das Produkt bestanden. Pfeifer ist selbst Familienvater, auf einem der Räder sind zwei Kindersitze montiert. Davor ist „Wip“ gespannt und macht den Eindruck, als ob man es damit zu dritt recht trocken bis zum Kindergarten schaffen könnte.

Klar, dass Pfeifer und Wutig von Funktionalität und Qualität ihres Produkts überzeugt sind. Doch überzeugen müssen sie die Kritiker, vor allem auch Fahrradhändler und Fahrradhersteller, damit diese „Wip“ als Zusatzausstattung mit ins Sortiment nehmen. „Die brauchen wir auf jeden Fall als Multiplikatoren“, sagen die Erfinder. Die Kunden der Fachgeschäfte sollen ihr Produkt kennenlernen können.

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Zehn Jahre liegen hinter René Wutig, in denen er immer wieder etwas verbesserte. Und nun vier Monate, in denen Philipp Pfeifer die Aufgabe übernommen hat, Strategien zu entwickeln, wie „Wip“ an möglichst viele Fahrräder kommt. „Denn gerade der E-Bike-Markt ist riesig.“ In den letzten drei Jahren wurden alleine in Deutschland jeweils mehr als zwei Millionen elektrisch betriebene Fahrräder verkauft. Auf dass niemand mehr genervt und durchnässt am Arbeitsplatz ankommt. Und trotzdem das Fahrrad nicht hat stehen lassen.