Wer in den vergangenen Tagen am Seeufer spazieren war, könnte meinen, eine biblische Plage würde die Stadt heimsuchen. Riesengroße Mückenschwärme surren bedrohlich über den Wiesen. Im Seebad in Radolfzell fuchteln Spaziergänger beispielsweise genervt mit den Armen und versuchen, sich die Insekten aus dem Gesicht zu wedeln. Doch es gibt kein Entkommen. Ist das ein Vorbote auf den Sommer? Wird man einen lauen Sommerabend am See nur noch in Begleitung von tausenden Mücken genießen können?

Tiere sind lästig, aber harmlos

Entwarnung gibt Rainer Bretthauer, ehrenamtlicher Umwelt- und Klimaschutzbeauftragter, Biologe und Mücken-Experte. „Bei diesen Schwärmen handelt es sich um Zuckmücken“, erklärt er bei einem Spaziergang am Seeufer. Diese würden nicht wie ihre entfernte Verwandte, die Bodensee-Stechmücken, das Blut der Passanten begehren. Zuckmücken würden sich in diesem Stadium eigentlich fast gar nicht mehr ernähren. Und wenn, dann bevorzugen sie Nektar oder Honigtau. „Sie sind lästig, aber harmlos“, fasst Bretthauer zusammen.

Biologe Rainer Bretthauer erklärt die große Anzahl an Zuckmücken am Radolfzeller Seeufer.
Biologe Rainer Bretthauer erklärt die große Anzahl an Zuckmücken am Radolfzeller Seeufer. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Welche Zuckmücken-Art das sei, die gerade tausendfach am Seeufer unterwegs sei, das könne der Biologe nicht sagen. Es gebe schließlich rund 700 verschiedene Arten und diese seien in ihrem Brutverhalten und Lebensraum zum Teil recht unterschiedlich. Manche würden ihre Eier auf feuchten Wiesen ablegen, manche auf Steinen, andere im Schilf und wieder andere direkt im seichten Wasser. Wann eine Zuckmücke schlüpft, sei ebenfalls von mehreren Faktoren abhängig: Temperatur und Wetter zum Beispiel.

Larven sind Nahrung für Jungfische

Die geschlüpften Larven seien gerade im Wasser eine wichtige Nahrungsquelle für Jungfische. Hier würden beinah 70 Prozent schon gefressen, bevor sie überhaupt die Chance hätten, sich in eine Puppe und danach in eine ausgewachsene Zuckmücke zu verwandeln. Dass die riesigen Schwärme ein Zeichen für zu wenig Fische seien, das sieht Rainer Bretthauer nicht so. „Dass es phasenweise ein Überangebot gibt, ist in der Natur normal. Das reguliert sich dann auch wieder“, sagt er.

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Aktuell seien die Bedingungen für eine bestimmte Art wohl so ideal gewesen, dass diese im großen Stil die Verwandlung vom Ei zur Mücke vollzogen hätten. Da Zuckmücken nur eine Lebensdauer von drei bis vier Tage hätten, würde dieses Phänomen auch bald wieder verschwinden, ist sich der Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte der Stadt Radolfzell sicher.

Freuen können sich aktuell vor allem Vögel. Für Schwalben, die jetzt aus ihren Überwinterungsgebieten zurück an den See zum Brüten kommen, wartet ein großes Festessen. Sie ernähren sich von Zuckmücken, ebenso manche Fledermausarten. Letztere befänden sich aber wohl noch im Winterschlaf, da es noch zu kalt sei, vermutet Rainer Bretthauer.

Ein Schwarm Zuckmücken Video: Schneider, Anna-Maria

Die großen Schwärme seien alles männliche Zuckmücken, erklärt Bretthauer weiter. Dies gehöre zum Paarungsverhalten der Insekten. Die männlichen Zuckmücken würden diese Schwärme bilden, weibliche Insekten flögen hinein und würden sich von einem Männchen befruchten lassen.

Tipps, sich die Tiere vom Leib zu halten

Will man mal am See in diesen Tagen seine Ruhe vor den lästigen Mücken haben, sollte man bei Wind und Regen spazieren gehen. Denn beides mögen Zuckmücken so gar nicht, sagt Bretthauer. Starker Wind lasse die Schwarmbildung nicht zu und löse diese Ansammlungen der männlichen Tiere schnell auf und Regen verhindert generell den Flug.

Endlos viele Zuckmücken haben es sich auf einer Steinmauer bei den Bonzschen Gärten auf der Mettnau gemütlich gemacht.
Endlos viele Zuckmücken haben es sich auf einer Steinmauer bei den Bonzschen Gärten auf der Mettnau gemütlich gemacht. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Richtig nett ist es bei diesem Wetter am See dann aber auch nicht wirklich. Was also tun, wenn man trotz Zuckmücken bei schönem Wetter die Zeit am See störungsfrei genießen möchte? „Zuckmücken werden – anders als Stechmücken – von Lichtquellen angelockt“, so Rainer Bretthauer. Man müsse also nur eine Lichtquelle vom eigenen Platz entfernt aufstellen und selbst dann eben im Dunkeln sitzen.

Ausreichend Nahrung für Vögel und Fledermäuse

Aber vermutlich sei es am besten, einfach abzuwarten, bis diese Art ihre Lebensphasen abgeschlossen habe. Dann würden sich die Schwärme automatisch reduzieren. Grundsätzlich seien die Insekten ja ein gutes Zeichen: „Gefährdete Vögel und Fledermäuse und auch Fische haben genug zu fressen“, so Bretthauer.

Wie es mit der Mückenlage am See in diesem Jahr aussieht, dazu wagt der Biologe keine Prognose. In den vergangenen Jahren habe es wegen des Niedrigwassers nur sehr wenige Mücken gehabt. Diese legten nämlich ihre Eier in seenahem Morast ab und die Larven schlüpften erst, wenn diese Stellen geflutet werden und der See die richtige Temperatur hat. Hat der See viel Wasser, gibt es auch mehr Mücken.