Schon immer ging der Blick der Radolfzeller zumindest in einem Punkt neidisch nach Konstanz: Dort hat man eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Hunderte Wohnungen werden so abseits des freien Marktes kostengünstig für die eigene Bevölkerung angeboten. Das will man auch in Radolfzell. Oberbürgermeister Simon Gröger stellte in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik die Pläne eines ersten städtischen Wohnhauses vor.

Während SPD-Stadtrat Norbert Lumbe die Idee des OB als „Quantensprung“ bezeichnete, waren andere regelrecht entsetzt über diese Idee. „Wir tun grad so, als hätten wir zu viel Geld“, sagte Jürgen Keck (FDP).

Stadt will in Eigenregie planen, bauen und vermarkten

Geplant ist ein Wohnblock mit zirka 20 Wohnungen auf einem freien städtischen Grundstück in der Nordstadt. Gebaut werden soll „ein gesunder Mix aus Zwei-, Drei- und Vier-Zimmerwohnungen“, von denen alle günstiger als die üblichen Marktmieten angeboten werden sollen. Die Stadt soll das Gebäude in Eigenregie planen, bauen und vermarkten. Kostenpunkt: 5 Millionen Euro.

Bild 1: Stadt will Vermieter werden: 5 Millionen Euro für 20 Wohnungen sorgen für Entsetzen
Bild: SK

Ein Wohnhaus werde die Wohnungsnot weder lindern, noch stelle der Wohnblock eine Konkurrenz zu anderen Anbietern da, betonte der OB. Es könnte sich aber um „eine kleine Pflanze handeln, die man stetig gießen müsse“. Denn Ziel sei es, das fertige Gebäude dann als Grundstein einer eigenen städtischen Wohnungsbaugesellschaft einzubringen. Gröger spannte den Bogen in die Zukunft: „In 20 Jahren werden die Radolfzeller dann die Früchte ernten“, so seine Hoffnung.

„Wenn das gelingen sollte, ist es ein großer Augenblick für die Stadt.“Norbert Lumbe, SPD
„Wenn das gelingen sollte, ist es ein großer Augenblick für die Stadt.“Norbert Lumbe, SPD | Bild: Andreas Kochlöffel

SPD-Gemeinderat Norbert Lumbe erinnerte sich daran, dass das Vorhaben, selbst für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, im Gemeinderat oft diskutiert und immer wieder aus unterschiedlichen Gründen verworfen wurde. Zuletzt hatte die FGL in 2018 einen Vorstoß gewagt, doch der Gemeinderat entschied sich wegen des zu hohen finanziellen Risikos dagegen. Nun soll die Baugesellschaft langsam und organisch wachsen, ein Wohnhaus soll den Startpunkt markieren. „Wenn das gelingen sollte, ist es ein großer Augenblick für die Stadt“, so Lumbe.

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Sein FDP-Ratskollege Jürgen Keck erinnere an die letzten Haushaltsberatungen, als an jeder Stelle gespart werden musste. „Selbst bauen und dann auch noch zu sozialen Preisen vermieten: Wie sollen wir das denn bezahlen?“, fragte er. Martin Aichem (Freie Wähler) fasste das so zusammen: ‚Unsere Kernkompetenz liegt nicht gerade im kostengünstigen Bauen.‘

„Selbst bauen und dann auch noch zu sozialen Preisen vermieten: Wie sollen wir das denn bezahlen?“Jürgen Keck, FDP
„Selbst bauen und dann auch noch zu sozialen Preisen vermieten: Wie sollen wir das denn bezahlen?“Jürgen Keck, FDP | Bild: Fdp

Neben den Baukosten beschäftigte die Frage nach der Verwaltung dieser Wohnungen die Mitglieder des Ausschusses. Christof Stadler (CDU), der dem Projekt „grundsätzlich offen“ gegenüberstehe, forderte, dass kein „bürokratischer Wasserkopf“ erzeugt werde. Jeder Euro solle in den Wohnraum und nicht in die Verwaltung fließen, so seine Meinung. Und er warf die Zukunft des Gebäudes in der Poststraße wieder in den Ring. In dem ehemaligen städtischen Pflegeheim könnten mit ein paar Umbauarbeiten alternative Wohnformen eingerichtet werden.

Blick vom Grundstück an der Ecke An der Eiche/Hedelfinger Straße in die bereits bestehende Bebauung der Nordstadt.
Blick vom Grundstück an der Ecke An der Eiche/Hedelfinger Straße in die bereits bestehende Bebauung der Nordstadt. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Verwaltung soll keine neuen Stellen schaffen

OB Simon Gröger versicherte, für die Verwaltung der Wohnungen werde kein zusätzliches Personal eingestellt. Überhaupt sollten die Kosten dafür durch die Mieteinnahmen aus dem Gebäude gedeckt werden. Perspektivisch sei es ohnehin das Ziel, auch die Verwaltung der Wohnungen in die Hände der neu gegründeten Gesellschaft zu geben.

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Selma Anton (FGL) brachte die Anforderung des Baus an den Klimaschutz in Spiel. Der Leitfaden mit den Klimakriterien für Neubauen sei aus dem Jahr 2015 und längst überholt, so Anton. Die FGL hatte bereits den Antrag gestellt, diese Kriterien neu zu überarbeiten. Angelique Augenstein, Leiterin des Dezernats für nachhaltige Stadtentwicklung und Mobilität, sagte zu, den neuen Leitfaden bald vorstellen zu können.

Der Vorschlag der Verwaltung, das Vorhaben weiterzuverfolgen, ist von den Ausschussmitgliedern mit großer Mehrheit angenommen worden. Der Radolfzeller Gemeinderat wird in seiner Sitzung am Dienstagabend, 10. Dezember, erneut darüber beraten.