Wieder einmal sorgt der Bebauungsplan Mirabellenwiese für Ärger. Denn mehrere Bürger kritisieren vermeintliche Abweichungen in dem Bebauungsplan gegenüber der Landesbauordnung (LBO). Sie fürchten, diese könnten in der Zukunft zu einem Scheitern des Projekts führen und gravierende finanzielle Folgen für die Stadt haben.

Ein weiterer Bürger kritisiert zudem, die Pläne seien inzwischen deutlich gegenüber dem ursprünglichen Siegerentwurf des Architektenentwurfs verändert worden und nicht mehr korrekt. Und zwar, ohne dass dies ausreichend im Ausschuss oder Gemeinderat diskutiert worden wäre.

Die Stadtverwaltung weist die Vorwürfe entschieden zurück. Der aktuelle Plan befinde sich sehr wohl noch im Rahmen der Landesbauordnung und Abweichungen zum Siegerentwurf seien normal. „Das Ergebnis eines Wettbewerbs ist selten der letzte Stand, da die Vorgaben zum Wettbewerb nicht in die Tiefe gehen können“, erklärt Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats für Mobilität und nachhaltige Stadtentwicklung. Während der Offenlage der Pläne seien viele Anmerkungen eingegangen, man habe viele Kompromisse zwischen LBO, Investor und Anwohner schließen müssen. Aus diesem Grund hätten sich die Pläne in dem Jahr der Planung auch etwas verändert.

Zur Vorgeschichte der Planung

In einem Architektenwettbewerb hatte sich im November 2023 ein Siegerentwurf des Büros ‚bächlemeidarchitektenstadtplanerbda‚ aus Konstanz durchgesetzt. Dieser sah drei kompakte, quadratische Baukörper vor, die versetzt zueinander im Westen der Mirabellenwiese angeordnet sind. Inklusive Erdgeschoss und einem zurückgesetzten Dachgeschoss war das südliche Gebäude vier-, die anderen beiden fünfstöckig geplant. Die oberste Etage sollte jeweils zurückgesetzt sein, damit die Gebäude niedriger wirken.

Bild 1: Der Bebauungsplan Mirabellenwiese sorgt weiterhin für Ärger in Radolfzell.
Bild: Steller, Kerstan

Im Anschluss daran hatten mehrere Anwohner die Pläne kritisiert. Sie störten sich an der Art der Bebauung und deren Ausmaße. Es gab feine Korrekturen an den Plänen, die in den Sitzungen des Planungsausschusses im April und September 2024 präsentiert wurden, ehe der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt wurde. Im Gemeinderat kritisierten nun Bürger abermals den Vorschlag – und das Vorgehen der Stadtverwaltung.

Nachbarn äußern vielfältige Kritik

So kritisieren Thomas Gruschkus sowie Werner und Gerlinde Rosswog „gravierende Abweichungen von der Landesbauordnung“ und die Baunutzungsverordnung, um den Neubau auf dem Grundstück überhaupt unterbringen zu können. Erstens soll die Grundflächenzahl (GFZ), die laut Baunutzungsverordnung bei 0,8 liegt, überschritten werden. Zweitens solle auf die Vorgabe von maximal drei Vollgeschossen ersatzlos verzichtet werden.

„Das Ergebnis eines Wettbewerbs ist selten der letzte Stand, da die Vorgaben zum Wettbewerb nicht in die Tiefe gehen können.“Angelique ...
„Das Ergebnis eines Wettbewerbs ist selten der letzte Stand, da die Vorgaben zum Wettbewerb nicht in die Tiefe gehen können.“Angelique Augenstein ist Leiterin des Dezernats für nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität. | Bild: Marinovic, Laura

Drittens überschreite der aktuelle Bebauungsplan die Baugrenzen des ursprünglichen Entwurfs aus dem Architektenwettbewerb im vergangenen Jahr. Viertens sollen auch die durch die LBO festgelegten Abstandsflächen unterschritten werden. Zudem sei es „skandalös“, dass die Stadt sich bei der Planung mit drei Vollgeschossen an der Höhe des Krankenhauses und nicht an der umliegenden Wohnbebauung orientiere.

