In einem Zug von Rielasingen bis Mengen – mit dieser Vision fuhr am Samstag im Rahmen des Tags der Schiene eine Gruppe von rund 70 Interessierten, darunter viele Vertreter aus Politik und anderen Gremien, auf Strecken, die reaktiviert werden sollen. Eingeladen hatten der Förderverein Ablachtalbahn sowie der Verein zur Erhaltung der Bahnlinie Etzwilen-Singen (VES), um das Projekt „Seehäsle 2.0“ vorzustellen.

Auf dem Gleis 5 am Singener Bahnhof wartete dafür am Samstag ein ganz besonderer Zug. Zur Begrüßung der Gäste standen neben Lokführerin Sabine Möller auch einige Helfer wie Franz Friker und Rudi Stamm vom Verein zur Erhaltung der Bahnlinie Etzwilen-Singen bereit, um auf der ersten Etappe nach Rielasingen-Arlen an den Kreuzungen den Autoverkehr zu sichern.

Am Bahnhof in Rielasingen stellte sich die Gruppe vor dem Sonderzug zum gemeinsamen Foto.
Am Bahnhof in Rielasingen stellte sich die Gruppe vor dem Sonderzug zum gemeinsamen Foto. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Mit 25 Stundenkilometern nach Rielasingen

Vom Lokführerstand aus informierte Frank von Meißner, der zweite Vorsitzende des Fördervereins Ablachtalbahn, was an den stillgelegten Strecken auf der Sonderfahrt zu beachten ist. Weitere Fakten hatte Ralf Derwing, Co-Präsident der Initiative Bodensee-S-Bahn und federführender Organisator der Sonderfahrt, für die Gäste zusammengestellt.

Gemächlich ging es also zunächst mit 25 Kilometern pro Stunde nach Rielasingen und Arlen fast bis an die Schweizer Grenze. Normalerweise verkehrt auf dieser Strecke nur wenige Male im Jahr ein Museumszug des Vereins VES. Zurück über Singen fuhr der Sonderzug weiter nach Radolfzell, Stockach bis nach Mühlingen-Zoznegg, wo erst im Mai dieses Jahres ein Bahnsteig für Wochenendverkehr eingeweiht worden war.

Am Haltepunkt in Mühlingen-Zoznegg sprechen (von links) Frank von Meißner (Förderverein Ablachtalbahn), Severin Rommeler (Bürgermeister ...
Am Haltepunkt in Mühlingen-Zoznegg sprechen (von links) Frank von Meißner (Förderverein Ablachtalbahn), Severin Rommeler (Bürgermeister von Sauldorf sowie Vorsitzender des Fördervereins Ablachtalbahn) und Thorsten Scigliano (Bürgermeister von Mühlingen) darüber, wie es mit dem Reaktivierungsprojekt weiter geht. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

„Wir brauchen diese Verbindung“

In Mühlingen-Zoznegg erläuterten Severin Rommeler (Bürgermeister von Sauldorf und Vorsitzender des Fördervereins Ablachtalbahn) sowie Thorsten Scigliano (Bürgermeister von Mühlingen), warum eine Reaktivierung der Strecke Radolfzell-Stockach-Mühlingen viele Vorteile für die Bevölkerung haben wird. „Wir brauchen diese Verbindung definitiv, damit die ländliche Region nicht abgehängt wird“, sagte Scigliano.

Dass die Reaktivierung für den Förderverein Ablachtalbahn eine ganz hohe Priorität hat, zeigt auch die Tatsache, dass der Förderverein für die Sonderfahrt einen Betrag von über 8000 Euro in die Hand genommen und aufgrund der hohen Nachfrage einen zweiten Wagen dazu gebucht hat.

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Zugeinfahrt in Rielasingen am Tag der Schiene Video: Gehrmann-Röhm, Susanne

Ziel: Stundentakt zwischen Radolfzell und Mengen

Die letzte Reaktivierung einer Bahnstrecke liegt lange zurück: 1996 war der Südabschnitt der Hegau-Ablachtalbahn zwischen Stahringen und Stockach reaktiviert worden und wurde zu einem Musterbeispiel. Laut dem Förderverein Ablachtalbahn fahren mit dem Seehäsle inzwischen 3500 Fahrgäste pro Tag mit, prognostiziert worden seien einst 1500 Fahrgäste.

