Die Stadtverwaltung Radolfzell stößt mit ihrem Plan, „freiwillige Selbsttests“ für Schüler auf den Corona-Virus schon nächste Woche als Aufgabe den städtischen Schulen und deren Lehrer zu übertragen, auf Ablehnung. Norbert Schaible als geschäftsführender Schulleiter der Radolfzeller Schulen spricht für seine Kolleginnen und Kollegen nach einer gemeinsamen Besprechung: „Wir sehen uns nicht in der Lage und sind auch nicht gewillt, gleich nächste Woche zu starten.“
Schnelltests sind bestellt
Genau dies ist aber der Plan der Stadtverwaltung. Auf unsere Anfrage hat Pressesprecherin Nicole Stadach die Einzelheiten erläutert. Noch habe das Land zwar nicht beschlossen, wie die regelmäßigen, kostenfreien Tests von Schülern im Detail umgesetzt werden sollen. Aber das Kultusministerium sähe eine Testung in den Schulen vor. „Vorrangig sollen die Schülerinnen und Schüler ebenso wie die Lehrkräfte in den Schulen direkt getestet werden und dies auch mit den neueren Nasaltests“, schreibt Stadach. Diese Ausweitung der Landesteststrategie mit angeleiteten Selbsttests solle ab April greifen.
Doch dem Rathaus geht das zu langsam. „Um den Lehrkräften und Schülern schon vor den Osterferien kontrollierte, freiwillige Selbsttests zu ermöglichen, hat die Stadt Radolfzell im Vorgriff auf die Beschlüsse des Landes Selbsttests der neueren Modelle bestellt.“ Diese seien insbesondere für Kinder deutlich verträglicher, da ein Abstrich nur im vorderen Nasenbereich entnommen werden müsste, weist Pressesprecherin Stadach auf die einfache Handhabe hin: „Wir hoffen auf schnelle Lieferung noch in dieser Woche.“
Viele offene Fragen: Wer desinfiziert?
Norbert Schaible meldet gegen diese Umsetzung der Schnelltests gleich mehrere Vorbehalte an. Als Schulleiter wäre er für Ablauf und Organisation in der Teggingerschule zuständig. Die Grundschule sei im Moment bereits fast komplett im Unterricht, die fünften und sechsten Klassen kämen gestaffelt in die Schule: „Anders geht das nicht, wenn wir die Abstände einhalten wollen.“ Die von der Stadtverwaltung Radolfzell angeschobene Schnelltestung der Schüler in den Schulen unter Aufsicht der Lehrer hält Schaible aus mehreren Gründen für nicht umsetzbar. Zum einen hätten die Schulen noch keinerlei Anweisungen aus dem Schulamt oder dem Ministerium. Damit sei die Frage der Haftung nicht geklärt. Zum anderen „bin ich nicht bereit, Unterrichtszeit abzuknapsen“. Die sei ohnehin knapp bemessen.
Mit Blick auf die „Freiwilligkeit“ und der offenen Fragen wie „was tun wir, wenn tatsächlich ein positiver Fall vorliegt? Wer desinfiziert die Tische? Wer entsorgt wo und wie das gebrauchte Material?“ sowie der ungeklärten Verantwortlichkeit, sagt Schaible: „Die Kommune kann nicht etwas fordern und uns die Arbeit aufdrücken. Für solch eine Sache – und sei sie auch noch so gut gemeint – braucht es dringend mehr Vorlaufzeit.“
Ähnlich beurteilen die Schulleiterinnen Gabriele Wiedemann von der Gerhard-Thielcke-Realschule und Ulrike Heller vom Friedrich-Hecker-Gymnasium die Lage. Rektorin Wiedemann bestätigt Schaibles Aussagen: „Mir liegt noch keine Information zu einer verpflichtenden Testung an Schulen vor.“ Das Testen in der Schule koste vor allem Zeit: „Endlich sind die Schüler im Unterricht, und da ginge pro Testung, Kontrolle von Einverständniserklärungen und so weiter mindestens eine wertvolle Schulstunde verloren. Wir müssten über 300 Schüler zwei Mal in der Woche in Präsenz testen“, beschreibt Wiedemann die Umstände. Sie kritisiert: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Dienstzeit für Testmaßnahmen verwendet wird. Unsere Aufgabe ist der Unterricht.“
Die Lehrer müssten jetzt schon zwei Gruppen versorgen, weil ihre Klassen aus Hygienegründen geteilt seien. Die Rektorin fragt: „Wie soll da noch eine Testung laufen? Wer beaufsichtigt die zweite Gruppe in der Zeit? Wir haben keinerlei freie Lehrerkapazität.“ Wiedemann hält einen anderen Weg für gangbar: „Ich würde mir wünschen, wenn Fachpersonal von den Johannitern, Maltesern oder dem DRK das Testen übernehmen würde.“
Fragen zum Umgang mit einem positiven Testergebnis
FHG-Schulleiterin Ulrike Heller empfindet auch den „freiwilligen Test“ in der Klassengemeinschaft als problematisch: „Was passiert, wenn beim Warten auf das Ergebnis bei einem Schüler ein zweiter Strich in der Testkassette auftaucht?“ Dann wäre der Selbsttest positiv und ein Verdacht auf eine Corona-Infektion läge vor. Ulrike Heller befürchtet, dass dann Schüler gerade in den unteren Klassen in Panik geraten könnten. „Und wir stehen vor der Frage: Was machen wir in diesem Fall?“ Den Schüler von den anderen trennen, er müsste beaufsichtigt werden, die Klassenkameraden auch, man müsste die Eltern benachrichtigen, damit sie ihr Kind nach Hause holen.
In Bus oder Bahn könne man das Kind ja dann nicht mehr setzen. „Diese Fragen sind alle nicht geklärt, so können wir das nicht umsetzen“, sagt Ulrike Heller. Die Direktorin des Gymnasiums hätte sich gewünscht, dass wäre vorher zwischen der Stadtverwaltung und den Schulleitern besprochen worden: „In Radolfzell wird man leider nicht gefragt, wie man das gemeinsam machen könnte.“