Gerade in kleinen Orten lebt die Gemeinschaft vom Ehrenamt, von engagierten Menschen, die ihre Zeit und Kraft opfern, um sich für die Allgemeinheit einzusetzen. Wir stellen drei weitere dieser Ehrenamtlichen vor.

Nicole Peters schlägt viel Dankbarkeit entgegen

Die 27 Jahre alte Nicole Peter lacht: „Das ist eine Reichenauer Krankheit.“ Sie meint das ehrenamtliche Engagement in Vereinen. Die gelernte Erzieherin ist gleich in fünf davon. Vor allem aber setzt sie sich als Bereitschaftsleiterin und Leiterin der Helfer vor Ort beim Reichenauer Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes ein. Sie gehört dem DRK seit 2017 an und ist Einsatzkraft, Ausbilderin und Planerin.

Nicole Peter ist für den Ortsverein Reichenau des Deutschen Roten Kreuzes im Einsatz. „Mir würde etwas fehlen ohne meine Vereine“, sagt sie.
Nicole Peter ist für den Ortsverein Reichenau des Deutschen Roten Kreuzes im Einsatz. „Mir würde etwas fehlen ohne meine Vereine“, sagt sie. | Bild: Rindt Claudia

Nicole Peter ist als Sanitäterin auf Festen unterwegs. „Viele kommen auf uns zu.“ Es gehe dann zum Beispiel um das Versorgen von Wunden oder das Kühlen von Insektenstichen. Manchmal ahne sie schon, dass ein Träger von Flip-Flops bald einer ihrer Patienten sein wird. Beim Reichenauer Weinfest etwa sammelten sich viele Scherben. So eine Zehensandale aus Gummi schütze in der Regel nicht vor Schnittverletzungen. Oft seien sie auf Festen in der beobachtenden Position. „Man sieht Konflikte im Entstehen.“ Diese zu schlichten sei aber die Aufgabe der Sicherheitskräfte oder der Polizei.

Manchmal ist sie einfach nur für andere da, etwa bei den Großbränden in Konstanz und in Stockach. Die Helfer des DRK bauten Betten in einer Notunterkunft auf und dienten als Ansprechpartnerinnen. Man frage zum Beispiel, ob man Angehörige informieren solle, und unterstütze dabei, eine Lösung für die Unterkunft zu finden. Wie wichtig es ist, anderen beizustehen, zeige sich auch bei den ehrenamtlichen Helfern vor Ort. Diese überbrücken die Zeit, bis der Notarzt oder Rettungsdienst eingetroffen ist. „Das bringt viel Erleichterung.“

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Die Helfer sind präsent, sie zeigen die richtige Haltung bei einem Herzinfarkt, leiten die Reanimation ein oder verrücken Möbel, damit die Retter freie Bahn haben. Wie wichtig ein vertrautes Gesicht sein kann, habe sie selbst erlebt, als ihr Vater einmal Hilfe benötigte. Unter dem Strich erlebe sie viel Dankbarkeit und Wertschätzung für ihre Dienste.

Beim DRK Reichenau engagieren sich sieben Aktive. Nicole Peter sagt, man müsse für diese Aufgabe nur die Motivation haben, Menschen zu helfen. „Den Rest lernt man.“ Die Reichenauerin lebt derzeit weder auf der Insel noch auf dem Festland, weil sie dort mit ihrem Freund keine Wohnung findet. Sie hofft, dass dies nur vorübergehend ist. Wegen ihres Engagements ist sie sowieso ziemlich oft auf der Insel. „Mir würde etwas fehlen ohne meine Vereine. Ich bin niemand, der am Abend auf dem Sofa liegt.“

Sabine Geisert war die erste Frau in der Reichenauer Feuerwehr

Manchmal macht Sabine Geisert die Gleise sauber – auch das Beseitigen von Blutspuren gehört zu ihren Aufgaben als Feuerwehrfrau. Weil die 47-Jährige erfahren ist, zeigt sie angehenden Helfern einfühlsam alle Aufgaben an so einer Unfallstelle. Oft sagt sie: „Komm, wir machen das zusammen.“ Trotz dieser traurigen Momente sagt Geisert, sie gehe mit Leidenschaft dem Feuerwehrdienst nach. Sie kämpfte sogar darum, dass sie das als erste Frau auch auf der Reichenau machen konnte.

