Schon fast ein halbes Jahr leben ukrainische Geflüchtete im Landkreis Konstanz – fernab von der Heimat, wo Russland im Februar einen Krieg begonnen hat. Normal ist für sie seither nichts mehr. Auch nicht der Unabhängigkeitstag, der in der Ukraine traditionell am 24. August gefeiert wird. In diesem Jahr können sie ihn nicht mit Freunden und Familie ausgelassen auf den ukrainischen Straßen zelebrieren und dabei gemeinsam essen, trinken, feiern.

Ganz verzichten müssen sie aber nicht: Im Radolfzeller Milchwerk organisiert eine Gruppe Ukrainer am Samstag, 27. August eine Feier anlässlich des Unabhängigkeitstages. Unterstützt werden sie dabei von der Stadt Radolfzell.

Alle sollen gemeinsam feiern

Vitaliy Tomniuk ist Initiator und organisiert das Fest gemeinsam mit weiteren Geflüchteten, die hauptsächlich in Radolfzell, aber auch in Singen und Konstanz eine Unterkunft gefunden haben. Er lebt seit Ende März in Radolfzell und kennt sich mit Veranstaltungen aus, denn in Kiew arbeitete er als Leiter der Kulturabteilung. Noch spricht er kein Deutsch, daher übersetzt Nataliya Naychuk, die seit 20 Jahren in Radolfzell lebt.

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„In der Ukraine ist der Unabhängigkeitstag das größte Fest im Land. Das wird sehr breit und intensiv gefeiert“, erklärt Tomniuk. Und weil mittlerweile rund 3000 Ukrainer im Landkreis leben, habe er sich überlegt, ein solches Fest auch hier auf die Beine zu stellen.

In der Ukraine wird der Unabhängigkeitstag groß gefeiert – hier tritt eine Tanzgruppe im Jahr 2021 auf.
In der Ukraine wird der Unabhängigkeitstag groß gefeiert – hier tritt eine Tanzgruppe im Jahr 2021 auf. | Bild: picture alliance/dpa/ukrin

Allerdings sei es nicht nur für Ukrainer gedacht, sondern auch für alle anderen, die Interesse daran haben. Es sei Gelegenheit, die ukrainische Kultur vorzustellen und anderen näher zu bringen. „Hauptpunkt ist, alles zusammen zu feiern“, so Tomniuk. „Und wir wollen zeigen, wir sind alle für alle da.“

Ausstellung, Verkauf, ukrainische Küche

Das Fest im Milchwerk findet am Samstag, 27. August, ab 13 Uhr statt, geplant sind mehrere Veranstaltungspunkte. So soll es laut Vitaliy Tomniuk eine Fotoausstellung zum Ukraine-Krieg geben – „mit Bildern aus den großen Kampfregionen“. Zudem wird Handgemachtes verkauft, darunter etwa Armbänder und Schlüsselanhänger. Diese seien zum Teil aus der Ukraine angeliefert, zum Teil aber auch von geflüchteten Kindern hergestellt worden. Die Erlöse aus dem Verkauf der Ware sollen in die Ukraine gehen, um dort die Armee etwa mit dringend benötigten Medikamenten versorgen zu können, erklären Vitaliy Tomniuk und Nataliya Naychuk.

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Außerdem werden ukrainische Spezialitäten angeboten, zum Beispiel Backwaren, die von den Geflüchteten zubereitet werden. Und für Kinder wird von 13 bis 14 Uhr ein Programm vor dem Milchwerk organisiert.

Auch ein Konzert ist geplant

Laut Vitaliy Tomniuk und Nataliya Naychuk wird es außerdem eine Fotostation geben, die traditionell geschmückt wird. Dort werde dann auch eine besondere Tradition geben: Korovai, also verziertes ukrainisches Brot, werde zum Probieren angeboten. Das sei eine übliche Geste, um jemanden herzlich willkommen zu heißen, erklärt Nataliya Naychuk. „Am Ende werden die Brote dann geschnitten und verteilt.“

Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angelika Merkel wurde 2018 bei ihrer Ankunft in der Ukraine mit Brot und Salz begrüßt. Der Brauch ...
Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angelika Merkel wurde 2018 bei ihrer Ankunft in der Ukraine mit Brot und Salz begrüßt. Der Brauch soll auch Teil des Unabhängigkeitsfests im Milchwerk sein. | Bild: Kay Nietfeld

Höhepunkt sei ein Konzert, an dem ukrainische Kinder und Erwachsene Musikinstrumente wie Flöte, Geige und Klavier spielen, aber auch singen und tanzen. Dieses sei ab 14 Uhr geplant und solle rund eineinhalb Stunden gehen.

Moderatoren begleiten zweisprachig

Damit sich alle Gäste willkommen fühlen, wird es zwei Moderatoren geben, die das Programm auf Ukrainisch und auf Deutsch begleiten. „Alle, die kommen, werden verstehen, worum es geht“, verspricht Nataliya Naychuk.

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Ganz alleine müssen die Organisatoren das Fest übrigens nicht stemmen: Wie Vitaliy Tomniuk erklärt, habe man zwar untereinander Spenden gesammelt, um etwa Materialkosten bezahlen zu können. Allerdings wird den Organisatoren laut Nicole Rabanser, Pressesprecherin der Stadt, die Hälfte der Kosten für das Milchwerk erlassen. Und: „Die zweite Hälfte des Betrages wird mit Zuwendungen vom Spendenkonto der städtischen Ukraine-Hilfe beglichen, da der Zweck des Festes dem Gemeinderatsbeschluss zur Verwendung der Spendengelder entspricht“, erklärt sie weiter.

Vitaliy Tomniuk lobt die Zusammenarbeit und betont, die Verwaltung habe sich sehr schnell um sein Anliegen gekümmert. Als er die Anfrage gestellt habe, sei bereits am gleichen Abend die Zusage gekommen.