Trauer hat viele unterschiedliche Facetten und jeder Mensch trauert anderes. Doch wie unterscheiden sich Kinder und Jugendliche in ihrer Trauer von Erwachsenen? Und welche Hilfe brauchen Kinder in solchen Fällen? Diesen und viele weiteren Fragen gingen der Arbeitskreis Klinische Ethik (AKE) Singen, der Hospizverein Singen-Hegau Förderverein und die Krankenhausseelsorge am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen in einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Alles ist besser als Schweigen“ nach.
Als Erste an diesem Abend kam Tessa Sommer aus Singen zu Wort. Die 19-Jährige verlor vor dreieinhalb Jahren ihre Mutter. Im Gespräch mit Klinikseelsorgerin Waltraud Reichle ließ sie die Zuhörerinnen und Zuhörer im Turmsaal des Klinikums in bewegenden Worten an ihren Erfahrungen teilhaben. Ihre Trauer habe sich immer wieder verändert, sagte sie. Sie verglich sie mit einem Meer: mal schlage es hohe Wellen, mal sei es flacher. Während ihr die Situation anfangs völlig unreal vorgekommen sei, stellte sich im Laufe der Zeit immer mehr Normalität ein. Und während es Momente gab, in denen sie sich innerlich zerrissen fühlte, kamen doch immer wieder Gefühle tiefer Liebe zurück.
„Meine Mutter und ich treffen uns am Himmel“
Kraft in der Trauer gebe ihr abends der Blick in den Himmel. „Meine Mutter und ich treffen uns am Himmel“, berichtete sie. Jeder Trauernde bräuchte etwas anderes, ist Tessa Sommer überzeugt. Und alles, was helfe, sei erlaubt. Verletzt habe sie, wenn Menschen ihr aus dem Weg gingen. Als schön habe sie es immer empfunden, wenn Menschen sich erkundigten, ob sie denn nach ihrer Trauer fragen dürften. Das lasse ihr die Entscheidung, ob sie darüber sprechen wolle oder an diesem Tag gerade mal nicht. Gefreut habe sie sich auch immer über die Frage: „Wie war deine Mutter als Mensch?“ Grundsätzlich wünschte sich Sommer, dass die Themen Tod, Sterben und Trauer einen größeren Platz in unserer Gesellschaft fänden.
Wie mit Trauer in jungen Jahren umgegangen wird, hängt mit der Entwicklung des Kindes zusammen. Die unterschiedlichen Entwicklungsphasen von Kindern bei der Verarbeitung von Tod und Trauer entsprechend ihres Reifeprozesses, erläuterte Alexandra Maigler, Leiterin der Kinder- und Jugendhospizarbeit Landkreis Konstanz. Grundsätzlich sei es wichtig, Kinder zu informieren und dann darauf einzugehen, wie sie reagierten. „Vom Schonen halte ich nicht viel“, waren Maiglers klare Worte. Es gehe darum, einen guten Umgang zu finden. Maigler stellte auch die Arbeit der Trauergruppe für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren vor.
Ein wichtiger Aspekt der Arbeit in der Gruppe sei die Toleranz der Gefühle. Anschaulich dargestellt würde dies den Kindern mittels des Luftballonexperiments. So könne man einen luftgefüllten Ballon eine ganze Zeit lang unter Wasser drücken, doch irgendwann käme er immer hoch. Genauso verhalte es sich mit unterdrückten Gefühlen. Gerade für kleinere Kinder gebe es mehrere empfehlenswerte Bücher zum Thema. An Jugendliche heranzukommen, sei oftmals schwierig, weil sie keine Gespräche zuließen und verstärkt ihren eigenen Interessen nachgingen. Für all jene junge Menschen, die doch das Gespräch suchen, gibt es die Gruppe los(t), die sich einmal im Monat in Radolfzell trifft.
Gudrun Herb, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, griff den Titel des Abends auf, mit dem sie sich offensichtlich nicht anfreunden konnte. Sie stellte daher die Frage, ob Reden denn wirklich immer das Beste bei Trauer sei. Es sei klar, dass Erwachsene Kindern gegenüber nicht schweigen oder tabuisieren dürften, wenn es um Tod und Trauer ginge. Kinder hingegen dürften schweigen.
Wichtig sei es, dass Kinder die Erfahrung machten, in ihrer Trauer gesehen zu werden. Wenn das Kind keine Sprache fände, gelte es, andere Ausdrucksformen auszumachen, so Herb. Schwierig würde es, wenn ein Elternteil selbst von Trauer absorbiert würde. Herb half dabei, einzuordnen, wann ein trauerndes Kind psychotherapeutische Hilfe benötigt.
Es gibt zu wenig Therapieplätze
Anzeichen, dass ein Kind seine Trauer nicht eigenständig bewältigen könne, seien extreme Wut, depressive Reaktionen, Nichtwahrnehmen von Gefühlen, lang anhaltender Leidensdruck oder keine Verbesserung der Situation. „Sollte psychotherapeutische Hilfe benötigt werden, wird es allerdings schwierig“, sagte Herb.
Denn auch wenn kurzfristige Sprechstunden zur Erstdiagnose und in Akutsituationen eine Krisenintervention möglich seien, gebe es viel zu wenige Therapieplätze. Die Wartezeit belaufe sich aktuell auf ein Jahr, so die Therapeutin. Alexandra Maigler wies in diesem Zusammenhang auf die psychologischen Beratungsstellen hin, die in solchen Fällen zur Überbrückung aushelfen könnten. Außerdem würden Trauerschwerpunktkuren angeboten, die Familien gemeinsam in Anspruch nehmen könnten.