Herr Heim, als ehemaliger Bundespolizist halten Sie jetzt im Ruhestand für die Singener Kriminalprävention Vorträge zum Thema „Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln“. Wie kommen Sie dazu?

Ich bin nach 44 Jahren bei der Bundespolizei am 1. Juni 2019 in den Ruhestand gegangen und biete seit 1. Juli Vorträge zum Thema Sicherheit im Zug und Gewaltprävention an. Ich war ab 1998 Präventionsbeauftragter der Bundespolizei. Ich habe das gern gemacht und sehr viel positive Resonanz bekommen. Deshalb wollte ich nicht aufhören, mein Wissen weiterzugeben.

Wie kam es, dass Sie als Bundespolizist in die Prävention gegangen sind?

1998 gab es in Markelfingen am Bahnübergang einen schrecklichen Unfall, bei dem ein 16-jähriges Mädchen vom Zug erfasst wurde. Ich war damals bei der Unfallermittlung und habe das Mädchen im Gleis liegen sehen. Das vergisst man nicht und hat mich sehr betroffen gemacht, auch, weil eine meiner Töchter im gleichen Alter war. Ich habe mir überlegt, was man dagegen tun kann und die Bundespolizei hat mich in meiner Präventionsarbeit unterstützt. Ich habe seither 15 500 Kinder und Jugendliche unterrichtet und es gab zum Glück keine so schweren Unfälle mehr.

Sie haben jetzt ihren ersten Vortrag für die Kriminalprävention in Beuren vor Senioren gehalten. Was vermitteln Sie dort und wie kam es an?

Es waren 21 Senioren da und sie haben sich anschließend bei mir für den Vortrag bedankt. Ich gehe allgemein auf das Thema Sicherheit ein und darauf, wie ich mich zum Beispiel im Zug verhalte. Wichtig ist mir, das Bauchgefühl der Menschen zu stärken. Wenn man sich in einer Situation unwohl fühlt, dann sollte man das Gefühl ernst nehmen. Aber es gibt auch viele Rollenspiele und praktische Tipps, zum Beispiel, wo setze ich mich im Zug oder Bus am besten hin. Ich versuche, auf Augenhöhe mit den Menschen zu sprechen und auch mal einen Spaß zu machen, das kommt gut an.

Können Sie ein Beispiel für eine solche Situation nennen?

Ich steige in den Zug und da ist eine Gruppe Jugendliche, die vielleicht laut sind und ein bisschen rangeln. Das kann schon für ein Gefühl der Unsicherheit sorgen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich mich hier nicht wohlfühle und in ein anderes Abteil steigen sollte. Dann ist es wichtig, aus der Situation rauszugehen.

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Sie zeigen ja auch sehr anschaulich, wie sich Diebe verhalten.

Ja, ich habe im Namen der Prävention auch schon Trickdiebstähle begangen. Wenn zum Beispiel jemand am Bahnhof nach Wechselgeld fragt, ist es wichtig, Abstand zu halten. Das ist überhaupt immer wichtig. Diebe lenken einen mit Gesprächen ab, wollen dann in den Geldbeutel greifen und ziehen unbemerkt die Scheine mit raus. Das habe ich auch schon gemacht und die Leute waren erstaunt, dass sie nichts gemerkt haben. Deshalb sage ich immer, um so schwieriger es für Diebe ist, an die Wertsachen zu kommen, um so besser.

Ist es sinnvoll ein Pfefferspray, eine Schreckschusspistole oder einen Elektroschocker in der Tasche zu haben, um sich zu verteidigen?

Ich rate davon ab, weil der Schuss schnell nach hinten losgehen kann. Es kann passieren, dass man vom Opfer zum Täter wird. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine große Summe Geld abgehoben, ein Mann kommt auf Sie zu und sagt: „Geld her, ich habe ein Messer in der Tasche.“ Sie haben einen Elektroschocker, gehen auf den Mann zu und strecken ihn damit zu Boden. Sie rufen die Polizei, der Mann wacht aus seiner Bewusstlosigkeit auf und erzählt, dass Sie ihn mit dem Elektroschocker angegriffen haben. Ein Messer kann bei ihm nicht gefunden werden und es gibt Zeugen, die Ihren Angriff gesehen haben. Dann haben Sie ein Problem. Deshalb bin ich gegen Waffen. Es ist besser, sich mit dem zu verteidigen, was man hat: die Hände, einen Schlüssel oder der Regenschirm.

Sie sprechen das Thema Selbstverteidigung an. Ist es, provokant gefragt, sinnvoll, immer im Kampfmodus durch die Gegend zu laufen?

Es ist einfach so, dass durch das regelmäßige Training die Techniken wie ein Reflex ablaufen. Ich muss nicht mehr darüber nachdenken, was ich machen muss, wenn mich einer festhält. In erster Linie hebt das Training aber das Selbstvertrauen, dass man sich wehren kann, wenn was kommt. Je mehr Selbstbewusstsein ich ausstrahle, desto unwahrscheinlicher wird ein Angriff. Außerdem ist es ja grundsätzlich sinnvoll, Sport zu machen, es stärkt den Teamgeist und man kann anderen Menschen in Not helfen.

Können Sie selbst eigentlich noch völlig unbedarft durch die Stadt laufen?

Meine Frau sagt beim Einkaufen oft zu mir: „Schalt‘ bitte Deinen Polizeiblick ab.“ Ich bin durch die Erfahrungen, die ich gemacht habe, vorsichtiger geworden bin. Und ich sehe einfach, wenn sich einer komisch verhält.

Sie sind jetzt im Ruhestand, wie geht es Ihnen damit?

Das Schönste ist, dass ich jetzt Zeit habe und nicht mehr morgens 5 Uhr aufstehen und mit dem Zug nach Konstanz fahren muss. Außerdem kann ich meinen Hobbys nachgehen. Ich bin viel in der Natur unterwegs und habe meine Kamera dabei. Manche der Aufnahmen sind dann im SÜDKURIER zu sehen und ich freue mich, wenn andere daran Freude haben. Außerdem habe ich zum Beispiel mit einer Kamera an einer Drohne den Bau der Halle in meinem Heimatort Beuren dokumentiert und daraus ist ein kleines Buch entstanden.

Über Ihren Film, der den Biber in Beuren nachts in Aktion zeigt, haben sich besonders viele SÜDKURIER-Leser gefreut. Was gefällt Ihnen daran, in der Natur unterwegs zu sein?

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Man sieht und hört unheimlich viele Tiere, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Mit dem Auto sieht man gar nichts, mit dem Fahrrad weniger. Deshalb laufe ich lange Strecken. Ich kann auch nicht verstehen, wenn jemand mit dem Kopfhörern in der Natur unterwegs ist.

Fragen: Jacqueline Weiß