Es ist eine alte Fußballerweisheit: Das Runde muss ins Eckige. Klingt einfach, ist es aber manchmal nicht. Vor allem dann nicht, wenn es, wie in Radolfzell und den Ortsteilen, zu wenig Eckiges, sprich Tore, gibt, um mit dem runden Leder zu trainieren. Schon seit geraumer Zeit klagen die Radolfzeller Vereine über zu wenige Trainingsmöglichkeiten und appellieren, dass ein zweiter Kunstrasenplatz auf der Mettnau realisiert wird. Im Sportentwicklungsplan der Stadt steht ein solches Vorhaben weit oben auf der Agenda. Getan hat sich bisher wenig und die Fußballvereine hängen weiter in der Warteschlange. Der Grund: Die Meinungen über die Dringlichkeiten gehen bei den Entscheidungsträgern weit auseinander, wie die jüngste Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik verdeutlichte. Obwohl sich das Gremium eigentlich nur über Alternativen zum geplanten Kunststoffgranulat unterhalten sollte, entbrannte eine neuerliche Grundsatzdiskussion.

„In die 30er-Jahre sollten und dürfen wir das Projekt nicht verschieben.“ Norbert Lumbe, SPD-Stadtrat
„In die 30er-Jahre sollten und dürfen wir das Projekt nicht verschieben.“ Norbert Lumbe, SPD-Stadtrat | Bild: Jarausch, Gerald
  • Die Verteidiger halten hinten dicht: Für Stadtrat Siegfried Lehmann (FGL) ist der Kunstrasenplatz kein zwingendes Unterfangen. Eine Dringlichkeit sehe er in dessen Umsetzung nicht. „Der Mangel an Fußballplätzen ist nur im Winter zu erkennen, sonst haben wir genügend Kapazität“, betont er. Dies ergebe der Sportentwicklungsplan der Stadt. Ohnehin bringe das teure Projekt die finanziell angespannte Lage der Stadt in weitere Schieflage. Norbert Lumbe von der SPD versuchte die Erwartungen der Vereine ebenfalls zu dämpfen. Seiner Einschätzung nach könne keiner glauben, dass die Stadt in Zeiten der Krise 2020 einen Kunstrasenplatz realisieren kann. „Das gilt allerdings auch für viele weitere Projekte“, so Lumbe. Er erinnerte seine Gemeinderatskollegen dennoch daran, dass das Gremium den Vereinen den zweiten Platz zugesagt habe. „In die 30er-Jahre sollten und dürfen wir das Projekt nicht verschieben“, sagte er. Er betonte, dass das geplante Sportzentrum an der Mettnau weitere Priorität genießen müsse.
„Wenn der zweite Kunstrasenplatz nicht kommt, ist das eine Katastrophe.“ Axel Tabertshofer, IG Sport
„Wenn der zweite Kunstrasenplatz nicht kommt, ist das eine Katastrophe.“ Axel Tabertshofer, IG Sport | Bild: Becker, Georg
  • Auf dem Grün geht es schon mal eng zu: Am Rande der Ausschusssitzung wird deutlich, wie sehr der zweite Kunstrasenplatz bei den Fußballern in Radolfzell und den Ortsteilen benötigt wird. „Wenn der zweite Kunstrasenplatz nicht kommt, ist das eine Katastrophe“, betonte Axel Tabertshofer, Vorsitzender der IG Sport. Der Bedarf sei bei den Vereinen so groß, dass man sogar drei Kunstrasenplätze von 17 bis 22 Uhr fünfmal die Woche belegen könnte. „Mit mindestens zwei Mannschaften darauf“, springt ihm Michael Jentsch, Vorsitzender des SV Markelfingen, zur Seite. Die Vereine würden auf den zweiten Kunstrasenplatz schon seit rund zehn Jahren warten, sagt Jentsch. „Während der Planungsphase für den zweiten Platz war schon klar, dass dieser auch nicht ausreichen wird“, ergänzt Tabertshofer. Angesprochen darauf, ob sich Radolfzell nur als Musik- und Kulturstadt verstehe und den Sport außen vor lasse, antwortete er: „Es sagt keiner, dass Radolfzell keine Sportstadt ist. Aber manchmal würde ich mir im sportlichen Bereich mehr wünschen.“ 15 000 Mitglieder zählen die in der IG Sport vertretenen Vereine. „Gut ein Drittel der Radolfzeller ist damit in einem Sportverein„, so Tabertshofer. Und deren Wünsche müssen auch berücksichtigt werden.
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  • Der OB gibt sich als Schiedsrichter: „Der Sport erfährt in Radolfzell eine besondere Wertschätzung“, betonte Oberbürgermeister Martin Staab. Er hob hervor, dass die Vereine in die Erstellung des Sportentwicklungsplans stark miteinbezogen wurden. „Erklärtes Ziel des städtischen Sportentwicklungsplans war es, eine zusätzliche Stelle in der Verwaltung für die Sportkoordination zu schaffen. Dieses haben wir bereits erfolgreich umgesetzt, die Stelle ist seit Anfang 2018 besetzt“, so Oberbürgermeister Staab weiter. Eine solche Stelle sei nur in wenigen Kommunen eingerichtet. Was die Errichtung des Kunstrasenplatzes betreffe, so hat die Stadtverwaltung den Auftrag aus dem Gemeinderat erhalten und werde diesen, ausgerichtet an den aktuellen Beschlüssen, umsetzen.

Alleine der Bau des Platzes könnte die Stadt rund 1,6 Millionen Euro kosten

Drei Fakten zum geplanten zweiten Kunstrasenplatz:

  1. .Die Grobkostenprognose: Ein zweiter Kunstrasenplatz könnte die Stadt Radolfzell laut städtischer Stellungnahme rund 5,52 Millionen Euro kosten. „Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass neben den reinen Herstellungskosten unter anderem auch Kosten für die Umorganisation der Technischen Betriebe und durch die Umlegung der Zufahrt zur Bootswerft entstehen“, betont Nicole Stadach, Pressesprecherin der Stadtverwaltung Radolfzell. Bei den genannten Beträgen handle es sich lediglich um eine Grobkostenprognose. Der Bau des Kunstrasenplatzes steht in dieser Prognose mit rund 1,6 Millionen Euro zu Buche und stellt den größten Einzelposten dar. Hinzu kommen folgende prognostizierten Kosten: die Umorganisation der Technischen Betriebe und die Verlegung der Zufahrt Richtung Bootswerft (rund 560 000 Euro), die Sanierung und Verkleinerung des Rasenplatzes (rund 730 000 Euro), der Bau von Umkleidekabinen (rund eine Millionen Euro), die Sanierung des bestehenden Kunstrasenplatzes (rund 400 000 Euro) und die Sanierung des Mettnau-Stadions (rund 930 000 Euro).
  2. .Das Material: Laut städtischer Pressestelle wird die Verwendung von Kunststoffgranulat aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen momentan bei der weiteren Planung nicht weiterverfolgt. Welches System zum Einsatz komme, entscheide sich im Rahmen der weiteren Planungen. In diesem Zusammenhang werden auch die genauen Kosten ermittelt.
  3. .Kein Dach obendrauf: In der Sitzung des Ausschusses kam auch die Idee eines überdachten Platzes zur Aussprache. Allerdings steht man diesem Vorhaben in der Stadtverwaltung skeptisch gegenüber: „Ein Kunstrasenplatz ist ganzjährig bespielbar. Ein zusätzliches Dach ist kostenintensiv, bringt jedoch keinen erkennbaren Mehrwert. Deshalb wurde diese Variante nicht in die Planungen einbezogen“, so Stadach.