Wenn Tobias Klumpp über den Zahlen seines Vereines sitzt, könnte er sich die Haare raufen. Den Vorsitzenden des TUS Böhringen treibt derzeit die Sorge um die finanzielle Zukunft des Sportvereins um. Mit aktuell 987 Mitgliedern gehört der TUS zu den größten Vereinen in Radolfzell. Gleichzeitig sind dort besonders viele Kinder und Jugendliche aktiv. Rechnerisch ist fast jeder vierte Böhringer im Verein.

Doch trotz der hohen Frequenz sind die Finanzen aus Sicht des TUS-Vorsitzenden alles andere als gesichert. Hintergrund und Auslöser seiner Sorgen ist die von der Stadt Radolfzell eingeführte Umsatzsteuerpflicht für Vereine bei der Vergütung der Hallennutzungen. Denn damit steigen deren Beträge um satte 19 Prozent. Betroffen sind davon insbesondere Sportvereine, die entweder kein Betrieb gewerblicher Art sind und/oder viele Hallenzeiten benötigen.

Vereine mit vielen Jugendlichen leiden besonders

Bei der TUS Böhringen ist beides der Fall. Mit insgesamt 57 Sportangeboten in drei verschiedenen Hallen hat der TUS sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Großanbieter gemausert. Rund 400 Kinder profitieren davon, indem sie für 39 Euro im Jahr dreimal in der Woche Sport treiben können und in dieser Zeit betreut werden. „Das macht uns so sexy“, erklärt Tobias Klumpp den Mehrwert für die Familien. Etwa zwei Drittel des Sportangebotes richtet sich an Kinder und Jugendliche.

„Spätestens wenn der Stadt einmal das Geld ausgeht, stehen solche Förderungen schnell auf der Kippe“, Tobias Klumpp, ...
„Spätestens wenn der Stadt einmal das Geld ausgeht, stehen solche Förderungen schnell auf der Kippe“, Tobias Klumpp, Vorsitzender des TUS Böhringen. | Bild: Jarausch, Gerald

Doch wenn man so will, kostet den Verein genau dieses Angebot viel Geld. Denn mit der Einführung der neuen Entgeltordnung der Stadt Radolfzell zur Benutzung der städtischen Mehrzweckhallen im Jahr 2021 sind erstmals auch Kosten für die Kinder- und Jugendstunden eingeführt worden, die bis dahin kostenlos waren. „Das hat die Vereine mit viel Jugend ziemlich getroffen“, erinnert sich auch der Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Sport, Axel Tabertshofer. Gleichzeitig hat die Stadt die Jugendförderung allerdings auch um 25 Prozent deutlich angehoben.

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Aus Sicht von Tobias Klumpp birgt genau dieses Hin und Her der Verrechnungen jedoch eine deutliche Gefahr. „Spätestens wenn der Stadt einmal das Geld ausgeht, stehen solche Förderungen schnell auf der Kippe“, befürchtet er. Dass die Vereine für die Hallenstunden grundsätzlich Gebühren zahlen müssen, findet der TUS-Vorsitzende vollkommen in Ordnung, wie er sagt.

Verein kritisiert Umsetzung durch die Stadt

Doch die 19 Prozent Umsatzsteuer, die jetzt zudem erhoben und von der Stadt direkt an das Finanzamt abgeführt werden, kamen laut Tobias Klumpp praktisch unangekündigt. „Ich finde das handwerklich nicht gut gemacht“, kritisiert er.

Der Auslöser: Eine neue Entgeltordnung mit entsprechender Umsatzsteuerklausel, die laut Stadtverwaltung seit dem 1. April gilt. „Die Umsatzsteuerklausel wurde mit Blick auf das neue Umsatzsteuerrecht eingefügt“, erklärt Pressesprecherin Natalie Reiser. Hintergrund sei, dass die Hallennutzung zu sportlichen Zwecken aus steuerrechtlicher Sicht der Umsatzsteuer unterliegt und die Stadt somit die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss.

Negativ hinzu komme aus Klumpps Sicht eine Kalkulation der Stadt, die diese aufgrund der Vorjahreszahlen für die Vereine aufgestellt hat. Darin geht man laut Klumpp von deutlich niedrigeren Nutzungszahlen aus, da die Werte aus den Corona-Jahren stammen. „Wir fahren jetzt aber wieder Volllast“, gibt er zu bedenken. Im Fall des TUS Böhringen könnten sich die Mehrkosten, die auf seinen Verein zukommen, dadurch noch einmal deutlich erhöhen. Für den Vereinsvorsitzenden ist damit eine Anhebung der Vereinsgebühren unumgänglich.

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Und das gelte auch für andere Radolfzeller Sportvereine: „Einige müssen überlegen, ob sie die Mitgliedsbeiträge anheben“, berichtet Axel Tabertshofer. Bei der TUS sollen auf der Jahreshauptversammlung im Juni erste Zahlen vorliegen und die Anpassung diskutiert werden. Tobias Klumpp rechnet derzeit mit 10 bis 15 Euro mehr für Erwachsene und etwa 3 Euro für Kinder.

Was sagt die Stadt dazu?

Ist der Stadt bewusst, in welche Lage die Vereine dadurch kommen? Ja, sagt Natalie Reiser, der Stadt sei klar, dass die Umsatzsteuer „eine erhebliche Mehrbelastung“ bedeute. Über die bereits seit 2021 angebotenen Zuschüsse in Folge der Corona-Pandemie hinaus könne die Stadt dennoch keine weiteren Hilfen oder Förderungen anbieten, um die Steuer abzufedern.

Der Grund: Eine Reduzierung der Hallennutzungsgebühren für die Vereine würde den Verlust der Vorsteuerabzugsfähigkeit bei Neubauten sowie Sanierungen für die Stadt bedeuten, so Reiser. Was im Klartext heißt, bei anstehenden Projekten wie Markolfhalle, Litzelhardthalle, Homburghalle und Ratoldusturnhalle würde das einen finanziellen Verlust für den Haushalt im Millionenbereich bedeuten.

Viele Familien brauchen finanzielle Unterstützung

Für die Vereine ist das nicht einfach. Die Erhöhung der Gebühren treffe besonders Familien, deren finanzielle Lage nicht so gut ist, so Tobias Klumpp von der TUS. Und bereits jetzt bemerke der Verein die Zunahme der Inanspruchnahme der „Zeller Karte“, deren Nutzer die 50-prozentige Übernahme der Mitgliedsgebühren erhalten.

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Die Stadt bestätigt auf SÜDKURIER-Nachfrage: Zum Stichtag 8. Mai sei die Zahl der Anträge im Vergleich zum Vorjahr um 113 Anträge gestiegen. Allerdings würden die meisten davon von Menschen mit Fluchthintergrund stammen. Zudem, berichtet Reiser, würden bisher nur zwei bis drei der Radolfzeller Sportvereine eine entsprechende Abrechnung für die Zeller Karte schicken.