Nach dem Jubiläum ist vor dem Jubiläum. Nach den Feierlichkeiten zu 1300 Jahre Reichenau in diesem Jahr plant die Gemeinde für 2025 nun das Jubiläum 25 Jahre Welterbe. Denn es war am 30. November 2000, als das Welterbe-Komitee der Unesco auf der anderen Seite der Erde, im australischen Cairns, die Aufnahme der Insel Reichenau in die Welterbeliste beschloss.
Doch es werde nicht wieder ein so umfangreiches Veranstaltungsprogramm geben wie im vergangenen Jubiläumsjahr, erklären Geschäftsführer Karl Wehrle und Kulturreferentin Stefanie Schreiber vom Eigenbetrieb Kultur, Marketing, Tourismus. „Wir haben ein lebendiges, schönes Programm geplant unter dem Motto ‚Unser Welterbe‘“, so Schreiber.
Das Motto sei bewusst gewählt, weil das Thema mit allen Bürgern zu tun habe. Wehrle erklärt, es solle versucht werden, das Welterbe den Reichenauern noch besser vertraut zu machen und das Thema neu in der Gemeinde zu positionieren.
Museumsfest, Vorträge und Klostermarkt
Der kleine Feierreigen werde mit einem Museumsfest am 18. Mai, dem Internationalen Tag des Museums, beginnen. „Es soll ein Fest für alle sein“, so die Kulturreferentin. Geplant seien verschiedene Aktionen. Und wie früher beim Museumsfest des Museumsvereins soll dabei auch wieder das historische Backhaus aktiviert werden. Ein Welterbe-Wochenende sei dann am 31. Mai/1. Juni vorgesehen, so Schreiber.
Zum einen werde es am 1. Juni einen offiziellen Festakt geben – das ist der Welterbe-Tag der Unesco, der 2025 unter dem Motto „Vermitteln, verbinden, begeistern“ stehe. Zudem solle an diesem Wochenende der Klostermarkt beim Münster nachgeholt werden, der im September ausfallen musste. Bei diesem Bürgerprojekt sollen Reichenauer Produkte wie Gemüse, Fisch und Wein angeboten werden. Überdies sei geplant, dass sich die Reichenau 2025 auch am Tag des offenen Denkmals am 14. September beteilige.
Ferner sollen das ganze Jahr über spezielle Führungen zum Thema Welterbe angeboten werden. Und übers Jahr verteilt seien fünf bis sechs Vorträge geplant, erklärt Schreiber. Darin solle es zum einen allgemein um die Bedeutung, Intention und internationale Dimension des Welterbes gehen. Dann darum, welche Formen des Welterbes es gibt – zum Beispiel auch Naturerbe oder Weltdokumentenerbe, wozu die wertvollen Prachthandschriften aus der Reichenauer Malerschule des Mittelalters gehören. Und schließlich solle es um die Reichenau selbst gehen, also warum die Insel Welterbe ist.
Zum Abschluss der Vortragsreihe soll der Reichenauer Historiker Gert Zang darauf eingehen, wie die Reichenau Welterbe werden konnte. Denn Anfang des 19. Jahrhunderts, als der badische Staat in den Besitz der Kirchengüter kam, wurden viele Kirchen und andere Gebäude abgerissen und Besitztümer verkauft. Selbst das Münster und die St. Peter-und-Paul-Kirche stand zeitweise zur Disposition. Für die anderen Vorträge sei sie noch auf der Suche nach passenden Referenten und hierfür in Kontakt mit der Deutschen Welterbe-Kommission und dem Landesamt für Denkmalpflege, sagt die Kulturreferentin.
Das komplette Programm werde es noch in gedruckter Form als Flyer geben. Zur äußeren Darstellung des Jubiläums seien neue Flaggen in Planung – mit unterschiedlichen Bildmotiven von der Reichenau und den Kirchen mit dem Schriftzug „Unser Welterbe“. Wehrle fügt hinzu, die Vielfalt der Insel solle damit dargestellt werden. Den Bürgern werde vermittelt: Alle gehören dazu. So wie das ja auch bei der gelebten Tradition an den Inselfeiertagen der Fall sei.
Die offizielle Kurzbegründung der Unesco zur Aufnahme der Reichenau in die Welterbe-Liste hatte übrigens folgenden Wortlaut: „Die Klosterinsel ist ein herausragendes Zeugnis der religiösen und kulturellen Rolle eines großen Benediktinerklosters im Mittelalter. Die gut erhaltenen Kirchen der Insel bieten anschauliche Beispiele der klösterlichen Architektur vom 9. bis 11. Jahrhundert. Die sorgfältig restaurierten Wandmalereien zeigen die Reichenau als künstlerisches Zentrum mit großer Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte des 10. und 11. Jahrhunderts.“
So wurde die Insel zum Weltkulturerbe
Wobei die Anfangsjahre recht mühsam gewesen seien, wie sich Karl Wehrle erinnert. Den Antrag formuliert und gestellt hatte das Denkmalamt Baden-Württemberg. Anders als heutzutage seien dabei die Bürger nicht einbezogen gewesen, und auch „die Gemeinde selbst war wenig eingebunden“. Von der Formulierung des Antrags bis zur Ernennung sei es immer ein mehrjähriges Verfahren. „Wir haben nur im Hintergrund mitbekommen, dass sich etwas tut.“
Zugleich habe es im Gemeinderat Vorbehalte gegeben. „Man hatte Angst, dass über die Reichenau eine Käseglocke gestülpt wird. Der Begriff ist wirklich gefallen, und dass man dann nichts mehr verändern dürfe“, erinnert sich Wehrle. Der damalige Bürgermeister, Volker Steffens, und er hätten im Vorfeld versucht, diese Zweifel auszuräumen. „Welterbe ist ein lebendiger Prozess“, betont er. Zumindest, wenn es wie im Fall der Reichenau um eine Kulturlandschaft und nicht nur um ein Denkmal gehe.
Kurios und heute kaum vorstellbar: Die Verantwortlichen in der Gemeinde wussten gar nicht, dass die Abstimmung über die Reichenau an jenem 30. November stattfinden würde, berichtet Wehrle. „Und plötzlich ruft mich der Bürgermeister an, er habe gerade im Radio gehört, dass wir jetzt Welterbe sind.“ Eine offizielle Mitteilung habe es da noch nicht gegeben. So habe man sich gar nicht auf diesen Tag vorbereiten können.
Noch während er mit dem Bürgermeister mit einem Glas Sekt angestoßen habe, seien schon die ersten Anrufe von Journalisten gekommen, die wissen wollten: Was macht ihr jetzt? Danach habe sich die Gemeinde jahrelang um mehr Unterstützung des Landes bemühen müssen, bis es endlich 1 Million Euro von der Landesstiftung zum Bau der 2007 eröffneten Museen gab. Heute nehme sich das Land erfreulicherweise mehr des Themas Welterbe an und sei sich seiner Verantwortung bewusster.