Ukrainekrieg und massiv gestiegene Energie- und Baukosten: Die Herausforderungen in der Baubranche sind derzeit hoch. Dennoch konnte die Baugenossenschaft Familienheim Bodensee mit Sitz in Radolfzell jüngst einen erfreulichen Geschäftsbericht 2022 vorstellen. Das vergangene Geschäftsjahr konnte mit einem sehr guten Ergebnis abgeschlossen werden. Dies bestätigte auch Bernhard Hertrich als Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Gute Zahlen im Jahr 2022

Die Genossenschaft investierte 2022 in den Wohnungsbestand 2,8 Millionen Euro und knapp neun Millionen Euro in die Sanierung, Modernisierung und in den Neubau. Die Bilanzsumme stieg 2022 um sechs Prozent auf über 88,4 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote lag mit 57 Prozent bei 50,5 Millionen Euro. Bei einem Jahresumsatz von rund 11,7 Millionen Euro konnte die Familienheim Bodensee einen Gewinn von 1,79 Millionen Euro ausweisen. In die Rücklage fließen 1,56 Millionen Euro. Die Mitglieder verabschiedeten auch eine Dividenden-Auszahlung in Höhe von 51.820 Euro. Das entspricht vier Prozent des Geschäftsguthabens.

Im vorangegangenen Jahr lag der Immobilienbestand bei 1393 Wohneinheiten mit einer Gesamtwohnfläche von 100.455 Quadratmetern. Bezahlbarer Wohnraum heißt für die Genossenschaft ein durchschnittlicher Kaltmietpreis in Höhe von etwas über sieben Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.

Verlässliche Kalkulation? Ist unmöglich geworden

Doch so gut die Bilanz für 2022 ausfällt, so schwierig ist der Blick nach vorne. Die Vorsitzenden der Genossenschaft, Stefan Andelfinger und Marco Bächle, erläuterten jeweils in einer Brandrede, weshalb sie neue Bauprojekte bis zur Baugenehmigung zwar planen, aber nicht an den Start bringen werden.

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Geht sozialverträglicher Wohnungsbau ohne eine staatliche Förderung? Gehe es nach Stefan Andelfinger, so müsste man diese Frage verneinen. Dafür gibt es gute Anhaltspunkte: Die Richtschnur bei den Investitionen im Wohnungsbau sei deren Kostendeckung, die ihren Ausdruck in den zu erzielenden Kaltmieten findet. Eine verlässliche Kalkulation sei durch die hohen Zinsen, steigende Baukosten und unklare Gesetzeslage unmöglich geworden.

Kostensteigerungen bis 318 Prozent!

In den vergangenen Jahren seien die Baukosten im Rohbau um 100 Prozent, bei konstruktiven Ausbaugewerken um 139 Prozent sowie beim technischen Ausbau um 318 Prozent gestiegen. Als Ursache für die Kostensteigerung sieht Andelfinger die Energieeisparverordnung, das Gebäudeenergiegesetz, Barrierefreiheit, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und die Ansprüche an die Qualität.

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Die Baunebenkosten seien um weitere 125 Prozent gestiegen. Denn ein schwerwiegender Faktor für die Höhe der Baukosten ist auch die Zahl der nun am Bau Beteiligten. Lag sie im Jahr 2000 noch bei zehn Beteiligten, so hat sie sich 2022 mit 23 Baubeteiligten mehr als verdoppelt.

Es braucht Fördergelder

Beim herkömmlichen Markt seien für den Investor kleine Gewinnmargen erst bei einer Baukostenobergrenze von 5000 Euro und einer Kaltmiete von 17,50 und 20 Euro pro Quadratmeter möglich. Von einer ordentlichen Rendite könne nicht mehr gesprochen werden – zumal man beim Festgeld risikolos schon bis zu drei Prozent bekäme, erläutert Andelfinger.

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Wolle eine Genossenschaft bei den aktuellen Baupreisen nun Wohnraum mit einer Kaltmiete zwischen 6,80 Euro und 8,50 Euro erstellen, so benötige sie aktuell Förderbeiträge in Höhe zwischen 2900 Euro respektive 2375 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Allein für 100.000 neue Sozialwohnungen bräuchte man 15 Milliarden Euro Subventionen. Das sei knapp mehr als der letzte Etat fürs Bundeswirtschaft-Ministerium.

Viele Ungereimtheiten bleiben

Mit immer neuen Auflagen, Steuern und ausufernder Bürokratie treibe der Staat die Kosten und damit die Mieten hoch, resümiert Andelfinger: Das lasse manche Immobilienträume – nicht nur von Privatleuten – platzen. Die Schutzziele der Regierung und deren Sinnhaftigkeit stellte Stefan Andelfinger in seiner Rede nicht in Frage, doch eine Durchsetzung der Ziele gebe es nicht zum Nulltarif, wie oftmals suggeriert werde. Dies müsse ehrlich kommuniziert und von allen akzeptiert werden.

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Auch für den zweiten Vorsitzenden, Marco Bächle, gibt es viele Ungereimtheiten. Die Baukosten ließen sich um bis zu 30 Prozent senken, wenn man sich an die schon sehr hohen Standards aus dem Jahr 2015 halten würde anstelle an den zu 100 Prozent klimaneutral anvisierten Bau. Seines Erachtens reiche beispielsweise eine Dämmung von 14 anstelle von 16 Zentimetern aus. Jeder weitere Zentimeter Dämmung stehe in keinem Verhältnis zu der damit verbundenen Einsparung an Energie. Er stellte sich auch die Frage, ob wirklich sämtliche Vorschriften, Gutachten und Prüfungen in diesem Umfang benötigt werden?

Und wie geht es jetzt weiter?

Aktuell baue die Familienheim die bereits begonnen Projekte fertig, so Bächle. Auch werden von der Familienheim Bodensee neue Projekte bis zur Baugenehmigung entwickelt. Doch ein Start und damit ein Baubeginn stehe für die Projekte noch nicht fest, da sich aktuell für die Genossenschaft die Baukosten nicht mehr darstellen lasse.