Der Gerberplatz als Schmuddelkind von Radolfzell. So zumindest empfindet es jemand, der dort jeden Tag verbringt: Tina Laakmann betreibt seit zwölf Jahren das Bio-Bistro Safran am Gerberplatz. Während das Konzept ihres Lokals sehr gut angenommen werde, hat sie mit dem Platz vor ihrem Restaurant immer größere Probleme. Denn nicht nur ihren Gästen gefällt es dort, sondern auch verschiedenen Gruppen, die abends draußen feiern und trinken. Laakmann klagt über Müll, Erbrochenes vor der Tür und Lärm, vor allem am Wochenende. Die Stadtverwaltung lasse sie mit diesen Sorgen alleine, behauptet die Gastronomin. Die hingegen beteuert, alles Mögliche bereits getan zu haben.
In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Simon Gröger und Bürgermeisterin Monika Laule schildert Tina Laakmann ihren Alltag am Gerberplatz. „Jugendbanden verwüsten und verdrecken täglich den Platz, es ist laut bis in die Nacht, es kommt zu Schlägereien, Belästigungen, Pöbeleien, Geschrei“, schreibt sie. Dabei mache die Gewalt auch nicht vor ihr oder ihren Mitarbeiterinnen Halt: Sie selbst sei bereits zwei Mal körperlich angegriffen worden und die Mitarbeitenden würden sich unwohl fühlen, wenn sie abends das Lokal verlassen.
Bewegungsmelder bringt keine Verbesserung
Da auch der Außenbereich des Safran bereits mehrmals beschädigt worden sei, habe Laakmann einen Bewegungsmelder angebracht. Doch auch dies brachte keine Verbesserung der Situation. Sie sowie andere Anwohner des Gerberplatztes hätten sich ebenfalls an Polizei und Stadtverwaltung gewandt, doch auch diese habe das Problem nicht verbessern oder lösen können.
Die Stadtreinigung komme einmal in der Woche und würde nur die Mülleimer leeren. Die leeren Flaschen und anderen Müll der Party zuvor vom Podest würden allerdings stehen gelassen.
Hohe Pacht, viel Gewerbesteuer und wenig Unterstützung
„Für diese Zustände zahlen wir 3500 Euro Pacht und zehntausende Euro Gewerbesteuer, reinigen dafür nahezu täglich den Gerberplatz selbst und ich frage: Was tut die Stadt und die Wirtschaftsförderung eigentlich für uns?“, so Laakmann in dem offenen Brief.
Die Radolfzeller Stadtverwaltung teilt auf Nachfrage dieser Zeitung mit, man nehme die Situation sehr ernst, habe aber bereits alles im Einflussbereich der Stadt getan, um die Lage zu verbessern. „Oberbürgermeister Gröger bedauert die Situation vor Ort und die Tatsache, dass Frau Laakmann diese Erfahrungen machen musste“, teilt die Pressestelle der Stadt mit.

Im Mai dieses Jahres sei die Verwaltung auch durch mehrere andere Anwohner auf die Situation am Gerberplatz aufmerksam gemacht worden. Es seien gleich Maßnahmen ergriffen worden. Zum einen habe man die Frequenz der Stadtreinigung erhöht und mit dem Leiter der Radolfzeller Polizei abgestimmt, den Bereich häufiger von einer Polizeistreife kontrollieren zu lassen. Gleichzeitig habe man die Anwohner gebeten, bei akuten Fällen direkt die Polizei zu rufen, damit diese die Personalien der Beteiligten feststellen und gegebenenfalls auch Anzeigen aufnehmen könnte.
Polizei kontrolliert den Platz verstärkt
Nach vier Wochen habe die Stadt dann mit der Polizei eine erste Zwischenbilanz gezogen. Diese habe ergeben, dass die stärkeren Kontrollen in dem Bereich bis zum Beginn der Sommerferien verlängert werden sollten. Gleichzeitig hatte das schlechte Wetter im Frühsommer dafür gesorgt, dass es seltener zu einer extremen Vermüllung des Platzes gekommen sei. Wurde das Wetter besser, seien wieder mehr Jugendliche angetroffen worden.
Aber die Szene der Personen, die sich sonst auf dem Gerberplatz treffe, habe sich in die Schützenstraße verlagert, so eine Beobachtung der Polizei im Sommer. „Die Bestreifung findet immer noch statt, die Polizei stellt aber keine besonderen Auffälligkeiten fest“, erklärt die Stadtverwaltung den aktuellen Stand mit.
Die Pressestelle teilt weiter mit, dass Tina Laakmann und andere Anwohner die Stadt gebeten hätten, Jugendlichen einen Platz zur Verfügung zu stellen, an dem sie sich aufhalten könnten, ohne zu stören. Hier tut sich die Stadt etwas schwer: „Es ist ein öffentlicher Platz, auf dem sich jeder aufhalten darf. Das, was die Stadt tun kann – regelmäßige Reinigung und Abstimmung der Bestreifung mit dem Polizeirevier – hat sie getan.“
Stadt sieht ihre Möglichkeiten begrenzt
Ein Aufenthaltsverbot oder Video-Überwachung könne die Stadt rein rechtlich nicht umsetzen. „Alle Menschen haben das Recht, sich in der Stadt aufzuhalten. Die Zuweisung eines festen Platzes für Jugendliche ist für die Stadt keine Option und funktioniert auch nicht“, stellt die städtische Pressestelle fest. Bei Störungen oder Regel-Verstößen müsste dies der Polizei gemeldet werden, diese könnte die Vergehen ahnden.
Gemeinsam mit Jugendlichen habe die Stadtverwaltung bereits Plätze geschaffen, die auch gerne genutzt würden, wie zum Beispiel die Grillplätze am Rande des Altbohlwaldes und im Herzen, auch der Stadtgarten oder das Seeufer allgemein würden gerne als Treffpunkt genutzt.
Dass die Technischen Betriebe den Platz nicht gründlich reinigen würden, gegen diesen Vorwurf wehrt sich die Stadtverwaltung. Die Stadtreinigung reinige ein Mal die Woche, wie im Reinigungsplan festgelegt, den Platz mit der kleinen Kehrmaschine. Auch der Reinigungshandtrupp prüfe regelmäßig die Situation vor Ort und reinige den Platz bei Bedarf.
Laakmann wirft Stadt Ungleichbehandlung vor
Tina Laakmann sieht hier allerdings mit zweierlei Maß gemessen: „Was mich so besonders empört, ist diese Ungleichbehandlung in dieser Stadt“, schreibt sie in dem offenen Brief. Ihrer Einschätzung nach würde man so einen Zustand wie am Gerberplatz an anderen Orten, wie zum Beispiel dem Marktplatz, nicht zulassen. Dem widerspricht die städtische Pressestelle: „Es werden keine Gastronomen bevorzugt oder benachteiligt. Alle Anliegen müssen und werden immer gleich behandelt, bewertet und anschließend die entsprechenden Schritte eingeleitet.“
Für Tina Lakmann sei allerdings bald eine Grenze erreicht, wie sie abschließend schreibt. „Mittlerweile sind die Zustände auf dem Gerberplatz so geschäftsschädigend für unsere Gastronomie, dass wir einen Wegzug aus der Stadt in Erwägung ziehen.“ Diese Entscheidung möchte die Stadt allerdings abwenden und habe Laakmann zu einem Gespräch mit OB Simon Gröger eingeladen. Gleichzeitig hätten bereits mehrere interne Runden stattgefunden.