Einst hat der Vorzeigeturnlehrer Willi Stadel und Miterfinder der Mettnaukur (“Heilung durch Bewegung“) Radolfzeller Gymnasiasten in dieser kleinen Halle den Felgenaufschwung beigebracht. Und es sind sogar Schulmeisterschaften im Hallenhandball dort ausgetragen worden, die Tore waren auf den Klinkersteinen aufgemalt. Das sind Erinnerungen, die zur romantischen Verklärung der Schulzeit in den sechziger Jahren taugen. Heute firmiert die Ratoldusturnhalle unter der Einstufung: zu klein, zu kalt, zu alt.
Gerhard Schöpperle von der städtischen Bauverwaltung hat im Ausschuss Planung, Umwelt und Technik das baldige Ende der Ratoldusturnhalle vorgetragen. Das Dach weist Wasserflecken auf und ist undicht, die Schwingbodenkonstruktion habe im Laufe der Jahre ihre tragende Funktion eingebüßt, die Halle sei ein wirtschaftlicher Totalschaden: „Für den Schulsport kann man sie noch zwei bis drei Jahre nutzen, alles andere können wir in dieser Halle nicht mehr zulassen.“
„Ein Neubau ist notwendig“
Nach der Bestandsaufnahme bleiben zwei Gewissheiten: Der Narrenpalast der Froschenzunft wird in dieser Halle nicht mehr aufgebaut und „ein Neubau ist notwendig“, hat Simon Gröger schon in seinen ersten Amtstagen feststellen müssen.
Doch wie dieser Neubau aussehen sollte und könnte, darüber gab es schon unterschiedliche Vorstellungen. Gerhard Schöpperle eröffnete mit seiner Aussage ein weites Feld: „Wir hätten dort vor der Ratoldusschule sogar Platz für eine Dreifachsporthalle.“
Auch die Froschenzunft ist betroffen
Die Betonung von Schöpperle lag dabei auf dem Wort „Sport“. Stadtrat Walter Hiller wollte mehr Halle, er will der Froschenzunft auch in einer neuen Ratoldushalle das Heimrecht für ihren Narrenpalast einräumen und drängte auf eine Mehrfachnutzung. Der Verein habe schon einen Boden angeschafft, den könne man doch auch in Zukunft verwenden.
Das waren Aussagen, die Architekt Schöpperle in Alarmzustand versetzten. Denn mit der Nutzung als Narrenpalast bräuchte die neue Halle die Merkmale und die Zulassung für eine Mehrfachnutzung. Schöpperle nannte etwa den Brandschutz: „Wir brauchen dann einen zweiten Ausgang.“
Hillers Hinweis auf die neue Halle in Moos und ihre knapp fünf Millionen Euro Baukosten konterte Lorenz Thum (CDU): „Das ist eine reine Sporthalle, wir haben in Markelfingen erfahren müssen, wie eine Mehrfachnutzung den Hallenbau verteuert.“ Der Kostenrahmen für die Mehrzweckhalle in Markelfingen liegt bereits bei über elf Millionen Euro.
Den Zusammenhang von Froschenzunft, Narrenpalast und Ratoldusturnhalle stellten Paula Bickel und Reinhard Rabanser heraus. Beide haben einen direkten Zugang zum Thema, die Seniorenratsvorsitzende Paula Bickel war Präsidentin der Froschenzunft und Reinhard Rabanser war bis 2011 Rektor der Ratoldusschule. Man habe gesehen, „wie die Halle so langsam dahinsiecht“, sagte Paula Bickel im Ausschuss. Schon lange habe keiner mehr in der Halle geduscht, „das Abreißen ist ok“, sagte Bickel.
SPD-Stadtrat Rabanser erinnerte daran, dass die Ratoldusturnhalle noch nie eine „reine Sporthalle“ war. Neben den Froschen seien auch die Kleintierzüchter regelmäßig dort gewesen. 1975 sei das Dach der 1957 erbauten Halle durchgebrochen, „Gott sei Dank in der Mittagszeit“ – und keiner stand darunter.
„Wenn die Froschenzunft keine Perspektive hat, wird es sie nicht mehr geben.“
Schwieriger wird es für Bickel wie Rabanser, wenn man die Ratoldusturnhalle in Zusammenhang mit der Froschenzunft betrachtet. Über Jahrzehnte war diese Halle an der Fasnacht für die Froschen der „Narrenpalast“ und ihre Heimat. „Wenn die Froschenzunft keine Perspektive hat, wird es sie nicht mehr geben.“
Paula Bickel wies auf das Fehlen von alternativen Standorten hin: „Auch den Scheffelhof gibt es nicht mehr.“ Das Milchwerk sei als Veranstaltungsort zu groß und zu teuer für die Froschenzunft, sagte Paula Bickel. „In Radolfzell fehlt noch eine kleine Halle, die für Vereine gut nutzbar ist.“