Ich geb‘s zu. Ich bin dieses Jahr voll auf einen April-Scherz hereingefallen. Die Narrengarde der Narrizella Ratoldi hatte am 1. April auf Instagram verkündet, nun auch Frauen in den eigenen Reihen zuzulassen. Ich war sofort begeistert. Nicht lange ist es her, dass ich auf der Fasnacht war und über genau diese Thematik nachgedacht habe.

Man kann es nicht anders sagen. Doch die Fasnacht, wie sie von der Narrizella gefeiert wird, ist männerdominiert. Frauen dürfen sich lediglich als Hansele und Klepperle Narro verkleiden oder Mitglied im Fanfarenzug werden. Kein Wunder also, dass vor allem bei den Hansele und im Fanfarenzug eine Menge Frauen sind. Dass dies bei den Klepperle Narro anders ist, hängt wohl damit zusammen, dass das Kostüm zu schwer ist – vor allem für Kinder, aber auch für manche Frau.

Hansele aus Mangel an Alternativen

Ich liebe die Fasnacht, bin selbst Mitglied bei den Narrizella Ratoldi, ein Hansele Häs hängt in meinem Schrank. Für die kommende Fasnacht habe ich meine Tochter, bald drei Jahre alt, angemeldet. Sie hat sich nicht allein aus Sympathie für die Hansele entschieden, sondern auch aus Mangel an Alternativen.

Unter einem Hansele-Häs wie diesen können auch Frauen stecken, doch andere Gruppen bleiben ihnen bei den Narrizella Ratoldi verwehrt.
Unter einem Hansele-Häs wie diesen können auch Frauen stecken, doch andere Gruppen bleiben ihnen bei den Narrizella Ratoldi verwehrt. | Bild: Jarausch, Gerald

Das ist nicht mehr zeitgemäß! Ich fühle mich als Frau benachteiligt und ungerecht behandelt, dass mir meines Geschlechtes wegen das Mitmachen bei der Garde, aber auch bei der Narrenmusik oder den Holzhauern, verwehrt bleibt. Und ich finde wirklich keine gute Begründung, um das auch meiner Tochter zu erklären. Denn es gibt keine solche gute Begründung!

Bei der Wehrpflicht geht es doch auch

Im Grundgesetz steht seit 75 Jahren im Artikel 3, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Die Narrizella Ratoldi entspricht diesem Grundrecht nicht. In der aktuellen politischen Debatte, in der wieder über eine Einführung der Wehrpflicht diskutiert wird, wird gefordert, dass dann sowohl Männer als auch Frauen diese Wehrpflicht zu leisten hätten – im Sinne der Gleichbehandlung. Und dabei geht es um den tatsächlichen Dienst an der Waffe, um Leben und Tod.

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Bei der Fasnacht geht es glücklicherweise nur um Spaß. Und ja, die Fasnacht ist eine Zeit, in der Humor an erster Stelle steht und man auch mal ein Auge zudrückt. Doch ich kann über diesen Scherz, dass nun auch Frauen bei der Garde zugelassen sind, nicht lachen. Nicht mal schmunzeln. Ich finde es völlig geschmacklos, sich über die Radolfzellerinnen, die gerne Teil der Garde wären, lustig zu machen. Dass die Auflösung des Scherzes auch noch mit einem Lied von Mia Julia unterlegt ist, in dem die Sängerin von einer „Schnapsidee“ singt, macht das Ganze nicht besser.

Es ist Zeit, die „eingestaubten Statuten“, wie es die Narrengarde selbst nennt, zu ändern. Es ist Zeit, die veralteten Traditionen zu beenden und im 21. Jahrhundert anzukommen. Denn die Gleichstellung der Geschlechter ist kein „nice to have“, sondern das fordert das Grundgesetz und auch die Moral. Und es ist Zeit, sich zukünftig April-Scherze auszudenken, die keine gesellschaftliche Gruppe verletzt.