Update vom 10. Februar 2021: Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zwar die pauschale nächtliche Ausgangssperre kassiert. Allerdings plant das Land ab Donnerstag nächtliche Ausgangssperren ab 21 Uhr in den Landkreisen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz bei mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner in einer Woche liegt. Dieser Wert wird auch im Landkreis Konstanz überschritten, sodass sich hier kaum etwas ändert. Auch tagsüber braucht man weiterhin einen triftigen Grund, um die eigene Wohnung zu verlassen.

Wäre das nicht ein Anlass zur Freude? Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kassiert die nächtliche Ausgangssperre und erlaubt den Menschen wieder den Ausgang zwischen 20 und 5 Uhr, sofern sie die geltenden Corona-Regeln einhalten. Viele Menschen sehnen sich seit Wochen nach Lockerungen. Doch diese kommt für sie jetzt zur Unzeit, wie eine Umfrage nach Bekanntwerden des Urteils am Nachmittag in Singen zeigt. Die Befürchtung, dass am Schmotzigen Dunschtig einige Narren die Nacht für Versammlungen nutzen und damit für eine verschärfte Verbreitung des Virus sorgen, beschäftigt viele. „Obwohl ich ein echter Fasnachter bin, halte ich diese Lockerung für völlig verfrüht“, sagt Peter Gäng. „Bei aller Liebe zum Brauchtum: Die Aufhebung der Ausgangssperre genau zum Schmutzigen Dunschtig ist unverantwortlich.“ Gäng kritisiert auch, dass es bundesweit zu viele verschieden Regeln zur Pandemie-Bekämpfung gebe.

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Auch Bäckereiverkäuferin Ligdem Ozay fürchtet, dass die Infektionszahlen nach Fasnacht und Valentinstag wieder hochschnellen könnten. Mohammed Pervame hat sich gerade einen Kaffee am Kiosk geholt. Ihm bedeutet die Lockerung nichts. „Ich kann eh nirgendwo hin gehen, weil alles geschlossen ist“, sagt er. Außerdem würden die Corona-Maßnahmen ohnehin nicht richtig kontrolliert. Eine zwei Wochen längere Ausgangssperre würde seiner Meinung nach das Virus weiter zurückdrängen.

Obwohl ein begeisterter Narr, findet Peter Gäng die Aufhebung der Ausgangssperre ausgerechnet zum Schmutzigen Dunschtig völlig falsch.
Obwohl ein begeisterter Narr, findet Peter Gäng die Aufhebung der Ausgangssperre ausgerechnet zum Schmutzigen Dunschtig völlig falsch. | Bild: Trautmann, Gudrun

Veronika Gringen freut sich, dass sie jetzt wieder nach langen Schreibtischtagen einen Waldspaziergang machen kann. Vanessa Wultschner von Krass-Optik wäre es lieber, die Ausgangssperre zu verschieben. „Kann sein, dass es gut geht“, sagt sie. „Mir geht es aber ein bisschen zu schnell.“ Jeanine Kuderer freut sich, dass ihre Mutter jetzt abends länger bei der jungen Familie bleiben kann. „Das ist stressfreier“, sagt sie. „In Kombination mit den andern geltenden Kontaktbeschränkungen ändert sich nichts.“ Jugendliche, die sich treffen wollten, träfen sich auch jetzt schon. Heike Beermann-Landry, beim Amt für Grün in Singen, sieht in dem Urteil ein falsches Signal. „Ich find‘s unmöglich“, sagt sie. „Jeder versucht eine Lücke zu finden, um die Regeln zu umgehen. Wir werden mit dem Virus leben müssen, aber jetzt ist die Lockerung zu früh.“

Veronika Gringen freut sich auf Abendspaziergänge nach Arbeitstagen am Computer.
Veronika Gringen freut sich auf Abendspaziergänge nach Arbeitstagen am Computer. | Bild: Trautmann, Gudrun

Verhaltene Freude herrscht beim Standortmarketingverein Singen aktiv. In einer Stellungnahme schreibt der Verein: „Wir sind überrascht über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere mit der Gültigkeit vor dem Fasnetswochenende. Grundsätzlich ist es positiv, wenn bei sinkenden Inzidenzzahlen Lockerungen erfolgen, insbesondere auch bei der Kontaktsperre. Leider ist diese Entscheidung nicht wirtschaftlich entlastend für die Unternehmen, die zur Zeit geschlossen haben. Schön, wenn die Entscheidung als Mutmacher wirkt und die Zeiten der goßen Zurückhaltung beginnt, Früchte zu tragen.“

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