Sabine Geisert sagt: Von dramatischen Lagen bleiben die Gedanken und Gerüche. „Ich weiß, die kommen – aber die gehen auch wieder.“
Sabine Geisert sagt: Von dramatischen Lagen bleiben die Gedanken und Gerüche. „Ich weiß, die kommen – aber die gehen auch wieder.“ | Bild: Rindt Claudia

Sabine Geisert stieß schon als 14-Jährige zur Feuerwehr. Als sie im Jahr 2007 aus dem Fränkischen auf die Insel Reichenau kam, war sie in diesem Metier voll ausgebildet und wollte sich selbstverständlich weiter engagieren. Doch damals gab es bei der Feuerwehr Reichenau noch keine Frauen.

Als die heute 47-Jährige zu Besuch bei der Wehr war, hatte dort jemand Schwierigkeiten mit seinem Atemschutzgerät. Geisert bot an, zu helfen – denn sie ist gelernte Atemschutzträgerin und hat außerdem Ausbildungen zur Notfallseelsorgerin und Feldköchin absolviert. So machte sie auf sich aufmerksam und löste eine Riesendebatte aus. Dürfen auch Frauen bei der Feuerwehr mitmachen?

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Damals habe sie noch beweisen müssen, dass sie richtig zupacken kann. Inzwischen sei das Geschlecht kein Thema mehr. Bei Einsätzen müssten sich die Helfer blind vertrauen. Auch bei der Kameradschaft werde kein Unterschied gemacht. Die Aufgaben der Wehr sind vielfältig: Beim Weinfest sorgt sie dafür, dass es auf dem Schiffssteg geordnet zugeht, bei Inselfeiertagen macht sie die Absperrungen, sie wird für Türöffnungen, zu Bränden und zu Suiziden gerufen.

Wenn Sabine Geisert bei der Nachwuchsarbeit sieht, wie Achtjährige sich mit leuchtenden Augen den Aufgaben bei der Feuerwehr nähern, macht ihr das Freude und gibt ihr Kraft. Mit einigen ihrer Vertrauenspersonen kann sie auch über schwere Einsätze reden. Sie sagt: Von dramatischen Lagen bleiben die Gedanken und Gerüche. „Ich weiß, die kommen – aber die gehen auch wieder.“ Die Feuerwehr gehöre zum Ortsleben dazu, so die Heilerziehungspflegerin am Zentrum für Psychiatrie (ZfP). Ohne sie und die anderen Vereine wäre dieses ganz schön arm.

Irene Strang setzt sich für den Erhalt der Natur am Bodensee ein

Irene Strang muss sich oft in Geduld üben. Manchmal dauert es Jahre, bis etwas umgesetzt wird, was ihr Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert. Mehr als drei Jahre lang habe ihre Gruppe angemahnt, dass Bauschutt am Kindlebildbach wegkommt. Jetzt ist die Vorsitzende der Ortsgruppe Reichenau froh, dass dies geschieht und die Gemeinde den Grünstreifen pflegt.

Ist sie frustriert, angesichts der langen Zeit? Irene Strang lacht: „Allein hält man das nicht durch, aber man schafft das in der Gruppe. Wir machen uns gegenseitig Mut.“ Die 60 Jahre alte Irene Strang engagiert sich seit 1985, also ein Jahr nach der Gründung, im Vorstand des BUND Reichenau und übernahm vor langer Zeit den Vorsitz.

