Der bürokratische Aufwand in der Pflege wächst, gleichzeitig kämpft die Branche seit vielen Jahren mit dem Fachkräftemangel. Eine Situation, die es kleinen Einrichtungen immer schwerer macht, rentabel zu arbeiten. Auf Initiative des Dekanats Hegau schlossen sich deshalb zum Jahresbeginn mehrere Caritas-Pflegeeinrichtungen unter dem Dach des Caritasverbands Singen-Hegau organisatorisch zusammen. Was genau dahinter steckt, erläutern die Caritas-Geschäftsführer Wolfgang Heintschel und Oliver Kuppel gemeinsam mit dem Leiter der neuen Abteilung Altenhilfe und Pflege, Stefan Gebauer.
Im Hegau stehen bislang die Kirchengemeinden als Gesellschafter hinter einigen Pflegeheimen und Sozialstationen. Diesen Rückhalt kann es so mit der großen neuen Kirchengemeinde Hegau ab 2026 nicht mehr geben, weiß Caritas-Geschäftsführer Wolfgang Heintschel. So habe die Neuordnung der katholischen Gemeinden den Prozess hin zu einem organisatorischen Zusammenschluss in der Altenpflege im Hegau beschleunigt.
Einrichtungen sollen selbstständig bleiben
Seit Januar hat der Caritasverband Singen-Hegau die Geschäftsführung der Cura Caritas in Gottmadingen und der Sozialstation St. Wolfgang in Engen übernommen. Die Sozialstationen, zu denen auch Tagespflegeeinrichtungen und das Pflegeheim St. Hildegard in Gottmadingen gehören, werden weiter selbstständig arbeiten.
Insgesamt umfasst die neue Abteilung Altenhilfe und Pflege über 400 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz von rund 12 Millionen Euro, beschreibt Oliver Kuppel. „Stefan Gebauer ist sehr gut vernetzt und bringt einiges an Know-how mit“, so Wolfgang Heintschel zur Besetzung der neuen Fachbereichsleitung. Gebauer war zuvor drei Jahre lang Geschäftsführer der Sozialstation Engen.
Personell gebe es in den Einrichtungen keine größeren Veränderungen. Gebauer bleibt auch weiterhin für die Sozialstation Engen übergeordnet zuständig. Zusätzlich hat hier Carina Weinmann die Leitung der Einrichtung übernommen.
Karitativer Impuls statt Expansionswille
Die Übernahme der Geschäftsführung für die Cura Caritas Gottmadingen und die Sozialstation St. Wolfgang sei aus einem karitativen Impuls erfolgt, um zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, sagt Heintschel. Die Einrichtungen seien dafür auf den Caritasverband Singen Hegau zugekommen. Zukünftig wolle man Synergieeffekte nutzen, beispielsweise um Fachkräfte zu gewinnen.
„Altenhilfe ist keine einfache Aufgabe mehr“, macht Wolfgang Heintschel im Gespräch deutlich. Es gebe viele Bereiche, die unterfinanziert seien. „Wir sind schon heute nicht mehr in der Lage, alles an Pflege zu leisten. Wir müssen völlig neue Lösungen finden“, betont Heintschel. Oliver Kuppel wird dann noch deutlicher, immer mehr Sozialstationen schrieben Verluste. „Demnächst muss auch die Caritas nach rentablen und unrentablen Patienten schauen“, sagt Finanzverwalter Kuppel mit Blick in die Zukunft.
Manche Leistungen sind unrentabel, aber wichtig
Für die gemeinnützige Organisation, die im Gegensatz zu privaten Unternehmen keinen Gewinn machen muss, nur schwer vorstellbar. Heute würden die Caritas-Pflegedienste beispielsweise auch den Aussiedlerhof weit draußen anfahren. Wie und ob solche finanziell unrentablen, aber dennoch dringend benötigten Leistungen künftig möglich sein werden, sei heute völlig unklar. „Das treibt uns um und macht uns Sorgen“, gibt Wolfgang Heintschel ganz offen zu.
Ambulante Pflege in Nöten
Nicht nur der Fachkräftemangel bereite der ambulanten Pflege ernsthafte Existenzprobleme. Immer häufiger würden Patienten früher aus den Krankenhäusern entlassen, wodurch mehr Patienten auf Pflegedienste angewiesen seien. Die Dienste müssten mehr Leistungen wie das Wundmanagement nach Operationen erbringen, die jedoch von den Krankenkassen nicht kostendeckend bezahlt würden, so Kuppel.
Hinzu komme ein gesellschaftspolitisches Problem. Denn die Angehörigen von Pflegebedürftigen würden weniger pflegerische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, um das Geld von der Pflegeversicherung für den Unterhalt einzusetzen. Im Gegensatz zu den Kassenleistungen sei die Vergütung aus der Pflegekasse kostendeckend. Entfallen diese Leistungen, fehlt eine wichtige Einnahmequelle der Pflegedienste.
„Das in Kombination führt zu einem Problem“, so Heintschel. Das sei so nur noch nicht bei der Politik angekommen. „Wenn ein Pflegedienst weg ist, dann kommt er nicht wieder“, so Kuppel. Und dann käme noch mehr auf eine gemeinnützige Organisation wie die Caritas zu.
Ein Plädoyer für den Pflegeberuf
Wolfgang Heintschel möchte bei diesem Gespräch aber nicht nur auf große Herausforderungen im Bereich Pflege aufmerksam machen. Er möchte für die Pflegeberufe werben und versuchen, das häufig negativ dargestellte Bild aufzubrechen. „Die Pflegekräfte, die da sind, machen ihren Job wahnsinnig gerne. Für die Menschen ist das oft ein sehr erfüllender Beruf“, so Heintschel.