Drohungen, Beschimpfungen, Schläge – häusliche Gewalt kann viele Formen haben. Und von ihr betroffen sind viele Menschen. Laut Bundeskriminalamt wurden 256.276 Menschen in Deutschland im Jahr 2023 Opfer häuslicher Gewalt – das sind 6,5 Prozent mehr als noch 2022. Auch in den Vorjahren war die Tendenz steigend. 2019 wurden noch 214.481 Opfer verzeichnet. In den meisten Fällen (65,6 Prozent) war 2023 der eigene Partner der Täter. Und in den meisten Fällen (70,5 Prozent) waren Frauen das Opfer.
Frauen, die der Bedrohung im eigenen Zuhause entkommen wollen, können in Frauenhäusern Zuflucht finden. Rund 400 davon gibt es in Deutschland, eines davon ist in Radolfzell. Anlässlich des Weltfrauentags am Samstag, 8. März, berichten die Verantwortlichen von der dortigen Lage. Denn es gibt noch viel zu tun: „Die Männer schrecken vor immer weniger zurück“, berichtet eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. Und das aus gutem Grund: Gewalttätige Männer sollen nicht versuchen, über sie an ihre untergetauchten Frauen zu gelangen.
Aus Sicherheitsgründen wird auch nicht verraten, wo sich das Frauenhaus befindet. Betroffene können sich aber telefonisch melden oder an die Polizei wenden.
Weniger Bewohnerinnen während Corona
Während der Corona-Pandemie kam es in der Einrichtung zu einer geradezu paradoxen Situation: Obwohl der Weiße Ring eine Zunahme bei den Gewalttaten verzeichnete, lag die Belegung im Radolfzeller Frauenhaus im Jahr 2020 nur bei 60 Prozent. Auch 2021 kam die Einrichtung selten an ihre Kapazitätsgrenzen, wie die Verantwortlichen damals berichteten.
Die mutmaßlichen Gründe: Gerade im Lockdown hätten Frauen wahrscheinlich keine Möglichkeit gehabt, sich Hilfe zu suchen. Außerdem könnte die Verunsicherung durch die Pandemie so groß gewesen sein, dass die Betroffenen nicht die Kraft dafür fanden, einen Ausweg aus der Gewaltsituation zu suchen.
Die Nachfrage nimmt wieder zu
Seitdem ist die Situation allerdings mindestens genauso schwierig wie früher. „Wir waren zuletzt wirklich sehr, sehr voll belegt“, schildert die Mitarbeiterin. Im Dezember sei das Frauenhaus sogar um mehr als 160 Prozent überbelegt gewesen – mit vier Frauen und ihren Kindern.
Denn in Radolfzell habe man sich auf die Unterbringung großer Familien spezialisiert. Hinzu komme, dass ständig neue Anfragen kommen. Zwei Anfragen seien es im Schnitt pro Woche. Und während es in der Corona-Pandemie keine Notaufnahmen gefährdeter Frauen gegeben habe, seien 2024 vier Fälle verzeichnet worden. Gemeint sind Situationen, in denen gefährdete Frauen dringend am Wochenende oder in der Nacht in ein Frauenhaus gebracht werden müssen, um sie in Sicherheit zu bringen.
Männer werden immer gewaltbereiter
Zudem habe sich die Gefährdungslage bei vielen Frauen verschärft, berichten die Verantwortlichen. Die Gewaltbereitschaft nehme zu, zudem seien viele Männer hartnäckig den von ihnen gefährdeten Frauen auf der Spur. Dabei mache es auch die moderne Technik schwer, Betroffene zu schützen. Über Apps werden zum Teil etwa GPS-Daten gesammelt. Auch sei bei manchen Fotos, die über E-Mail verschickt werden, ist der Aufnahmeort gespeichert. Aufgrund von Daten wie diesen können Frauen von ihren gewalttätigen Männern aufgespürt werden.
„Es wird immer undurchschaubarer“, schildert die Mitarbeiterin des Radolfzeller Frauenhauses. Auch auf anderen Wegen, etwa über die Post, sei es manchen Männern schon gelungen, ihre Frauen aufzuspüren, berichtet Anke Brednich von der Diakonie in Radolfzell.
Um die Frauen so gut wie möglich zu schützen, rate man ihnen, sich ein neues Handy und eine neue SIM-Karte zuzulegen und potenziell problematische Apps nicht mehr zu nutzen. „Oftmals ist es einfach so, dass die Frauen uns nicht glauben“, schildert die Mitarbeiterin des Frauenhauses. Sie würden nicht glauben, dass ihre Männer technikaffin genug sind, um sie aufzuspüren. ‚Aber die Männer finden jemanden, der so fit ist.‘
Immerhin kehren die wenigsten Frauen zurück
Immerhin eine gute Entwicklung gibt es im Frauenhaus Radolfzell: Es gebe kaum noch Frauen, die zu ihren gewalttätigen Männern zurückkehren, nachdem sie bereits im Frauenhaus waren. 2024 habe es nur einen solchen Fall gegeben, 2023 keinen. „Das freut uns“, sagt Anke Brednich. Denn keine Frau soll in Gewalt und Angst leben müssen. Zudem ist Maria Grundler seit Februar neu im Team der Diakonie und zuständig für das Frauen- und Kinderschutzhaus in Radolfzell.