Wenn die Kälte unerbittlich in die Klamotten kriecht, sollte niemand mehr draußen schlafen müssen. Davon sind die Verantwortlichen bei der Stadt Singen überzeugt und melden Erfolge: August 2016 waren noch 80 Menschen wohnsitzlos gemeldet, aktuell sind es 22. Doch die müssen nicht auf der Straße übernachten, sondern finden in einer der vier Obdachlosenunterkünfte einen warmen Platz. „Die Bürger müssen sich keine Sorgen machen“, erklärt Thomas Pöppel von der Abteilung Sicherheit und Ordnung. Viele der Obdachlosen finden außerdem innerhalb weniger Wochen oder Monate eine Wohnung – und das trotz der viel beschworenen Wohnungsnot. Dabei machen es die persönlichen Lebensgeschichten nicht immer einfach.
In Singen muss niemand auf der Straße leben. Es ist auch niemand bekannt, der das tut.
Vier Männer kümmern sich in Singen darum, dass Obdachlose wieder ein Obdach finden: Thomas Pöppel arbeitet mit Andreas Friedmann und Bruno Frese vom kommunalen sozialen Dienst zusammen, Torsten Kalb ist als Leiter des Fachbereichs Jugend, Soziales, Ordnung ebenfalls involviert. Und doch fasst Bürgermeisterin Ute Seifried zusammen, was sie leisten: Dass in Singen niemand auf der Straße leben muss. Über 100 Plätze in vier Einrichtungen gibt es. Die Stadt investiert rund 500 000 Euro pro Jahr in Gebäude und Personal. Doch die Auslastung „ist unheimlich erfreulich niedrig“, wie Thomas Pöppel sagt. Auch der Kälteschutzraum, der akut helfen soll, werde nur alle paar Wochen benötigt.

80 Prozent der Fälle haben negativen Schufa-Eintrag
Der Bedarf sei dennoch groß: „In meinem Büro schlagen jeden Tag neue Fälle auf“, schildert Andreas Friedmann. Häufig gehe es darum, den bestehenden Wohnraum um jeden Preis zu erhalten. „Schufa ist ein riesiges Problem“, sagt Bruno Frese, denn 80 Prozent seiner Fälle hätten Einträge bei der Schutzgemeinschaft der Kreditgeber (Schufa). Häufig sei Obdachlosigkeit nur die Spitze des Eisbergs: Bei vielen gehe es auch um Suchtprobleme, psychische Erkrankungen oder Altersarmut.
Wohnraumakquise-Modell brachte 20 Familien ein Zuhause
Eine große Hilfe bei der Suche sei das Wohnraumakquise-Modell, das bisher 20 Familien zu einem Heim verhalf. Dabei vermietet ein Eigentümer an die Stadt, die bei Problemen ansprechbar ist. Nach einem Jahr kann der Vertrag in einen regulären Mietvertrag mit den Bewohnern umgewandelt werden, was in den meisten Fällen geschehen sei. Dennoch sei der Markt von Wohnungen mit bezahlbaren Preisen heiß umkämpft, sagt die Bürgermeisterin. Und: „Was in Singen fehlt, sind kleinere Wohneinheiten“, sagt Torsten Kalb.
Die meisten Obdachlosen bleiben nicht einmal einen Monat
Wenn eine Wohnung nicht zu halten und keine neue zu mieten ist, ziehen Betroffene in eine der Obdachlosenunterkünfte. Seit Januar 2018 gab es 47 Zugänge. Die meisten davon (21) waren keinen Monat dort, die wenigsten (drei) bleiben über sechs Monate. „Notunterkünfte sind keine normalen Wohnungen“, erklärt Pöppel. Sie seien mit Einschränkungen verbunden, ein Zimmer ist zum Beispiel nur zehn Quadratmeter groß. Doch in Singen sei ihnen niemand bekannt, der permanent draußen schlafe. Aber: „Man kann keinen zu seinem Glück zwingen, der auf der Straße leben möchte“, sagt Thomas Pöppel. Wenn sich der Betroffene nicht selbst gefährde, könne er als Erwachsener selbst über sich bestimmen.
Wenn ein hilfsbedürftiger Obdachloser auffällt, ist die Stadt erreichbar unter Telefon (0 77 31) 85 620. Alternativ kümmert sich die Polizei.