Eine Reaktivierung der Bahnstrecke Singen-Etzwilen oder sogar bis Stein am Rhein wäre machbar und wirtschaftlich rentabel, das sagt die Machbarkeitsstudie. Doch ist sie sinnvoll und vor allem für die Kommunen bezahlbar? Bürger diskutierten das mit den beiden Auftraggebern, das sind die Stadt Singen und die Gemeinde Rielasingen-Worblingen, und Fachleuten in der Talwiesenhalle.

Dabei äußerten vor allem Anwohner ihre Bedenken zum Thema Lärmbelästigung und Sicherheit. Es gab aber auch Befürworter. Jonas Kiefer aus Rielasingen plädierte beispielsweise dafür, dem Projekt eine Chance zu geben, „wenn wir wollen, dass wir uns klimafreundlicher fortbewegen“.

Erst müssen sich die Gemeinderäte entscheiden

„Es wird ein Prozess, der sich über Monate und Jahre hinzieht, und wir werden dabei immer wieder das Gespräch mit den Bürgern suchen“, erklärte Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler zu Beginn der Diskussion. Doch zunächst stehe eine Entscheidung in den beiden Gemeinderäten an, ob das Projekt weiterverfolgt werden soll. Ralf Baumert sagte als Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen, man wolle, entgegen mancher Vorwürfe, den Prozess transparent gestalten und veranstalte deshalb den Informations- und Diskussionsabend.

Sie diskutieren in der Talwiesenhalle mit den Bürgern (v.L.) Yannik Beutel (NVBW), Moritz Link (Verkehrsministerium), Bürgermeister Ralf ...
Sie diskutieren in der Talwiesenhalle mit den Bürgern (v.L.) Yannik Beutel (NVBW), Moritz Link (Verkehrsministerium), Bürgermeister Ralf Baumert, OB Bernd Häusler, Stephan Kroll und Manuel Hornig (Traffic Solutions). | Bild: Weiß, Jacqueline

Mit dabei waren Stephan Kroll und Manuel Hornig vom Verkehrsplaner Traffic solutions, die die Machbarkeitsstudie erstellt haben, Moritz Link im Verkehrsministerium des Landes zuständig für Reaktivierungen und Yannik Beutel von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW).

Verkehrsplaner: Strecke bietet sich an

Verkehrsplaner Stephan Kroll erklärte die Machbarkeitsstudie und die beiden Möglichkeiten einer Reaktivierung. In der ersten Variante wird die S-Bahn 62 von Schaffhausen nach Ramsen, in der zweiten die S-Bahn 29 von Winterthur nach Stein am Rhein verlängert. Beide S-Bahnen werden von der Schweizer SBB betrieben.

Die Strecke, so Krolls Einschätzung, biete sich für eine Reaktivierung geradezu an, weil sie noch intakt sei, und auch eine Verlängerung nach Etzwilen oder Stein am Rhein betrachtet er als sinnvoll. Derzeit fährt ein paar Mal im Jahr die Museumsbahn. An den Schienen und im Gleisbett wären nur kleinere Arbeiten nötig. Dann müssten noch die Haltepunkte, Schranken und Übergänge sowie eine Oberleitung gebaut werden.

Moritz Link vom Verkehrsministerium stellte die Fördermöglichkeiten vor, die vom Bund bis zu 90 Prozent der Investitionskosten und bis zu 10 Prozent für die Planungskosten betragen könnten. Das Land trägt zusätzlich 57 Prozent der verbleibenden Kosten, etwa 10 Prozent müssten dann die Kommunen aufbringen.

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Yannik Beutel (NVBW) beschrieb den Ablauf des Verfahrens: Das Projekt befinde sich in der ersten Phase und bis zur Realisierung könne es zehn bis 15 Jahre dauern. Zuhörer Martin Scheidemann aus Rielasingen wollte wissen, warum das für eine so kurze Strecke von rund 13 Kilometer so lang dauere. „Ein Großteil des Verfahrens machen Planungs- und Genehmigungszeiten aus“, erklärte Beutel.

