Bis zum Jahr 2035 möchte die Stadt Radolfzell klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, erarbeitete sie im vergangenen Jahr ein Integriertes Klimaschutzkonzept (IKK), das nun für 2023 fortgeschrieben werden soll. Darin enthalten sind konkrete und vor allem kurzfristige Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen. Doch die sorgen sowohl inhaltlich als auch mit Blick auf den Zeitplan für Kritik.
Vier zentrale Handlungsfelder hat die Stadt dafür identifiziert, wie die neue Klimaschutzmanagerin Mona Kühn in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik (PUT) erklärte. Demnach seien erstens Energie, zweitens Kommunikation, drittens Konsum, Ernährung und Landwirtschaft sowie viertens Stadtentwicklung und Flächennutzung zentral.
Auf diesen vier Feldern habe die Stadt laut Kühn dann wiederum 21 Maßnahmen abgeleitet, die innerhalb von fünf Jahren umzusetzen seien. Die sieben Aktionen davon, die kurzfristig zu den größten Einsparungen an Treibhausgasen durch die Stadt führen würden, sollen laut Konzept priorisiert werden.
Stadt nennt sieben wichtigste Aufgaben
Dazu zählen: Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen oder landwirtschaftlichen Flächen, erweiterte Beratungsangebote, der Ausbau der Nahwärmenetze mit Anschlusszwang für Grundstückseigentümer, die Unterstützung der lokalen Wirtschaft beim Klimaschutz, die Stadtverwaltung selbst klimaneutral zu machen sowie Photovoltaik auf Dächern – insbesondere auf städtischen – auszubauen. Diese sieben Vorhaben sollen laut Stadtverwaltung als erstes ausgearbeitet und dem Gemeinderat schrittweise zum Beschluss vorgelegt werden.
Doch bevor das möglich ist, musste die Fortschreibung erstmal durch die Vorberatung im PUT-Ausschuss. Ziel der Stadt war es, in der Sitzung die Klimaneutralität ab 2035, das fortgeschriebene Klimaschutzkonzept mit seinen 21 Maßnahmen sowie die Priorisierung von sieben davon zu beschließen.
FGL geht Klimaschutzkonzept nicht weit genug
Im Ausschuss stieß das Konzept allerdings auf wenig Wohlwollen. „Ich habe mir mehr erhofft“, kritisierte Siegfried Lehmann (FGL). Das aktuelle Konzept falle in weiten Teilen hinter das zurück, worauf sich Stadt und Gemeinderat bereits 2011 geeinigt hätten. Zwar nehme „der PV-Bereich Fahrt auf“, Windenergie komme im neuen Konzept jedoch gar nicht vor, monierte Lehmann.

Zudem störe ihn, dass ein konkreter Plan für die Sanierung öffentlicher Gebäude nicht enthalten sei. „Die Stadt müsste hier vorangehen und einen Sanierungsplan vorlegen, sonst ist das Konzept das Papier nicht wert, auf dem es steht“, sagte Lehmann. Zudem beantragte er die von der Stadt geplante Einführung eines Zielbarometers, in dem über laufende Projekte sowie die CO2-Bilanz der Stadt berichtet wird, in die priorisierten Projekte aufzunehmen.
Angelique Augenstein von der Stadtverwaltung wies darauf hin, dass die Sanierung aller öffentlichen Gebäude bereits laufe und bis 2030 abgeschlossen sein soll. Sie schlug vor, die Erarbeitung eines konkreten Sanierungsplans in die Beschlussvorlage mit aufzunehmen. Zudem könne die Stadt die Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele ab 2024 jährlich messen und das Zielbarometer ebenfalls priorisieren, falls die Mehrheit der Ausschussmitglieder dafür wäre.
Kritik auch aus anderen Fraktionen
Doch auch aus anderen Fraktionen kam Kritik am Konzept. Walter Hiller (Freie Wähler) lobte die Vorlage, doch monierte den Zeitrahmen für die Umsetzung vieler Ziele. So brauche es erst eine Änderung der Altstadtsatzung oder zumindest Sondergenehmigungen, um in der Altstadt überhaupt PV-Anlagen auf Dächern installieren zu dürfen. Die Satzung verbiete dies bisher nämlich. Ansonsten dauere die Umsetzung zu lange.
Und Christof Stadler (CDU) warf ein, man solle die aktuelle Situation auf dem Markt im Auge behalten. So seien benötigte Materialen häufig gar nicht schnell genug zu bekommen. Er wünsche sich daher „mehr Pragmatismus“ und konkrete jährliche Ziele anstelle eines Maßnahmenkatalogs über fünf Jahre. Jürgen Aichelmann (Freie Wähler) forderte angesichts angeblich fehlender Finanzen und Kapazitäten, „normale Projekte“ nicht hinter die Klimaziele anzustellen und warnte vor Aktionismus.
Konzept soll jährlich angepasst werden
Trotz der Diskussionen und Bedenken stimmten am Ende der Sitzung elf der zwölf Ausschussmitglieder der um die zwei von Angelique Augenstein genannten Anträge ergänzten Beschlussvorlage zu. Lediglich Jürgen Aichelmann enthielt sich. Am Dienstag, 25. April, muss nun auch noch der Gemeinderat darüber abstimmen.
Sollte die Fortschreibung dort beschlossen werden, will die Stadt die priorisierten Maßnahmen umsetzen und nach und nach Gemeinderat vorstellen. Zudem soll auf Basis des Konzepts die kommunale Photovoltaik-Strategie erstellt werden, die am Mittwoch, 10. Mai im nächsten PUT präsentiert werden soll. Und das Konzept als Ganzes soll jährlich überprüft und angepasst werden.