Inflation, Energiekrise, Lieferschwierigkeiten durch den Ukraine-Krieg: Es sind verschiedene Dinge, die die Preise in den unterschiedlichsten Bereichen nach oben getrieben haben. Das hat Folgen – auch bei der Narrizella Ratoldi. Der Narrenverein traf sich vor Kurzem im kleinen Saal des Milchwerks zu seiner Hauptversammlung, um dort unter anderem über eine neue Beitragsordnung zu sprechen. Das Ergebnis: Bei nur vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen sprachen sich 117 Mitglieder für eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge um 100 Prozent aus.
Ab dem kommenden Jahr zahlen die Mitglieder ab 25 Jahre einen Beitrag in Höhe von 50 Euro jährlich, Mitglieder zwischen 16 und 24 Jahre einen Beitrag in Höhe von 30 Euro sowie Mitglieder bis 15 Jahre einen Jahresbeitrag von 15 Euro. In einer mit Spannung erwarteten Rede erläuterte der Präsident der Narrizella Ratoldi, Martin Schäuble, die Erhöhung der Beiträge vor der Abstimmung. Für die vom Vorstand, Elferrat und aus den Gesprächen mit den Abteilungen erarbeitete Strategie für eine gesunde Aufstellung des Vereins erhielt Martin Schäuble nicht nur eine breite Zustimmung von über 95 Prozent, sondern auch Applaus der anwesenden Mitgliedern.
Keine Krise – aber die Preise steigen
Der Narrenverein befindet sich in keiner finanziellen Krise. Seine Bilanz ist bis auf einen kleinen Fehlbetrag aus der vergangenen Saison ausgeglichen. Aber der Verein möchte sich bereits auf die Tendenzen aus den allgemeinen Preissteigerungen vorbereiten. „Im Jahr benötigt der Verein 55.000 Euro um zu existieren“, sagte Schäuble. Darin seien vor allem die Kosten für die Zinsen und für die Versicherungen, die Energie sowie die Mietkosten und Pacht enthalten.
Seit der Pandemie seien die Kosten durch die Inflation, die Energiekrise und durch die Zinssteigerungen vom Darlehen der Narrizella gestiegen. Auch hätten sich die Kosten für die Versicherungen stark erhöht. Als sichere Einnahmequellen für den Narrenverein gelten einerseits die Beiträge durch die Mitglieder – bisher in einer Höhe von 22.000 Euro – andererseits die Einnahmen aus der Vermietung des Zunfthauses in Höhe von 10.000 Euro durch den Förderverein der Narrizella. Als unkalkulierbar sieht Martin Schäuble hingegen die Einnahmen aus den Spenden, aus dem Sponsoring sowie aus den Veranstaltungen der Zunft an. Bisher konnte der Verein mit sicheren Einnahmen in einer Höhe von 32.000 Euro kalkulieren, sagte Schäuble. Dem stünden nun aber Mindestausgaben in einer Höhe von 55.000 Euro entgegen.
Sorgenkind Narrenspiegel
Für seinen Kulturbetrieb im vergangenen Jahr gab die Narrizella Ratoldi rund 282.000 Euro aus. Die letzte Bilanz schloss fast mit einer Punktlandung mit einem Minus in Höhe von 340 Euro ab. Aktuell werden die Ausgaben durch die Einnahmen aus den Bewirtungen, den Eintritten aus dem Narrenspiegel und den Veranstaltungen wie aus dem Catering querfinanziert. Ab 2023 hätten sich aber bereits Preissteigerungen abgezeichnet. Das Sorgenkind der Narrizella sei der Narrenspiegel im Milchwerk. Allein die Mietkosten stiegen seit 2023 um mehr als 50 Prozent.
Ohne das Catering durch den Narrenverein wären die Auftritte im Milchwerk ein Minusgeschäft, sagte Schäuble. Derzeit habe man noch Glück, da der Pächter dem Verein das Catering für die Veranstaltungen überlässt. Doch falls der Pächter wechseln würde oder er sein Vorzugsrecht für das Catering einfordern würde, dann käme es zu großen Veränderungen für den bisher gewohnten Narrenspiegel. Dies würde auch die Bälle der Narrizella betreffen, befürchtet Schäuble. Früher oder später könnte sich der Verein zu Mehrausgaben von bis zu 6000 Euro konfrontiert sehen,.
Wie kann reagiert werden?
Den Kostensteigerungen setzt der Verein bereits Strategien entgegen: Die Mietdauer für Veranstaltungen im Milchwerk soll sich minimieren, die Dauermiete für die Unterbringung der Kutsche soll umstrukturiert werden. Der Verein könnte höhere Förderungsmittel als ganzjährig kulturbetreibender Verein generieren, sagte Schäuble.
Doch allein die Straßenfasnacht kostet den Verein rund 20.000 Euro. Und darin seien noch keine Veranstaltungen in einem Saal enthalten. Diese Kosten seien zu einem Drittel durch das närrische Dorf auf dem Marktplatz querfinanziert. Auch die Ausgaben für den Hemdglonker konnten von 12.000 Euro auf 4000 Euro reduziert werden indem seit dem vergangenen Jahr die Gesamtausgaben in gleicher Höhe auf den Narrenverein, den Turnverein Radolfzell und die Stadt verteilt wurden.
Keine Angebote reduzieren
Der Vorstand habe sich selbst ein Ziel gegeben, sagte Schäuble: Der Verein möchte bereits jetzt auf kommende Tendenzen reagieren und sich rechtzeitig auf weiterhin gesunde Füße stellen. Die Lage sei nicht beängstigend, sagte Martin Schäuble. Aber es sei der Zeitpunkt gekommen, dass man agiere um später nicht reagieren zu müssen.
In Anbetracht einer ausgeglichenen Bilanz zieht Schäuble folgenden Schluss: „Wie können und sollen wir etwas bei Seite legen? Wie sollen wir etwas tilgen und sondertilgen, anschaffen und bauen wenn wir jährlich auf eine Nullnummer herauskommen?“ Der Verein wolle schließlich auch seinen Besitz mit dem Narrenschopf und dem Zunfthaus in Ordnung halten sowie sich selbst weiterentwickeln.
Schäuble riet jedoch davon ab, die Vereinsangebote zu reduzieren. Man könne zwar sparen und bewusst die Kosten im Auge behalten, aber man solle den Verein nicht zu Tode sparen, indem man die Veranstaltungen abschafft. Um den Narrenverein weiterentwickeln zu können, brauche er eine finanzielle Masse, sagte Schäuble unter Applaus der Mitglieder. Er machte jedoch deutlich, dass die Beiträge nur ein Baustein für die Vereinsentwicklung sei. Weitere Bausteine seien das Engagement seiner Mitglieder, das Sponsoring sowie seine attraktiven Veranstaltungen. Mit der Erhöhung der Mitgliedsbeiträge und den Zuschüssen vom Förderverein sei man so aus dem Gröbsten heraus, sagte der Präsident: Damit könne man in Ruhe seine Arbeit fortsetzen, etwas aufbauen und den Verbindlichkeiten schneller und besser begegnen und sich derer entledigen.