Ohne aufmerksame Zeugen wäre dieser Fall nie vor dem Radolfzeller Amtsgericht gelandet. Denn was an diesem Augusttag im Jahr 2022 auf dem Parkplatz eines Strandbades im Kreis Konstanz passierte, ist in vielen Familien Alltag und erreicht nie die Öffentlichkeit. Doch hier brachte ein Zeuge den Sachverhalt zur Anzeige und eine andere Zeugin bestätigte alles. Ein 31 Jahre alter Mann ist daher zu einer Haftstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er seinen elf Jahre alten Stiefsohn geschlagen haben soll.

Angeklagter hat Junge im Schwitzkasten

Die beiden Zeugenaussagen deckten sich unabhängig voneinander. Der 58 Jahre alte Zeuge wollte mittags das Bad verlassen und ging in Richtung Parkplatz zu seinem Fahrzeug. Dort soll er erst laute Stimmen und Schreie gehört und dann den Angeklagten und dessen Stiefsohn gesehen haben. Der 31-Jährige soll laut Zeugenaussage den Jungen im Schwitzkasten gepackt haben und ihn ins Gesicht geschlagen haben. Der Junge soll dann irgendwann Nasenbluten bekommen haben.

Erst nach mehrmaligem Auffordern soll der Angeklagte den Jungen losgelassen haben. Das Kind habe völlig eingeschüchtert gewirkt, so die Aussage des 58-jährigen Zeugen. Auch habe der 31-Jährige gesagt: „Ich kann mit meinem Kind machen, was ich will.“

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Die zweite Zeugin, eine 30 Jahre alte zweifache Mutter, die in dem Bad mit einer Freundin verabredet gewesen war, bestätigte diese Aussage. Sie hatte den Angeklagten und den Jungen als erstes entdeckt und dachte erst, der Mann würde das Kind im Arm halten und es trösten, wie sie vor Gericht aussagte. Doch dann sah sie, dass er den Jungen im Schwitzkasten festhielt und ihm ins Gesicht schlug. Der Junge soll auch gerufen haben: „Bitte nicht, sonst blutet meine Nase schon wieder.“

Auch Freunde des Opfers sagen aus

In den Zeugenstand gerufen wurden auch mehrere Freunde des Opfers. Diese berichteten von einem angespannten Verhältnis zwischen dem 31-Jährigen und dessen Stiefsohn. Der Elfjährige solle vor dem Vorfall den Partner seiner Mutter gefragt haben, ob er mit den anderen Kindern später am Nachmittag in ein anderes Schwimmbad fahren dürfe.

Daraufhin soll der Angeklagte wütend geworden sein und dem Jungen den Ausflug mit den Freunden verboten haben. Anschließend solle er den Jungen zur Seite genommen und mit ihm Richtung Parkplatz gegangen sein. Als der Junge wieder kam, habe seine Nase geblutet und er habe geweint, berichten die Freunde. Er habe auch erzählt, sein Stiefvater habe ihm „eine gezogen“.

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Der Geschädigte selbst machte vor Gericht keine Aussage. Dies habe man ihm ersparen wollen, wie Richterin Ulrike Steiner sagte. Doch verlas man die Aussage, die er bei der Polizei getätigt hatte. Dort nahm er seinen Stiefvater in Schutz: Dieser habe ihn nicht geschlagen, sondern lediglich getröstet. Er bekäme öfter Nasenbluten, sei deswegen auch in medizinischer Behandlung, und sei immer sehr aufgebracht, wenn dies passiere. So auch an diesem Tag und der 31-Jährige habe ihn deswegen nur in den Arm genommen.

Verteidiger fordert eine milde Bestrafung

Der Angeklagte selbst äußerte sich nicht zu den Vorfällen. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Björn Bilidt aus Radolfzell, plädierte für eine milde Strafe, räumte aber die Tat seines Mandanten voll ein. Das Vorstrafenregister des 31-Jährigen ist lang, aber Körperverletzung war noch nicht vorgefallen. In den vergangenen Jahren hatte er sich mehrfach wegen Erschleichens von Leistungen vor Gericht verantworten müssen. Auch Drogendelikte waren unter den Vorstrafen.

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Einen kleinen Einblick in das Familienleben bekamen die Prozessbeteiligten auch: Der 31-Jährige, der seit mehreren Jahren mit der Mutter des Geschädigten in einer Beziehung ist, ist vor Kurzem aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Die Beziehung sei aber noch intakt. Auch habe der Junge für eine Zeit bei den Großeltern leben müssen.

Für Richterin Steiner war die Tat aufgrund der glaubhaften Zeugen praktisch erwiesen. Die seelischen Leiden des Jungen dürften nicht unterschätzt werden, auch wenn die körperlichen Schäden gering seien. Die Haftstrafe ist auf Bewährung aufgesetzt und diese ist auf drei Jahre terminiert. Außerdem muss der Angeklagte ein 2000 Euro an das Pestalozzi-Kinderdorf spenden.