Was für ein Zufall: Die Adresse der Vogelpflegestation und Wildtierhilfe Hegau in Volkertshausen lautet Waldstraße 6. Hier wohnt nicht nur die Chefin Yvonne Bütehorn von Eschstruth, sondern einige hundert tierische Schützlinge. Zumindest zeitweise. Das Haus liegt am Ende der Straße. Ein Milan sitzt hoch oben in einer Fichte und begrüßt die Nachbarn mit seinem typisch rhythmischen Pfeifen. Zum Haus gehören eine Riedwiese, ein Schuppen mit Voliere und ein zweiter Schuppen, der noch ausgebaut werden soll.

Wildtierhilfe Hegau Bodensee

Bereitwillig führt Yvonne Bütehorn von Eschstruth die Besucherin durch Haus und Garten. Es wird sofort sichtbar: Hier ist ein ganzes Leben den Tieren gewidmet. Wild lebenden Tieren, die durch Zivilisationseinflüsse Schaden genommen haben. Ein lahmender Bussard, der von einem Auto erfasst wurde, eine Fledermaus mit gebrochener Schulter, Rehe, Füchse, Dachs und Eichhörnchen, Siebenschläfer, Singvögel oder Buchfinken. Sogar ein Eisvogel war schon da.

Auch drei kleine Siebenschläfer werden in der Waldstraße 6 großgezogen.
Auch drei kleine Siebenschläfer werden in der Waldstraße 6 großgezogen. | Bild: Tierhilfe

Es sind kranke und verletzte Tiere, die in die Waldstraße 6 gebracht werden. Passanten haben sie gefunden und die Polizei, die Tierrettung, die Forstbehörde oder Umweltverbände alarmiert.

Von dort werden sie dann zu Yvonne Bütehorn von Eschstruth gebracht. Sie ist mit ihren ehrenamtlichen Helfern in weitem Umkreis die einzige, die den Wildtieren in ihrer Krankenstation wieder auf die Beine helfen kann. Die nächste Station befindet sich erst wieder in Lindau.

Im gesamten Wohnhaus hat Yvonne Bütehorn von Eschstruth Krankenstationen für verletzte Wildtiere – hier sind es kleine Vögel ...
Im gesamten Wohnhaus hat Yvonne Bütehorn von Eschstruth Krankenstationen für verletzte Wildtiere – hier sind es kleine Vögel – eingerichtet. | Bild: Gudrun Trautmann

Doch nun hat das Haus am Waldrand seine Kapazitätsgrenze erreicht. „Über 1100 notbedürftige Wildtiere werden uns jährlich gebracht“, sagt die Leiterin der Station. „Dabei ist die Station nur für 250 bis 300 Tierpatienten ausgelegt. Immer mehr ähnliche Einrichtungen stellen ihre Arbeit ein. Deshalb wächst unser Einzugsgebiet.“

Fast in jedem Raum, in jeder Nische stehen liebevoll eingerichtete und gepflegte Boxen und Käfige, in denen sich verletzte Wildtiere erholen können. Und obwohl aus Platzmangel einen Aufnahmestopp verhängt werden musste, werden immer noch Tiere gebracht.

Ein Schild weist am Hauseingang darauf hin, dass Yvonne Bütehorn von Eschstruth keine Tiere mehr aufnehmen kann. Trotzdem werden ihr ...
Ein Schild weist am Hauseingang darauf hin, dass Yvonne Bütehorn von Eschstruth keine Tiere mehr aufnehmen kann. Trotzdem werden ihr immer wieder verunglückte oder kranke Wildtiere gebracht. | Bild: Gudrun Trautmann

Das Problem ist nicht nur der fehlende Platz, sondern auch die finanzielle Situation. Die kranken und verletzten Tiere benötigen häufig eine tierärztliche Behandlung. Sie brauchen Futter und Wärme, um sich erholen zu können.

Und sie brauchen Zeit, um auf die Rückkehr in die Natur vorbereitet zu werden. Alleine ist das nicht zu schaffen. Unterstützung kommt von ehrenamtlichen Helfern und Praktikanten. Und ohne Spenden wäre die Wildtierhilfe nicht aufrechtzuerhalten.

Keine öffentliche Förderung

Rund 25.000 Wildtiere hat Yvonne Bütehorn von Eschstruth nach eigenen Schätzungen in ihrer Station beherbergt und wieder aufgepäppelt. Viel Kraft und privates Vermögen ist in diese Arbeit eingeflossen.

Dass sie für ihre staatlich anerkannte Einrichtung keine öffentlichen Förderung erhält, kann sie nicht verstehen. „Hier besteht Handlungsbedarf seitens der Politik“, sagt sie. „Immerhin sind die meisten Wildtiere krank oder verletzt, weil wir in ihren Lebensraum beschneiden.“

Manuela Martin betreut seit vier Jahren kranke und verletzte Igel, mittlerweile bei sich zu Hause in Eigeltingen. Hier hält sie eine ...
Manuela Martin betreut seit vier Jahren kranke und verletzte Igel, mittlerweile bei sich zu Hause in Eigeltingen. Hier hält sie eine Besonderheit, einen Albino-Igel, in ihren Händen. | Bild: Gudrun Trautmann

Da sind zum Beispiel die Igel, die immer öfter Opfer von Mährobotern oder Sensenmähern werden. Die Zahl der verletzten Tiere ist überproportional angestiegen. Manuela Martin kümmert sich um die stacheligen Vierbeiner und hat mittlerweile eine eigene Igelstation in Eigeltingen eingerichtet. Vor vier Jahren kam sie über ihre Tochter zur Wildtierhilfe, die dort ein Praktikum absolvierte.

Manuela Martin schuf bei sich zu Hause Platz für 30 bis 40 Igel. „Die Tiere kommen zu uns, wenn sie auffällig sind“, berichtet sie. „Sie können tagaktiv oder dehydriert sein. Dann analysieren wir Stuhlproben und behandeln sie.“ Es kommen auch Jungtiere zu ihr, die durch den Winter gebracht werden. „Der kleinste Igel, den wir Anfang November hatten, wog 100 Gramm. Der Rhythmus der Tiere ist durcheinander geraten. Früher wurden die letzten Igel im September geboren.“

Yvonne Bütehorn von Eschstruth ist froh über ihre treuen Helfer. Die Liebe zu den Wildtieren begann bei ihr im Alter von vier Jahren: „Ein Nachbar hatte ein Nest mit vier kleinen Dohlen auf die Straße geworfen. Mein Stiefvater hat die Vögel aufgenommen und aufgezogen. Das hat mein Leben geprägt.“

Seit 52 Jahren engagiert sie sich als Tierpflegerin. Der bürokratische Aufwand habe stetig zugenommen. Jedes aufgenommene Tier wird dokumentiert. Rund um die Uhr ist sie für kranke oder verunfallte Wildtiere abrufbar. „Ich könnte meine Arbeit noch besser machen, wenn ich nicht dauernd Geld akquirieren müsste“, sagt sie.