Dienstag, 7. Juli, im Milchwerk: Abstand halten ist nach wie vor drin. Für die Stadträte im großen Saal bei Gemeinderatssitzungen unter Corona-Bedingungen. Die Sitzordnung ist gewöhnungsbedürftig. Wer, wo, warum sitzt, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Dafür ahnt man, was nach Wortmeldungen kommt. Stadtrat Walter Hiller erhebt die Stimme beim Tagesordnungspunkt „Photovoltaikanlagen beim Erwerb städtischer Grundstücke“. Er leitet seine Ansprache mit dem Satz ein: „Einen Satz muss ich schon noch los werden.“ Wir haben mitgezählt: Es waren dann doch 22 Sätze plus den einen Satz. Je nun, manche Schriftsteller packen so viele Worte wirklich in einen Satz. Heinrich Heine, Günter Grass, Peter Handke. Bei ihnen wäre man manchmal froh, sie wären zwischendrin mal einen Punkt los geworden.
Donnerstag, 9. Juli, im elektronischen Briefkasten: Das Pfarrblatt der Seelsorgeeinheit St. Radolt ist angekommen und präsentiert eine ganze Reihe von Gottesdiensten am Hausherrensonntag (19. Juli). Denn einmal ins Hochamt reingehen und gut ist, das gelingt 2020 nicht. Die Plätze im Radolfzeller Münster sind wegen der Corona-Abstandsregel auf knapp 100 begrenzt, deshalb sind für die Eucharistiefeiern am Hausherrenfest Anmeldungen im Pfarrbüro notwendig. Wer die Prozession vermisst, der bekommt als Anregung das Gemälde „Die Drei Hausherren“ von Wolfram Janzer gezeigt. Als er das Bild 1964 gemalt hat, war Wolfram Janzer 19 und hat Orgel gespielt. Wenn er nicht gerade für den Vogelschutz, den Stadtjugendring oder den deutsch-französischen Freundeskreis unterwegs war. Heute ist Janzer Architekturfotograf in Stuttgart. Und immer interessiert an Radolfzell. Bei diesem Thema will er keinen Abstand.
Zur Kolumne: Das Corona-Tagebuch der Redaktion Radolfzell begreift sich als hoffentlich vorübergehende Erscheinung.