Wohnraum ist seit Jahren ein knappes Gut in Radolfzell und der näheren Umgebung – bezahlbare Wohnungen noch viel mehr. Mittlerweile ist das Niveau der Mieten auch vor Ort so hoch, dass selbst normal verdienende Arbeitnehmer Schwierigkeiten haben, in Radolfzell und dem Umland angemessene Wohnungen zu finden. Von Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen oder jenen mit schlechter bezahlten Berufen ganz zu schweigen.
Grund genug für den CDU-Stadtverband, eine Veranstaltung zu organisieren, in der drei versierte Kenner der Materie sowie Oberbürgermeister Simon Gröger sich zu dem Thema äußern. In der Reihe „Gehör(t) bezahlbares Wohnen“ gaben sie am Montagabend im Milchwerk einen Einblick in die Branche.
Bis 2030 werden 1800 Wohnungen benötigt
Die Branche hat den vielfältigen Herausforderungen, die gerade auf sie einwirken, nur wenig entgegenzusetzen. Das zumindest konnte man als Quintessenz des Abends mit nach Hause nehmen. Den generellen Bedarf an Wohnraum bis zum Jahr 2030 bezifferte OB Simon Gröger mit rund 1800 Wohnungen. Der hohe Bedarf ergibt sich daraus, dass Radolfzell weiterhin ein attraktiver Zuzugsort am See sei.

Die aktuellen 32.000 Bewohner sollen nach seiner Aussage „in den nächsten Jahren auf 35.000 Personen anwachsen“. Folgt man dem derzeitigen Durchschnitt von 1,9 Personen pro Haushalt ergibt sich der Bedarf der genannten 1800 Wohnungen. Immerhin 400 davon könnten auf vorhandenen Freiflächen und Baulücken in der Stadt und den Teilorten realisiert werden.
Klimawandel macht Wohnungsbau schwierig
Womit man allerdings beim nächsten Problem landet – dem Klimawandel. Der verbietet es, praktisch jede Lücke zu schließen. Wie wichtig solche Freiflächen und Grünzonen sind, verdeutlichte der Gartenarchitekt und Planer Johann Senner. Für ihn ist jeder vorhandene Baum „ein heiliger Baum“, den es zu schützen gilt, wie er erklärte. Aus seiner Sicht sind Bäume die besten Klimaschützer innerhalb einer Stadt. Sie sorgen für kühle, bessere Luft und speichern gleichzeitig noch das schädliche Kohlendioxid.

Generell plädierte er für einen ökologischen Ausgleich in den Quartieren vor Ort „und nicht auf einer Ausgleichsfläche außerhalb“, wie Senner ausführte. Hier offenbarte sich das nächste Dilemma: Klima- und Umweltschutz verträgt sich nur bedingt mit bezahlbaren Wohnraum, denn sie erhöhen zumindest im ersten Moment die Kosten für ein Projekt.
Die sind laut Jens-Uwe Götsch, dem Geschäftsführer der Wohnbaugenossenschaft Wobak aus Konstanz, schon jetzt exorbitant hoch. Aus seiner Sicht sind Neubauten für bezahlbaren Wohnraum derzeit praktisch nicht umzusetzen. Die Baukosten seien in den vergangenen fünf Jahren um etwa 50 Prozent angestiegen.

Hinzu kämen zahlreiche Auflagen des Bundes, des Landes und der Kommunen. Dazu zählen Dinge wie Stellplatzschlüssel, die Forderung nach Dachbegrünung oder der Brandschutz.
Könnte eine Wohnungsbaugesellschaft helfen?
Die Wobak könne derzeit lediglich aufgrund ihrer fast 100-jährigen Präsenz und Erfahrung am Markt Bauprojekte umsetzen. Daher ist eine kommunale Wohnbaugesellschaft laut Jens-Uwe Götsch ein „nachhaltiges Instrument, das aber Geld und Zeit braucht“, wie er sagte. „Das ist ein Generationenprojekt. Man braucht nicht mit schnellen Ergebnissen rechnen“, erklärte er allen Zuhörern, die sich nach einer städtischen Wohnbaugesellschaft sehnen.
Als weitere Alternative für Wohnraum gibt es noch die Wohnbauverdichtung im Bestand. Mit der Architektin Sabine Feist aus Konstanz war dazu eine Expertin vor Ort. Durch die Nachverdichtung, zum Beispiel durch Erhöhung der Gebäude und Dachausbau, könne man nachhaltig Wohnraum schaffen. Auf diese Weise gingen die wenigsten Flächen verloren. Im Gegenteil: Viele vorhandene und überbaute Bereiche könnten durch Um- und Ausbauten für Wohnraum genutzt werden.
Doch auch in diesem Bereich sorge die Bürokratisierung für viele Hemmnisse, wie Feist klarstellte. Daher wünschte sie sich vor allem klare Baugenehmigungen, bei der die Kommune alle Beteiligten an einen Tisch holt, um den Prozess zu beschleunigen.