Michael Litterst und Timm Klotz sind nicht zufrieden. Die beiden Mitglieder der sogenannten Arbeitsgruppe der Paten im Freundeskreis Asyl Radolfzell sehen einen dringenden Bedarf bei bezahlbaren Wohnungen in Radolfzell.

Obwohl sie in ihrer Funktion Flüchtlinge betreuen, betonen sie, dass es ihnen dabei nicht nur um diese geht – sondern auch um andere Benachteiligte, denen nur wenig Geld zur Verfügung steht. Sie alle brauchen Wohnungen.

Fraktionen haben konkrete Versprechungen gemacht

Bei einer Podiumsdiskussion im Mai 2019 mit den Gemeinderatsfraktionen unterstrichen laut der Arbeitsgruppe der Paten alle Teilnehmer, dass es sich dabei um eines der dringendsten Probleme der Stadt überhaupt handle. „Es wurden von fast allen Fraktionen konkrete Versprechungen gemacht, dass sie sich da einsetzen wollen“, sagt Timm Klotz.

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Wie die Pressestelle der Stadt auf Nachfrage mitteilt, gibt es in Radolfzell derzeit 70 Sozialwohnungen – und weitere 70 Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins, die das Recht haben, eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung zu beziehen. Stand Juli gebe es zudem 29 Fehlbeleger in den Gemeinschaftsunterkünften – gemeint sind anerkannte Asylbewerber oder Asylbewerber, die ein Bleiberecht haben und die eigentlich in eine Anschlussunterkunft ziehen sollten, aber keine finden.

Vorschlag einer kreisweiten sozialen Wohnungsbaugesellschaft

Um das Thema nun weiter voranzutreiben, will die Arbeitsgruppe sich erneut direkt mit den Fraktionen in Verbindung setzen. Zu diesem Zweck hat sie sich bereits mit einem offenen Brief an diese gewandt und etwa zur Entwicklung des Programms „Raumteiler“, dem vorgeschlagenen Aufbau einer kreisweiten sozialen Wohnungsbau-Genossenschaft und einer möglichen Vergabe von städtischem Grundbesitz als Erbpacht befragt.

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Zudem ist geplant, an Fraktionssitzungen teilzunehmen, möglichst zusammen mit anderen Bündnissen wie etwa dem Seniorenrat oder den Kirchengemeinden, erzählen Litterst und Klotz – vorausgesetzt, die Corona-Entwicklungen lassen das zu. „Wenn niemand das Thema hochhält, rutscht das wieder weg“, erklärt Timm Klotz die Beweggründe der Arbeitsgruppe. „Die Betroffenen brauchen eine Lobby, die sie bei den herrschenden Verhältnissen nicht haben.“ Große Priorität habe das Thema bezahlbarer Wohnraum derzeit nämlich nicht.

Ein Leerstandsmanager fehlt noch immer

Zwar sei von der Verwaltung die Stelle eines Leerstandsmanagers ausgeschrieben worden, allerdings konnte sie laut Pressesprecherin Nicole Stadach nicht besetzt werden. Eine erneute Ausschreibung sei von den Entscheidungen über den Haushalt 2021 abhängig. Zudem sieht Timm Klotz eine soziale Wohnungabaugesellschaft als „wichtiges Anliegen“. Vor zwei Jahren forderte die FGL-Fraktion eine solche städtische Gesellschaft im Gemeinderat, allerdings wurde die Eigenkapital-Einlage laut Verwaltung als zu hoch bewertet, die Mehrheit des Rates stimmte gegen diesen Plan.

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Aufgegeben werden sollte das Thema laut Klotz aber dennoch nicht – er schlägt stattdessen eine Realisierung auf Kreisebene vor: „Selbst, wenn das eine lange Anlaufzeit hat, brauchen wir das.“ Das bereits existierende Programm „Raumteiler“ diene „parallel als Sofort-Maßnahme“, um die Zeit außerdem zu überbrücken, kann er sich einige weitere Lösungen vorstellen: Etwa, dass ein längerer Leerstand automatisch dem Raumteiler-Programm zugeführt oder – falls der Inhaber dem nicht zustimmt – mit einer Zwecksentfremdungsgebühr bestraft wird.

Leerstehende Wohnungen sind gegen das Gemeinwohl

„Eigentum verpflichtet“, zitiert Klotz das Grundgesetz. Wenn eine Wohnung mehr als ein Jahr leer stehe, „dann ist das nicht mehr Gemeinwohl.“ Und alleine durch eine solche Diskussion könne womöglich der ein oder andere Vermieter dazu gebracht werden, seine Wohnung Bedürftigen zur Verfügung zu stellen.

Zudem könne Radolfzell auch durch eine Verpachtung von städtischem Grundbesitz statt Verkauf auf die Wohnungsnot reagieren – „Dann hat man jahrelang ein Mittel in der Hand, da Stadtplanung zu betreiben.“ Wichtig sei, dass ein Druck entstehe, sagt Michael Litterst – nicht nur auf städtischer, sondern möglicherweise auch auf Landesebene.

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