Schmotziger Dunschtig 2022, 11 Uhr vor dem SÜDKURIER. Ein Bekannter stoppt auf seinem Fahrrad und fragt: „Gehst Du auf den Marktplatz?“ Und er gibt sich die Antwort gleich selber: „Klar, Ihr müsst ja.“ Die lokale Berichtspflicht ist trotz des Kriegseintritts in der Ukraine nicht ausgesetzt. Aber er habe für sich an diesem Morgen beschlossen: „Ich gehe nicht auf die Fasnacht.“ Das Häs bleibt im Schrank, Fasnacht machen, das habe sich nach den Nachrichten aus Moskau und Kiew falsch angefühlt.

Es gibt keine Anleitung

Es ist nicht einfach in diesen Tagen, den richtigen Ton zu finden. Der Krieg in der Ukraine, dieses unfassbare menschenrechtsverletzende Kalkül der Macht, mit der Vladimir Putin seine Aggression gegen einen souveränen Staat vorantreibt, beschäftigt und bedroht. Wie darauf reagieren? Persönlich, privat, beruflich? Gibt es eine Anleitung zum Verhalten bei einem Krieg in Europa und eine gesellschaftliche Übereinkunft, was geht und was nicht?

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Gibt es nicht. Kann es nicht geben. Wir leben in einer Demokratie und haben nicht den Auftrag, auf einen Despoten zu hören, sondern sich gegen Gewaltherrscher zu erwehren. Wir sind frei, auch frei uns zu entfalten. Zur Zeit innerhalb der Regeln, die die Pandemie vorschreibt. Damit wir andere nicht gefährden. Immerhin, eine bescheidene Fasnacht ist möglich.

Aber ist es auch angebracht, sie zu feiern, sie abzubilden, also ihre Inhalte zu transportieren? Hier die Nachricht von Leben und Feiern, dort die Nachrichten von Tod und Krieg? Beides geschieht und ist immer gleichzeitig geschehen. 1991 mussten die Narren nach dem Ausbruch des Golfkriegs ihre Fasnacht auf gesellschaftlichen Druck hin absagen. Seither fiel die Fasnacht aber nur wegen der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr auf der Straße aus.

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Fasnetsunntig 2022, kurz nach 11 Uhr im Münster. Das Vorbereitungsteam Familiengottesdienst von Sankt Radolt hat mit den Münstermücken eine „Wortgottesfeier für Familien und Narren“ vorbereitet. Die Narrizella füllt mit ihren Abordnungen die Bänke, der Schlegelebeck nimmt mit seinen Höllteufeln Aufstellung hinter dem Altar. Zu den Liedern wird gekleppert, die Kinder tanzen vor dem Altar, die Figuren werden vorgestellt und der Schülerbue der Garde stimmt den Klepperlevers an: „In de Höllstroß Nummere sechs, do wohnt de Schlegele Beck.“

Nicht alle sind verkleidet

Fasnacht wie gewöhnlich? Nein. Andrea Gnann vom Vorbereitungsteam weist am Ende der Feier darauf hin, dass in dieser bedrückenden Zeit jeder auf seine Weise auf diesen Krieg reagiert. Sie habe sich trotz des Fasnachtgottesdienstes nicht verkleidet: „Das wollte ich nicht.“ Das Stück „Normalität“ im Gottesdienst habe sie positiv empfunden. Und doch fehle etwas, wenn man diesen Krieg nicht erwähne. Gnann sprach für alle ein Friedensgebet.

Fasnetsunntig 2022, nach 12 Uhr in der Schützenstraße. Ein Narrenrat eilt zum Narrenspiel vor dem Zunfthaus. Auf der rechten Wange hat er sich das Wappen der Ukraine geschminkt, auf der linken Wange ein Peace-Zeichen. Ein Bild, das stimmt in diesen Tagen.