„Frei leben – ohne Gewalt“. Seit Anfang der Woche hängen Fahnen mit dieser Aufschrift an sechs verschiedenen Stellen in der Stadt. Sie sind Teil der Aktionen, die die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes seit 20 Jahren rund um den 25. November, dem Tag „Nein zur Gewalt an Frauen“ durchführt.
Plakate in den Stadtbussen machen auf Notrufnummern aufmerksam und ermuntern betroffene Frauen, Hilfsorganisationen zu kontaktieren. Den Höhepunkt der diesjährigen Aktionen bildet die szenische Lesung „Schlag und Lichter“, die in der Zeller Kultur am am 25. November um 20 Uhr aufgeführt wird.
Für viele keine Selbstverständlichkeit
Ein Leben ohne Bedrohung durch ihren Partner, Familienangehörige oder Kollegen am Arbeitsplatz ist für viele Frauen keine Selbstverständlichkeit. Laut EU-Kommission erfährt jede dritte Frau in Europa mindestens einmal im Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt. Weltweit werden 8500 Flaggen gehisst. Damit soll auf die vielen Formen der Gewalt bis hin zur Zwangsverheiratung, Frauenhandel und Genitalverstümmelung aufmerksam gemacht und ein Zeichen dieses Unrecht gesetzt werden.
Lösungswege aufzeigen
„Uns ist es wichtig, Lösungswege aufzuzeigen und Frauen Mut zu machen, Schutz und Unterstützung zu suchen“, erläutert Eva Wernert, die die Aktionen für Terre des Femmes in Kooperation mit dem Frauen- und Kinderschutzhaus in Radolfzell organisiert. Jedes Jahr ergänzt sie das feste Rahmenprogramm um eine besondere Veranstaltung, die das Thema Gewalt gegen Frauen aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet.
In diesem Jahr spüren die Schauspielerinnen Anny da Silva und Susanne Breyer in der szenischen Lesung „Schlag und Lichter!“ den Fragen nach, wie sich Gewalt in einer Familie entwickeln kann, wie der Weg vom häuslichen Terror bis zum Frauenschutzhaus verläuft und was junge Mädchen heute erleben.
Entstanden sei die Idee zu dieser Mischung aus Lesung und Schauspiel in Verbindung mit dem Theaterstück „Jugendarrestanstalt“, das in der Zeller Kultur von der Jugend-Theatergruppe unter der Regie von Anny da Silva aufgeführt wurde.
Ursprung war ein Theaterprojekt mit Jugendlichen
„Wir wollten das Stück verwandeln und den Blick der Jugendlichen auf ihre misshandelten Mütter darstellen“, erzählt da Silva. Doch nach dem langen Lockdown Anfang des Jahres hätte die Zeit nicht ausgereicht, um das Projekt mit den Jugendlichen einzuüben.
Mit Susanne Breyer, die als Regisseurin in Singen tätig ist, hat sie nun ein Stück für zwei Frauen entwickelt. Sachtexte, Erfahrungsberichte, Interviews und selbst verfasste Texte sind in eine Geschichte eingebettet. „Die Texte, die wir ausgesucht haben, sind beschreibend, nicht anklagend“, erklärt Breyer.
Außerdem haben die beiden Frauen die Rolle einer forschen, vorwitzigen Putzfrau eingebaut, um das Stück nicht zu schwer und belastend darzustellen. Auch wollen sie Schwarz-Weiß-Darstellungen vermeiden. Zwar seien Männer die Täter, doch sollten nicht alle über einen Kamm geschoren werden.
Fragen aufwerfen
Die Intention des Stücks sei eher, Fragen aufzuwerfen, als für alles eine Lösung zu präsentieren. So würde in einer Geschichte die Frage gestellt: „Wo hätte die Frau aussteigen können?“ Der Kern für Entwicklung von Gewalt liege oft in schwierigen Familienverhältnissen begründet, auch das klinge in dem Stück an, erzählen da Silva und Breyer. Auch das Bild von Männlichkeit, das in der Familie oder in Medien weitergegeben wird, spiele eine Rolle, findet Eva Wernert.
Allerdings beobachte sie auch positive Entwicklungen. Viele junge Väter kümmerten sich heute sehr nett um ihre kleinen Kinder. Einen Wunsch hat Breyer: „Wir freuen uns, wenn viele Männer ins Theater kommen.“