In der Diskussion meldeten sich vor allem viele Anwohner zu Wort, die ihre Bedenken und Befürchtungen äußerten, was Lärm und Sicherheit angeht. Darunter waren auch die Vertreter der Bürgerinitiative RiWo-Bahn. Sie halten eine Reaktivierung für unwirtschaftlich und umweltschädlich.

Lärm und Staus in der Georg-Fischer-Straße?

Anke Schlums aus dem Singener Süden ist ebenfalls Anwohnerin mit Blick auf die Bahngleise, aber gehört nicht zu der Initiative. Da ein Haltepunkt Eisvogel geplant sei, mache sie sich Sorgen wegen der Autos, die rund um den Haltepunkt dann im Wohngebiet parkten, und wegen der Lärmbelästigung durch den Zugverkehr, sagte sie.

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Sie ist auch der Meinung, dass sich Staus auf der viel befahrenen Georg-Fischer-Straße bilden werden, wenn am Obi-Kreisel wegen des Zuges die Bahnschranken heruntergingen. Mit der Ruhe in ihrem Wohnviertel sei es dann vorbei.

Das müsse alles beachtet und untersucht werden, erklärte OB Bernd Häusler, der selbst an der Bahnlinie in der Südstadt mit Güterverkehr auch bei Nacht aufgewachsen sei, wie er berichtet. Die beiden Bürgermeister seien dankbar für alle Argumente und Hinweise.

Kommunen können das nicht leisten

SPD-Landtagsabgeordneter und Stadtrat Hans-Peter Storz sprach die Finanzierbarkeit an. Trotz erheblicher möglicher Förderungen müssten Stadt und Gemeinde erst einmal viel Geld für die Planung in die Hand nehmen. „Wir schauen gerade, wo wir überall sparen können, warum übernimmt nicht das Land die Planung?“, fragte er.

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Wenn alle Förderungen gewährt würden, müssten die beiden Kommunen bei Gesamtkosten von rund 20 Millionen Euro am Ende noch 2 Millionen Euro selbst tragen, erklärte Link. Doch auch das Land müsse sparen und könne deshalb nicht unbegrenzt Kosten übernehmen.

Aus dem Publikum meldeten sich auch zwei Schweizer Bürger zu Wort: Markus Nyffeler, Gemeinderat der Gemeinde Wagenhausen, zu der auch Etzwilen gehört, erteilte der Bahnreaktivierung von Schweizer Seite aus eine deutliche Absage. Die Schweiz habe keinerlei Interesse an einer Reaktivierung und sehe kein Potenzial für einen Personenzugverkehr zwischen Ramsen und Stein am Rhein. Das habe er im Gespräch mit Vertretern der Kantone Schaffhausen und Thurgau erfahren. Ramsen sei sehr gut mit dem Bus an Stein angebunden. „Das ist reine Utopie und die Studie ist das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben ist“, lautete sein Urteil.

Will die Schweiz mitmachen oder nicht?

Verkehrsplaner Kroll erklärte, dass man auch mit den Kantonen gesprochen habe und keine so deutliche Ablehnung erlebt habe: „Vielleicht haben wir mit anderen Vertretern gesprochen.“ Bürgermeister Baumert und OB Häusler wollen im Dezember mit der Schweiz ins Gespräch kommen. Yannik Beutel (NVBW) erklärte, dass in einem der nächsten Schritte geklärt werden müsse, ob sich die Schweiz beteiligen wolle.

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Es gebe bei der Diskussion aber auch eine andere Stimme aus der Schweiz, erklärte Thomas Feer von der IG Etzwilerlinie, die einen Halbstundentakt der S 29 erreichen will. „Mein Herz schlägt für den öffentlichen Nahverkehr und es ist eine Schande, dass die Strecke nach Etzwilen brachliegt“, sagte er. Seine Frage war, ob sich die Strecke nicht auch gut in den Bodensee-Tourismus einbinden ließe. Die Bodenseeregion sei tatsächlich von S-Bahn-Verbindungen umgeben und die Strecke wäre ein weiterer Baustein, erklärte Verkehrsplaner Kroll.