Als Händler, Kesselflicker und Scherenschleifer reisten sie von Ort zu Ort, als Volksgruppe mit eigener Kultur wurden die Jenischen jahrhundertelang diskriminiert. Mit dem Theaterstück "Die Reis'" möchte der Singener Autor Gerd Zahner dazu beitragen, Vorurteile abzubauen. In einer Produktion des Stadttheaters Konstanz in Kooperation mit dem Kulturzentrum Gems kommt das Stück in der Scheffelhalle zur Aufführung, ein Ort, an dem Jenische früher ihre Wägen aufgestellt hatten. Premiere ist morgen um 20 Uhr.
"Das Stück ist ein Geschenk an die Jenischen", sagte Regisseur Mark Zurmühle bei der Medienkonferenz im Foyer der Scheffelhalle. Zahner erzähle auf anrührende und poetische Weise die Geschichte von Vater Jakob (Klaus Fischer) und seinem Sohn (Georg Mehlich), der als angesehener Jurist aus Frankfurt zurück in den Hegau kommt, um seinen todkranken Vater nach 25 Jahren wiederzusehen. Sie gehen nach jenischer Tradition noch einmal auf die "Reis", die aber nur in der Erinnerung stattfindet. "Es geht um das Leben, das beide nicht gemeinsam verbracht haben. Da ist in letzter Stunde etwas nachzuholen", erläuterte Zurmühle. Die Frage bleibe, inwieweit der Sohn sich in die jenische Tradition noch einfühlen kann.
Dramaturg Daniel Morgenroth sieht die Lebensweise der Jenischen verschwinden. Zahner habe ein geschichtliches Anliegen, das Stück sei aber nie belehrend. Nicht ohne Trauer und Melancholie zeige er am Beispiel von Vater und Sohn zwei Welten auf, die aufeinander prallen. Während des Nationalsozialismus verfolgt und umgebracht, leben die meisten Jenischen auch heute noch ausgeschlossen am Rande der Gesellschaft.
Damit bekommt das Thema auch eine politische Dimension. Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger (Grüne) sprach sich dafür aus, gerade in heutiger Zeit die Gedenkkultur zu pflegen und an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Für Kulturamtsleiterin Catharina Scheufele sind die Jenischen ein Stück Stadtgeschichte und könnten auch Teil des angedachten Museums der Singener Stadtgeschichte sein. "Aus naher Kenntnis der jenischen Kultur hat Zahner ein absolut authentisches Stück geschrieben", sagt Regisseur Zurmühle. Als wichtige Komponenten hat er Musik (Rudolf Hartmann) und Tanz (Sophia Foltin) eingefügt. Hartmann hat sich als Akkordeonspieler der Herausforderung gestellt und sich auf ein "Schwyzerörgeli" eingespielt, ein Instrument, das zur jenischen Kultur gehört.
Vom Band wird der Kinderchor der Wessenbergschule zu hören sein, darunter sind Kinder mit jenischer Abstammung. Möglich wurde die Aufführung durch Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bundesstiftung Demokratie leben! und die Kriminalprävention der Stadt Singen.
Stück Geschichte
In dem Theaterstück "Die Reis'" nimmt Autor Gerhard Zahner die Zuschauer mit auf eine Reise in die Welt der Jenischen. Sie sind Teil der Singener Geschichte. In einer Produktion des Stadttheaters Konstanz in Kooperation mit der Gems finden die Aufführungen in der Scheffelhalle statt. Premiere ist am Freitag, 5. Oktober, um 20 Uhr. Weitere Aufführungen: 6. und 7., vom 10. bis 15. und am 17. Oktober, jeweils um 20 Uhr. Woher die Jenischen kommen, was viele nach Singen führte und ein Portrait des Jenischen Alexander Flügler unter http://www.sk.de/8917768.