Irene Strang sagt: „Allein hält man das nicht durch, aber man schafft das in der Gruppe. Wir machen uns gegenseitig Mut.“
Irene Strang sagt: „Allein hält man das nicht durch, aber man schafft das in der Gruppe. Wir machen uns gegenseitig Mut.“ | Bild: Rindt Claudia

Irene Strang sagt, die Liebe zur Natur habe sie zum BUND gebracht. Sie setzt sich seit Jahrzehnten für den Erhalt der Bodenseelandschaft und der Artenvielfalt ein und macht das nicht nur vom Schreibtisch aus: „Ich habe schon viele Gabeln mit Mähgut herausgetragen und Goldruten ausgerissen.“

Ohne die regelmäßige Mahd der Riedwiesen und das Zurückdrängen der Goldruten würde es Naturschätze wie die sibirische Schwertlilie, Orchideen oder den Wiesenknopf nicht geben. Sie würden überwuchert werden von Schilf, Büschen, Sauergräsern und Goldruten. In der Natur zeige sich auch, wie sensibel Gebiete auf Veränderungen reagieren: „Die Leute müssen verstehen, wie komplex die Dinge ineinander greifen.“

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Die ersten Lebensjahre verbrachte Irene Strang auf der Insel Reichenau, dann zogen die Eltern in die Waldsiedlung, wo sie noch heute lebt und als freiberufliche Biologin arbeitet. Sie agiert völlig anders als Klimaschützer, die sich auf die Straße kleben. Sie könne zwar den Frust der jungen Leute über die langsamen Prozesse verstehen, sie selbst gehe aber einen anderen Weg. Und der wäre?

Sie sagt: Das Gespräch suchen, den respektvollen Umgang pflegen, die Vor- und Nachteile aufzeigen und dran bleiben. „Man muss die Leute mitnehmen.“ Hand aufs Herz, ist sie nicht manchmal frustriert, weil alles so langsam und zäh geht? Ja, ein bisschen, sagt Irene Strang, aber verzweifelt sei sie nie. „Dafür bin ich ein zu optimistischer Mensch.“ Ihr Lebensmotto lautet: „Jammern hilft null.“ Da packe sie lieber selbst an.

Alles, was Sie über Reichenau wissen müssen

  • Kreis: Konstanz
  • Fläche in ha: 1271
  • Einwohner: 5270
  • Einwohner pro km²: 415
  • Durchschnittsalter: 45,4 Jahre
  • Miete pro m² in Euro: 9,99
  • Kaufpreis für Wohnungen:
    5116,50 Euro pro Quadratmeter
  • Haus Kaufpreis pro m² in Euro: 6119,63
  • Pendler: 2249 ein, 1921 aus
  • Bildung: zwei Grundschulen
  • Bautätigkeiten: In den nächsten Jahren ist das Baugebiet Lindenbühl-West geplant. Dort soll Wohnraum für 1000 Menschen entstehen. Das Baugebiet umfasst acht Hektar. Allerdings: „Lindenbühl-West lag nun einige Zeit auf Eis, nachdem die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum unlukrativ geworden ist“, sagt Bürgermeister Wolfgang Zoll. Im Augenblick entstehe ein Wertgutachten, um die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu klären. Vom Ergebnis hänge dann die weitere Zeitplanung ab. Weitere Baugebiete sind nicht geplant.
  • Fernverkehr: nein
  • Regionalverkehr: ja
  • Nahversorgung: Supermärkte Vollsortiment (2), Lebensmittelgeschäfte mit rein regionalen Produkten (2), außerdem viele weitere Direktvermarkter und Hofläden
  • Schwimmbäder: Strandbad
  • Gastronomie: ja
  • Hausärzte: 4
  • Pflegeheime/Seniorenzentren: ja
  • Kitaplätze: Es gibt drei Kindertagesstätten: Haus der Störche (Ü3 halbtags – 56 Plätze; Ü3 VÖ* – 50 Plätze), Käppele (U3/Ü3 gemischt halbtags – 49 Plätze; U3/Ü3 gemischt ganztags – 80 Plätze; U3 ganztags – 10 Plätze), Kinderinsel Weiler (U3 halbtags – 10 Plätze). Keine genauen Angaben zu Betreuungsquoten, diese steigt laut Gemeinde aber „mit fortschreitendem Kindergartenjahr kontinuierlich an und erreicht in der Regel im Frühjahr mit der Belegung aller Plätze seinen Höchststand.“ [*verlängerte Öffnungszeiten]
Bild 4: So machen wir die Reichenau besser: Drei Frauen über Dankbarkeit, Engagement und Zusammenhalt
Bild: Kerstan