Die Elterngebühren für die Kinderbetreuung werden nun auch in der Gemeinde Reichenau deutlich angehoben. Je nach Betreuungsumfang liegt die Erhöhung zum 1. Januar bei 11 bis 18 Prozent. Ab September 2024 kommen dann noch einmal sechs bis neun Prozent hinzu. Das hat der Gemeinderat allerdings mit acht zu sechs Stimmen denkbar knapp entschieden.
Die Elternbeiräte der Kindertagesstätten Weiler und Käppele hatten in ihrer Stellungnahme aufgrund der ihrer Meinung nach „nach wie vor kritischen Betreuungssituation quer über die Einrichtungen hinweg“ um eine Verschiebung der Erhöhung gebeten. Das hatte der Rat vor einem Jahr gemacht – und die Freie Liste Natur (FLN) nun erneut beantragt.
Wobei die Gebührenerhöhung diesmal weniger ein Streitpunkt war. Die FLN sowie andere Räte und Eltern kritisierten vielmehr die Informationspolitik und das Vorgehen der Verwaltung. Vor einem Jahr war es durch den Personalmangel zu Einschränkungen bei den Öffnungszeiten, teilweise gar zu Schließungen von Gruppen oder zu Schließtagen gekommen.
Personal- und Energiekosten steigen stetig
Bürgermeister Wolfgang Zoll und Kämmerin Bettina Meier begründeten die Erhöhung mit den stetig steigenden Kosten vor allem für das Personal, ab 2024 zudem für Energie. Der Bürgermeister sagte: „Was hier vorgeschlagen ist, ist eine lineare Anpassung. Die Erhöhung ist maßvoll und berechtigt.“
Zum Thema Personalsuche sagte er: „Die Personalsituation ist nicht gänzlich gelöst, aber deutlich entspannt. Das eigentliche Problem ist der Fachkräftemangel.“ Letztlich müsse die Gemeinde ihre Einnahmenseite verbessern, denn ohne funktionierenden Haushalt sei keine Besserung möglich.
Kämmerin Meier meinte: „Es ist kein Reichenauer Problem, es ist ein bundesweites.“ Krankheitsbedingte Ausfälle werde es zudem immer geben. Wobei Zoll und Meier betonten, die Erhöhungen gelten nur für die Kindertagesstätten, nicht in den Krippen, weil dort die Personalsituation noch kritisch sei.
Hauptamtsleiter Mario Streib kündigte an, dass es ab 1. Januar weitere Mitarbeiterinnen in der Kita Weiler und der Krippe Lindenbühl geben werde. „Personell sind wir auf einem sehr guten Weg“, meinte Streib. Doch die Insel habe den Standortnachteil der Erreichbarkeit und des fehlenden bezahlbaren Wohnraums gegenüber anderen Kommunen.
Eltern kritisieren nicht berücksichtigte Probleme
Die Elternbeiräte monierten in ihrer Stellungnahme zum einen, dass sie sehr kurzfristig von der Verwaltung darüber informiert worden seien, dass nun die Erhöhung auf der Tagesordnung stehe. Deshalb sei es „nicht möglich, auf akute Problempunkte explizit einzugehen“.
Die Gebührenerhöhung könne man so nicht billigen. Die Verwaltung habe zwar durch einige Maßnahmen die Probleme entschärft, doch die Situation stelle sich so dar, „dass sich im Lauf des vergangenen Jahres die Problemschwerpunkte lediglich zwischen den Einrichtungen verlagert haben und auch vermutlich je nach Personalsituation weiterhin verlagern werden, nicht jedoch generell und nachhaltig gelöst werden konnten.“ Die Elternbeiräte forderten daher wenigstens eine Verschiebung der Erhöhung bis nach einer nächste Woche geplanten Gesprächsrunde.
Einige Eltern äußerten sich in der Bürgerfragestunde ähnlich. Die FLN beantragte die Verschiebung, was aber mit elf zu drei Stimmen abgelehnt wurde. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Erhöhung der Gebühr“, sagte FLN-Rat Gabriel Henkes. Aber es sei vor einem Jahr beschlossen worden, dass eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die sich mit den strukturellen Problemen befasst. Dabei gehe es auch um die Satzung über Kinderbetreuung.
Wer entschädigt die Eltern bei Ausfällen?
Die Leistung der Gemeinde müsse klar definiert werden. Was passiere, wenn diese Leistung wegen Personalmangels oder Krankheit nicht erbracht werden könne? Eltern, die von ihren Arbeitgebern eine Bescheinigung vorlegen müssten, um eine Betreuung zu erhalten, seien damit auch in der Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber. „Da muss man mit den Eltern zu einer vernünftigen Lösung kommen“, so Henkes. „Inhaltliche Diskussionen müssen geführt werden, bevor es ums Geld geht.“
Eine mangelhafte Kommunikation warfen der Verwaltung auch Stefan Schmidt (FW) und Berndt Wagner (CDU) vor. Es müsse erst mit den Eltern geredet werden, meinte Wagner. „Dann sieht man die gegenseitigen Befindlichkeiten. So viel besser sind die Dinge nicht geworden.“ Und CDU-Rat Matthias Graf sagte, wenn die Betreuung ausfalle, müsse das zurückerstattet werden.
Der Bürgermeister erklärte, die Verwaltung werde die Satzung auf eventuell nötige Änderungen überprüfen. Darüber soll der Rat zu einem späteren Zeitpunkt befinden. Aber die Verwaltung sei nicht untätig. Man spreche mit den Beteiligten über die Konzeption und Änderungen und bemühe sich um Personal. Durch die im Frühsommer beschlossene Verkürzung der Öffnungszeiten von 17 auf 16 Uhr habe das Personal zudem mehr Spielraum.
Erste Erhöhung seit fünf Jahren
Kämmerin Meier verwies zur Begründung der Erhöhung darauf, dass es seit Januar 2018 keine gegeben habe – auch wegen Corona. Die Kommunalverbände und Kirchen würden einen Kostendeckungsgrad der Betreuung durch Elterngebühren von 20 Prozent empfehlen. Da liege Reichenau weit darunter. Ohne Erhöhung läge man bei 9,8 Prozent, mit den nun beschlossenen Erhöhungen (inklusive September) komme man auf circa 12 Prozent. Die Gemeinde müsse dennoch ein Defizit von rund 1,5 Millionen Euro tragen.
FW-Rat Armin Okle sagte: „Die Erhöhung ist kein Luxus für die Gemeinde.“ Alle anderen Kommunen würden mehr verlangen. Zudem werde es auch in den Kindereinrichtungen in absehbarer Zeit Investitionen für Sanierungen geben müssen. „Das heißt nicht, dass alles gut ist“, aber: „Man muss sich auch vom einen oder anderen Luxusthema verabschieden. Es kommen härtere Zeiten auf uns zu.“ Er bezweifle, dass noch einmal eine Betreuung wie vor ein paar Jahren möglich sein werde.
Ralf Blum (CDU) schloss sich weitgehend an. Die flexible Betreuung sei nach wie vor ein gutes Angebot für Eltern. „Wir bewegen uns auf hohem Niveau.“ Doch Blum kritisierte, dass Baden-Württemberg mittlerweile das einzige Bundesland sei, wo nicht wenigstens ein bestimmter Zeitraum der Kinderbetreuung für die Eltern kostenlos sei.