Bebauungsplan könnte angreifbar sein, so die Sorge

Aufgrund der Abweichung von der LBO fürchten die drei, dass das Vorhaben in späteren Instanzen scheitern könnte – mit finanziellen Folgen für die Stadt und Spitalfonds. Sie fragen sich, ob daraus resultierende Ausgaben für zusätzliche Planungskosten, die Rückabwicklung von Verträgen sowie Schadensersatzansprüche sogar eine Insolvenzgefahr für die Spitalstiftung darstellen könnten.

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Im Baudezernat der Stadt kann man diese Vorhaltungen nicht ganz nachvollziehen. „Wir haben den Plan oft genug bearbeitet und viele Runden gedreht. Wir sind davon überzeugt“, so Augenstein. Nathalie Uhl vom Fachbereich Stadtplanung erklärt weiter: „Die Landesbauordnung und das Baugesetzbuch geben einen Spielraum vor, in dem sich diese Planung noch immer befindet.“ Da es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handle, gelten andere Richtlinien der LBO. Dies beziehe sich auf Abstände, Balkongrößen und auch auf die GFZ. Diese sei mit 0,8 zwar hoch, doch könne man so mehr Grünfläche erhalten.

Neue Mirabellenbäume sollen gepflanzt werden

Und diese Fläche solle auch wieder mit Obstbäumen bepflanzt werden. Aus diesem Grund habe man dem Investor auch aufgetragen, eine Erdschicht von 60 Zentimetern über der Tiefgarage aufzutragen, dass Bäume Wurzeln schlagen können, erklärt Michael Duffner von der Stadtplanung. Und zur Gebäudehöhe: Die aktuellen Geschosse seien bereits Teil der Ausschreibung gewesen. Daran habe man nichts verändert, so Augenstein.

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Etwas mehr ins Detail geht einer der betroffenen Nachbarn, Anton Werner. Im Juli habe er eine Architektenanfrage erhalten, mit der Bitte um Verzichtserklärung. Grund dafür: Die Balkone seien 62 Zentimeter größer gemacht worden, dies sei als „geringfügige Änderung“ verkauft worden. Mit der Verzichtserklärung habe die Stadt eine erneute Offenlage umgehen wollen. Damit sei er nicht einverstanden gewesen und habe seine Zustimmung verweigert. Aus seiner Sicht seien die Balkone weiterhin zu groß und würden den eigentlich vom PUT bestimmten Rahmen von maximal zwei Metern übersteigen.

Jede Offenlage kostet wieder drei Monate Zeit

Daniel Binder, Architekt und Teil des Investoren-Teams, erklärt diesen Vorgang so: Mit der Vergrößerung der Balkone wolle man einen gestalterischen Fehler in dem Wettbewerbsentwurf ausgleichen. Die Rundbögen der Balkone seien dort nicht vollständig ausgeführt worden, sondern nur zum Teil. Um die Rundbögen vollständig bauen zu können, habe es diese Planänderung gebraucht, so Binder.

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Da jede Offenlage die Investoren drei Monate Zeit kostet, sei der Gedanke gewesen, durch individuelle Zustimmung der Anwohner für diese aus der Sicht des Architekten kleine Planänderung Zeit zu gewinnen. Da sich jetzt aber noch mehr Änderungen angehäuft hatten, gehen die Pläne nun erneut in die Offenlage. Die neuen Pläne werden am Mittwoch, 4. Dezember, ab 16.30 Uhr im Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik vorgestellt und beschlossen. Die neue Offenlage beginnt dann ab Mitte Dezember.

Teile der alten Friedhofsmauer müssen weichen

Anton Werner stört sich aber unter anderem auch daran, dass ein Teil der alten Friedhofsmauer für eine Terrasse weichen muss. Teile der Mauer seien erst vor Kurzem mit Kosten von mehr als 100.000 Euro erhalten worden. Zudem werde befürchtet, dass Knochen beerdigter Menschen bei den Arbeiten freigelegt werden. „Die Friedhofsmauer steht nicht unter Denkmalschutz“, erklärt Stadtplaner Duffner. Deswegen habe man mit dem Investor den Kompromiss geschlossen, einen Teil entfernen und den Rest zu sanieren.

Dass man Knochen finden könnte, habe man bereits mit Historiker Christof Stadler besprochen, der es für unwahrscheinlich hält. „Falls doch, haben wir bereits einen Plan, wie man pietätvoll damit umgehen wird“, versichert Architekt Binder. Die Gebeide würden auf jeden Fall wieder beigesetzt.