Es dürfte derzeit eine der prominenteren Baustellen in der Singener Innenstadt sein: der Umbau des Hauses in der Scheffelstraße 12, an der Ecke zur Engen Straße. Das Gebäude steht nicht nur in einer der Singener Fußgängerzonen, durch die täglich viele Menschen kommen. Es ist auch ein geschichtsträchtiges Haus. Denn dort wurde im Jahr 1904 der Maler Curth Georg Becker geboren.
Am Geburtshaus dieses Künstlers stehen nun schon seit Monaten die Gerüste, Handwerker gehen ein und aus. Der Immobilienunternehmer Reiner Kupprion ist gerade mit der Umgestaltung beschäftigt. Wo vorher in den beiden oberen Stockwerken eine Arztpraxis und zwei kleine Wohnungen gewesen seien, entstehe nun ein Boardinghouse mit acht Plätzen, sagt Kupprion beim Baustellenbesuch. Damit seien kleine möblierte Apartments gemeint, die über kürzere Zeiträume, aber eben nicht auf Dauer, vermietet werden.

Auch das Erdgeschoss wird komplett renoviert. An dieser Stelle soll wieder ein Gastronomiebetrieb einziehen, sagt Kupprion. Betrieben werde das Boardinghouse von Markus Kümmerle vom Hotel Trezor in Singen und die Gastronomie von Alexander Schellhammer, der früher das Bistro Erich betrieben habe und sich nun selbstständig mache. Beides soll Ende Mai fertig sein – was für den Laien beim Blick auf den regen Betrieb auf der Baustelle unwahrscheinlich klingt.

Und über den drei Stockwerken, die es davor schon gab, wird noch ein weiteres Stockwerk errichtet. Dort sei ursprünglich ein flaches Zeltdach gewesen, das als Speicher genutzt worden sei, sagt Kupprion. Nun wird das Dach des zweiten Obergeschosses im selben Neigungswinkel ein Stockwerk weiter nach oben gezogen. Dort soll Platz für eine große Wohneinheit entstehen. Der Zugang erfolgt durch einen Gebäudetrakt, der zwischen den Altbau und das Nachbarhaus gebaut wird. Dort habe er selbst einmal sein Büro gehabt, erzählt Kupprion. Und ein Imbiss sei dort auch einmal gewesen. „Der Umbau verändert den Charakter des Gebäudes nicht, man kann es aber richtig nutzen“, sagt der Bauherr. Da das Dach sehr steil nach oben läuft, könne man es nicht mit Ziegeln eindecken. Daher werde Titanzink verwendet, „wie in Paris“.

Dass der Umbau nötig wurde, begründet Kupprion damit, dass das Gebäude in die Jahre gekommen und Sanierungen nötig geworden seien. Das frühere Café und eine Arztpraxis seien weggezogen. Und in den beiden kleinen Wohnungen habe man zwar günstig wohnen können, sagt der Unternehmer. Doch im bisherigen Zustand sei es nicht mehr weitergegangen. Und es sei nur eine dieser Wohnungen dauerhaft vermietet gewesen. Dieser Mieter habe von sich aus eine größere Wohnung gesucht.

Bleibt noch die Frage nach dem Denkmalschutz und einer Abrissgenehmigung für das Gebäude, die im Jahr 2019 für einigen Wirbel in der Stadt gesorgt hatte. Einen Abriss des Gebäudes habe er, im Gegensatz zu dem Bild, das in der Öffentlichkeit entstanden ist, nie geplant, sagt Kupprion. Warum er diese Genehmigung beantragt – und auch bekommen – habe, erklärt er heute damit, dass er eine Aussage zum Thema Denkmalschutz wollte. Laut Auskunft der Stadtverwaltung sei das Gebäude nämlich nicht denkmalgeschützt gewesen – und ist es auch heute nicht, wie Thomas Mügge, Fachbereichsleiter Bauen bei der Stadtverwaltung, erklärt. Das habe er dem Bauherren auch zeitnah mitgeteilt.

Doch die Stadt habe die Frage auch mit der darüberliegenden Denkmalschutzbehörde beim Regierungspräsidium Freiburg klären wollen, sagt Mügge – und dort habe die Sache länger gedauert. Weil ihm das zu lange gedauert habe, habe er die Abbruchgenehmigung beantragt, sagt Kupprion. Es habe im Laufe der Jahre verschiedene Ideen für den Umgang mit dem Gebäude gegeben, die Kupprions Sohn Philipp, von Beruf Architekt und auch Planer des jetzigen Umbaus, sich überlegt habe, wie der Vater heute erklärt. Mügge und Patrick Wacker, Abteilungsleiter Baurecht der Stadtverwaltung, erinnern sich auch noch an Ideen mit einem kompletten Neubau vor einigen Jahren. „Ein Neubau war aber nie offiziell beantragt“, sagt Wacker.
Die Kenntnisgabe des Abbruchs sei erfolgt, um herauszufinden, ob einem Bau ein Recht entgegenstehe, sagt er übereinstimmend mit dem Unternehmer. Unabhängig davon seien die jetzige Sanierung und der Umbau im Bestand in seinen Augen eine gute Lösung für die Stadt. Und Kupprion sagt auf der Baustelle: „Warum soll man mit Gewalt Substanz kaputt machen?“ Zumal es künftig sogar eine Bundesförderung für Baumaßnahmen geben soll, die die Erhaltung von Bestand belohnt, wie Thomas Mügge erklärt – weil Erhaltung eben weniger CO2 freisetzt als Neubau.