Still ruht der See in diesen Tagen, nun ruht auch das Projekt Seetorquerung. Der Gemeinderat Radolfzell hat in der Haushaltsberatung für das Jahr 2020 entschieden, keine Gelder mehr für den nach der Jahrtausendwende angestoßenen Plan für eine neue, kürzere und breitere Unterführung am Bahnhof auszugeben. Dreizehn Stadträte folgten diesem Antrag der Freien Grünen Liste, zehn wollten die Kostenberechnung nach der Entwurfsplanung abwarten und damit den Plan einer neuen Seetorquerung am Leben erhalten.
Die Beschlüsse davor
Oberbürgermeister Martin Staab enthielt sich der Stimme und stellte nach der Abstimmung fest: „Der Antrag ist angenommen, damit können wir keine weitere Planung beauftragen.“ Der Gemeinderat ist damit von seinem Grundsatzbeschluss, gefällt am 8. Mai 2018, abgerückt. 16 Stadträte stimmten damals für die modifizierte Vorzugsvariante oder den Bau einer neuen, kürzeren (24 Meter) und breiteren (8,50 Meter) Unterführung. Kostenschätzung der Verwaltung: 22,9 Millionen Euro. Doch schon ein Jahr später am 30. April 2019 bei der Entscheidung zur Vergabe der Entwurfsplanung bröckelte die Mehrheit. Mittlerweile rechnete die Verwaltung „mittelfristig“ mit 26 Millionen Euro Gesamtkosten, nur noch 13 Stadträte wollten weiter das Projekt unterstützen.
Ein zähes Verfahren
Obwohl es diesen Beschluss des Gemeinderats seit neun Monaten gibt, ist die Entwurfsplanung immer noch nicht an das ausgesuchte Büro vergeben. Hinderungsgrund laut Verwaltung ist der fehlende Vertrag mit der Deutschen Bahn. Erst wenn das Einverständnis mit der Bahn hergestellt sei, könnten die Verträge mit dem Büro für die Entwurfsplanung unterzeichnet werden, erläuterte Baudezernatsleiter Thomas Nöken im Oktober 2019.
Dieses Einverständnis ist offenbar noch nicht hergestellt. Die Bahn soll in den Verhandlungen deutliche Forderungen gestellt haben. Nach SÜDKURIER-Informationen stehe für den Abriss des östlichen Gebäudeteils des Bahnhofs eine Abfindung von 200 000 an die Bahn im Raum. Diese unklaren Verhältnisse hat Siegfried Lehmann für die Freie Grüne Liste erneut zum Anlass genommen, die Seetorquerung zu kippen: „Wir können uns dieses Projekt nicht leisten.“
Stadtrat Lumbe stemmt sich gegen den Ausstieg
SPD-Stadtrat Norbert Lumbe, ein Verfechter einer neuen Anbindung an den See seit Beginn der Planung, ahnte wohl, welches Fass in der Haushaltsberatung da aufgemacht werden sollte. Er versuchte, das Fass zu schließen. Schon seit Jahren ließen die Gegner keine Gelegenheit aus, „die Seetorquerung zu verzögern und abzuschießen“, holte er etwas weiter aus. Auch wenn die Abstimmungen zum Schluss hin immer knapper für die Seetorquerung ausgefallen seien, „waren sie doch von einer demokratischen Mehrheit getragen“. Er bedaure sehr, dass die Zahlen einer Kostenberechnung immer noch nicht vorlägen. Lumbe appellierte eindringlich an seine Kollegen im Gemeinderat, doch bis Ende des Jahres mit einer endgültigen Entscheidung zu warten: „Dann bekommen wir das Ergebnis der Entwurfsplanung.“
Doch kaum einer mochte sich mit ihm solidarisieren. Lumbe kündigte die Niederlage vor Augen an: „Auch wenn sich eine Mehrheit findet, die Seetorquerung zu beenden, ich werde mit wehenden Fahnen untergehen.“ Einzig Bernhard Diehl von der CDU stemmte sich mit Lumbe dem FGL-Antrag entgegen, er wolle die Zahl aus der Kostenberechnung für die Seetorquerung haben: „Dann kommt es zum Schwur.“

Das waren Argumente, die Gisela Kögel-Hensen (FGL) nicht gelten ließ. Nicht die Gegner würden eine Entscheidung verzögern, sondern die Befürworter einer neuen Seeanbindung: „Wir wissen doch, dass die Seetorquerung 26 bis 30 Millionen kosten wird, man braucht sich doch nicht wider besseres Wissen an alte Beschlüsse hängen“, entgegnete sie Lumbe und Diehl. Es gebe andere Projekte, die dringend wären, sagte die Stadträtin: „Wir können den Haselbrunnsteg, die Ratoldusturnhalle und das Strandbad nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben.“
Dreizehn Stadträte besiegeln den Ausstieg und der OB enthält sich der Stimme
Bei der Abstimmung zur Seetorquerung hat es kein einheitliches Stimmungsbild gegeben
- Die Anträge: Siegfried Lehmann hat für die Freie Grüne Liste (FGL) zwei Anträge zu diesem auf 25 bis 30 Millionen teuren Projekt gestellt. Der erste lautete: „Im Haushaltsplan 2020 wird der Haushalts-Ansatz im Finanzhaushalt in Höhe von 450 000 Euro für die Ingenieurs- und Ausschreibungsplanung des Projektes Stadt-Bahn-See (Seetorquerung) gestrichen.“ Der zweite: „In der mittelfristigen Finanzplanung werden die gesamten weiteren Ausgaben für das Projekt Seetorquerung gestrichen.“
- Für den Ausstieg aus der Seetorquerung stimmten 13 Stadträte: Siegfried Lehmann, Zekine Özdemir, Thilo Sindlinger, Daniela Löchle, Anja Matuszak, Gisela Kögel-Hensen (alle FGL), Martina Gleich, Christof Stadler (CDU), Derya Yildirim, Susann Göhler-Krekosch (SPD), Dietmar Baumgartner, Martin Aichem (Freie Wähler) und Richard Atkinson (FDP).
- Zehn Stadträte wollten einen Fortgang des Projekts neue Unterführung: Bernhard Diehl, Stefan Neumeir, Hermann Leiz, Lorenz Thum (alle CDU), Norbert Lumbe, Reinhard Rabanser (SPD), Walter Hiller, Josef Klett (Freie Wähler), Jürgen Keck und Manfred Brunner (FDP). Norbert Lumbe und Bernhard Diehl warben vergeblich darum, doch die Kostenberechnung für die Seetorqerung nach der Vergabe der Entwurfsplanung abzuwarten.
- Die Enthaltung: Oberbürgermeister Martin Staab hat sich wie bei den Abstimmungen zuvor zum Thema Seetorqerung der Stimme enthalten. Im Sommer 2016 hatte der OB erklärt, er könne das Vorhaben nicht länger unterstützen. Vorausgegangen war eine Aussage der Bahn, wonach sie sich nicht an den Kosten des Projekts beteiligen wolle. Staab selbst war aufgrund von mündlichen Aussagen von einer Beteiligung der Bahn in Höhe von drei bis fünf Millionen Euro ausgegangen.