Das Bild des Dirigenten habe sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, sagte der Intendant der Bodensee-Philharmonie Hans-Georg Hofmann in seiner Rede vor dem Abschlusskonzert des Meisterkurses im Milchwerk: „Die Götter im Frack gibt es nicht mehr. Heute geht es immer mehr um Dialog mit dem Orchester, um ein gemeinsames Musikmachen, bei dem jeder eingebunden ist.“ Wer könnte das besser vermitteln als der international gefragte Dirigierlehrer Johannes Schlaefli, der die Meisterklasse im Rahmen der Sommerakademie Radolfzell seit 2016 betreut.
Für das Orchester mit dem neuen Namen ist es ein Warmlaufen für die Saison, die morgen im Konstanzer Konzil beginnt. Denn in kurzen Abständen musste es sich auf sechs verschiedene Persönlichkeiten, Temperamente und stilistische Eigenheiten einstellen. Was sie in der Dirigentenschmiede von Johannes Schlaefli gelernt haben und umsetzten können, zeigten die drei Damen und drei Herren in eindrucksvollen Kostproben im Abschlusskonzert.
Rodrigo Sámano Albarrán aus Mexiko eröffnete den Reigen mit der Ouvertüre zu „Oberon“ von Carl Maria von Weber. Die geheimnisvolle Welt der Fabelwesen und Geister und das Werben des Ritters um die schöne Kalifentochter ließ er mit spannungsreichem Dirigat lebendig werden. Leonard Bopp aus den USA oblag das Dirigat der „Ungarischen Bilder“ von Béla Bartók. Gar nicht so einfach, die ebenso stimmungsvolle wie schmissige und leicht schräge Musik, aus Tanzweisen entlehnt, präzise anzuweisen. Das Orchester folgte immer entspannt und mit großer Spielfreude. In Tschaikowskys D-Dur-Violinkonzert op. 35 war Elisabeth Gühring die Solistin. Sie war 2023 Teilnehmerin der Internationalen Sommerakademie Radolfzell. Erst 15 Jahre alt ist das Ausnahmetalent, das den ersten Satz „Allegro moderato“, gespickt mit geigerischen Raffinessen und einer Kadenz, die großes Können erfordert, sicher und ausdrucksvoll spielte. Auch Anna Hartmann aus Norwegen meisterte ihre Leitungsaufgabe mit sicherem Dirigat souverän und in Übereinstimmung mit gestalterischen Vorgaben der Solistin.
Der erste Satz der vierten Sinfonie e-Moll von Johannes Brahms war bei Rira Kim aus Korea in guten Händen. Mit ganzem Körpereinsatz führte sie durch die auftrumpfende und aufwühlende, aber auch sehnsuchtsvolle Musik, fühlte sich sichtbar wohl, das verzwickte Themengefüge exakt anzuweisen.
Aus Tschaikowskys fünfter Sinfonie dirigierte Kaapo Johannes Ijas aus Finnland den zweiten, langsamen Satz. Viel Ruhe strahlte der junge Dirigent aus, forderte feine Dynamik-Wogen, reckte auch schon mal die linke Faust zu donnernden Höhepunkten in die Luft und leitete schnell wieder zur besänftigenden Spielweise über. Dass er die Musik komplett verinnerlicht hatte, merkte man seinem Dirigat an. Nina Haug aus der Schweiz dirigierte schließlich den letzten Programmpunkt. Aus Antonín Dvoráks Sinfonie „Aus der neuen Welt“ hatte sie den vierten Satz „Allegro con fuoco“ als Aufgabe bekommen, der alle Themen der vorangegangen Sätze zitiert. Die vielen Wiederholungen spannungsreich und kontrastreich anzuweisen, war keine leichte Aufgabe, die die junge Schweizerin bestens löste.
Zum Schluss stieg die Spannung beim Publikum und den Nachwuchs-Dirigenten, denn die Werner-und-Erika-Messmer-Stiftung hatte, wie immer, einen mit 1000 Euro dotierten Preis ausgesetzt. Ihn sollte eine Dirigentin oder ein Dirigent erhalten, den die Orchestermitglieder in geheimer Abstimmung gewählt hatten. Hermann Leiz und Cornelia Messmer vom Stiftungsvorstand überreichten ihn an Kaapo Johannes Ijas. Mit sichtbarer Freude durfte er die Zugabe, den mitreißenden „Slawischen Tanz“ Nr. 8 von Antonín Dvorák dirigieren. Der überschwängliche Applaus aber galt dem ganzen Orchester und allen Akademisten für ihren erfolgreichen Auftritt.