Bei einigen Vögeln dauert er nur 0,8 Sekunden – der Liebesakt. Doch es gehört mehr zum Intimleben der 50 Vögel, die Ernst Paul Dörfler in seinem Buch „Das Liebesleben der Vögel“ beschreibt. Dörfler ist Kuratoriums-Mitglied der Euronatur-Stiftung Europäisches Naturerbe mit Sitz in Radolfzell. Sein neustes Werk stellt der ausgezeichnete Schriftsteller und promovierte Ökochemiker am 11. Oktober um 19.30 Uhr in der Buchhandlung am Obertor vor. Er weiß: Die Vögel im Südwesten lieben sich ein wenig anders, als anderswo.
Vögel können Liebe und Schmerz fühlen
„Vögel empfinden Schmerz, Stress, Trauer, aber auch Liebe, Leidenschaft und Lust“, sagt der 74-Jährige und zieht eine erste Parallele zum Menschen. Woher er das weiß? Forscher, unter anderem der amerikanische Ornithologe Richard Prum, haben Hormone, die Gefühle beim Menschen auslösen, auch im Blut von Vögeln messen können. Die Natur belohne Vögel wiederum mit positiven Gefühlen bei der Arterhaltung – dem Liebesleben.
Für sein Buch hat der Autor aus Sachsen-Anhalt Wissensstände zu 50 Brutvögeln aus Deutschland zusammengetragen. „Von Amsel bis Zaunkönig, also die, die jeder im Garten hat“, so Dörfler, der in der DDR aufgewachsen ist. Dort arbeitete er zunächst als Ökochemiker am Institut für Wasserwirtschaft in Berlin und Magdeburg, wo er nur habe veröffentlichen dürfen, was vom ehemaligen Staat abgenickt wurde. Der Schritt in die Selbständigkeit war für ihn ein „Akt der Befreiung“. Der Mitbegründer der Grünen Partei in der DDR widmet sich seither als Autor Umweltthemen an lokalen Beispielen.
Treue und traditionelle Paare sind nicht nötig
„In Baden-Württemberg singen die Vögel anders als an der Elbe“, sagt Dörfler. Die Arten unterscheiden sich regional im Balzverhalten, weil sie kreativ werden müssen im ständigen Werben um ihre Partner.
Der 74-Jährige ist fasziniert von der Flexibilität der Vögel. Denn neben dem traditionellen Familienbild gebe es eine Vielzahl an Beziehungsmustern bei ihnen. „Vielfalt ist das A und O“, so Dörlfer. Gleichgeschlechtliche Paare, Scheinweibchen, Rollentausch, Bigamie und mehr gebe es unter ihnen. Auch Treue sei keine Voraussetzung für glückliche Vögel: „Man ist lange bei Kranichen und Störchen von Dauerehen ausgegangen“, so Dörfler. Etwa 90 Prozent der Brutbeziehungen bei Vögeln seien aber saisonal.
Die starke Rolle der Weibchen
Auch die Rolle der Weibchen fasziniert ihn. Schließlich seien sie es, die Zustimmung zur Brut geben, während Männchen nur für sich werben können. Erzwungenen Sex gebe es kaum. Beim Blick in die Nester sei aber aufgefallen, dass der Nachwuchs oft von mehreren Männchen sei. Gerade Singvögel teilen ihre Weibchen nicht gerne, sagt Dörlfer. Untreue Weibchen hätten aber die Arterhaltung im Sinne. Durch mehrere Brutpartner erweitern sie deshalb den Genpool. Forschern sei sogar aufgefallen, dass mehr Untreue unter Vögeln vorliege, je extremer die Umweltbedingungen sind.
„Unser Problem ist die Norm“, sagt Dörfler und erlaubt sich auch ein Urteil mit Blick auf den Menschen, „davon auszubrechen ist schwierig.“ Aber es wird belohnt, seine eigenen Bedürfnisse zu finden, sagt er.
Sein Buch sei so beliebt, dass ihn derzeit weitere Lesungen einspannen, doch er hat schon neue Ideen. Als Nächstes möchte Dörfler das Traumleben von Vögeln unter die Lupe nehmen. Laut ihm gebe es auch hier eine Studie, die zeigt, dass Vögel den Menschen vermutlich nicht so unähnlich sind – denn Tauben sollen demnach vom Fliegen träumen.