Nun möchte man das Seehäsle nach Norden hin bis nach Mengen sowie nach Süden hin bis Rielasingen verlängern. „Besondere Chancen bieten sich, wenn man die beiden Reaktivierungsprojekte der Etzwiler Bahn und der Ablachtalbahn miteinander verbinden würde“, erklären die Veranstalter um Frank von Meißner nach dem Tag der Schiene. So ergäben sich in der Organisation Synergieeffekte, vor allem würden aber die Fahrgäste profitieren. Die Vision: Wenn alles optimal verlaufen würde, könnten ab 2031/32 dann Züge im Stundentakt zwischen Radolfzell und Mengen/Ulm fahren.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (Bildmitte) und größere Gruppe der Jungen Union aus dem Landkreis waren ebenfalls bei der ...
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (Bildmitte) und größere Gruppe der Jungen Union aus dem Landkreis waren ebenfalls bei der Sonderfahrt dabei. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Das gesamte Projekt Ablachtalbahn werde rund 75 Millionen Euro kosten, wobei 95 Prozent durch Fördergelder abgedeckt wären. Frank von Meißner sprach deshalb von einem „Schnäppchen“, denn nur 10 Millionen Euro Eigenanteil würden die beteiligten Kommunen tragen müssen. Auch würde das Land dann den Zugverkehr bestellen.

Zusätzliche Haltepunkte in den Städten

Vorteile wären zusätzliche Haltepunkte, die in der Singener Südstadt, in Radolfzell-Herzen, Radolfzell-Altbohl und Stockach-Industriegebiet entstehen könnten. Mit der neuen Direktverbindung von Mühlingen nach Rielasingen könnten 42 Kilometer umsteigefrei gefahren werden.

Während der Sonderfahrt: Der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (links) und der grüne Landtagsabgeordnete Michael Joukov ...
Während der Sonderfahrt: Der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (links) und der grüne Landtagsabgeordnete Michael Joukov (rechts) im Gespräch mit Frank von Meißner von Förderverein Ablachtalbahn. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Die Strecke Singen–Stockach wäre dann ohne Umsteigen in 30 Minuten zu bewältigen und von Singen nach Rielasingen/Arlen würde es neun Minuten dauern. Auf den beiden zu reaktivierenden Strecken würden die gleichen Triebzug-Typen fahren, die sowohl mit Oberleitung als auch mit Batterien fahren können, erläuterte Ralf Derwing. Er hat außerdem die Hoffnung, dass die Schweiz den Rest der Strecke Etzwilen-Singen ebenfalls reaktiviert, um eine direkte Verbindung von Singen nach Winterthur zu haben.

Die grüne Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Singen, Saskia Frank zeigte sich nach der Fahrt angetan von den Plänen zur Reaktivierung und Verknüpfung der Bahnstrecken. „Die Aussicht auf durchgehende Verbindungen, neue Haltestellen und verkürzte Reisezeiten lässt auf eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs in unserer Region hoffen“, so Saskia Frank.

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„Es ist erklärter Wille des Verkehrsministers und der Regierungskoalition, für möglichst viel an Bahn-Reaktivierung zu sorgen. Daher auch das Angebot an die beiden Landkreise, welches man kaum ablehnen kann: bei der reaktivierten Strecke wird das Land die Zugfahrten bestellen und bezahlen“, erklärte Michael Joukov, bahnpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion nach der Fahrt.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz fordert ebenfalls ein klares Bekenntnis zum Schienenausbau im Kreis Konstanz. Der Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) betont in seiner Stellungnahme, dass die beiden geplanten Streckenaktivierungen nur erste Schritte sein können. Weitere Projekte ab 2030 wären laut VCD die Verlängerung des Seehas nach Tuttlingen und Donaueschingen oder das Projekt „Agglo-S-Bahn Konstanz-Kreuzlingen“.