Der Fall hat für Aufsehen weit über die Region hinaus gesorgt: Polizisten haben im Februar 2021 in Singen einen damals elfjährigen Jungen in Handschellen abgeführt. Der Vorfall ereignete sich kurz vor der Fasnacht. Dass es einen Handschellen-Einsatz bei einem Jungen gab, hat Uwe Vincon, Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, kurz darauf bestätigt. Und der baden-württembergische Landesverband des Verbands Deutscher Sinti und Roma brachte eine weitum verbreitete Pressemeldung dazu heraus. Denn der Junge, um den es geht, gehört zur Gruppe der Sinti und Roma. Auch wenn das Wort in dieser ersten Pressemeldung nicht vorkam, stellte sie doch den Rassismus-Vorwurf in den Raum. Es folgte eine lange juristische Aufarbeitung.
Nun sollte es in der Sache zum Verfahren vor dem Singener Amtsgericht kommen. Der erste von zwei geplanten Prozesstagen war für Donnerstag, 5. Mai, ab 9.30 Uhr angesetzt worden. Der Vorfall vom Februar 2021 hatte für vier Polizeibeamte, die daran beteiligt gewesen sein sollen, ein juristisches Nachspiel.
Zwei Beamte legten Einspruch gegen Strafbefehl ein
Als Beschuldigte sollten vor dem Amtsgericht allerdings nur zwei von ihnen auftreten. Sie hatten die gegen sie verhängten Strafbefehle über 3600 Euro Einspruch eingelegt. Diesen zogen sie nun, am Vortag des Prozesstermins und völlig überraschend, zurück. Damit sind die Strafbefehle von je 3600 Euro wegen Freiheitsberaubung und Nötigung gegen die Beamten rechtskräftig, die öffentliche Verhandlung wurde abgesagt.
Zwei andere Polizisten zahlten eine Geldauflage
Bei den anderen beiden hat die Staatsanwaltschaft Konstanz die Ermittlungen gegen eine Geldauflage eingestellt, wie Andreas Mathy, Staatsanwalt und Pressesprecher der Ermittlungsbehörde, schon im Herbst bekannt gab. Das sei zwar nicht mit einer Verurteilung gleichzusetzen, aber eben auch kein glatter Freispruch, erklärt Mathy nun. Mit der jüngsten Wendung des Falls gibt es allerdings auch keinerlei öffentliche juristische Aufarbeitung des Falls mehr.
Der Vorwurf lautete Freiheitsberaubung und Nötigung
Bis Mittwochnachmittag hatte alles darauf hingedeutet, dass es nach dem Einspruch der beiden Polizisten gegen ihre Strafbefehle tatsächlich zur öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommt. Auf der Tagesordnung des Gerichts wurde das verhandelte Delikt als „Vergehen der Freiheitsberaubung und Nötigung“ geführt. Das ist nun überholt.
Bereits mit dem mutmaßlichen Anklagevorwurf war Engin Sanli allerdings nicht zufrieden. Er war bereits als Zeugenbeistand für die anderen Kinder, die bei dem Vorfall im Februar 2021 dabei waren, an dem Fall beteiligt. Nun sollte er auch die Familie des Jungen, der in Handschellen abgeführt wurde, als Nebenkläger vertreten.
Der ursprüngliche Nebenklage-Vertreter Mehmet Daimagüler ist Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus geworden, also gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma. Sanli sagt vor der neuesten Entwicklung in dem Fall, dass die Anklage eigentlich auf schwere Nötigung lauten müsste, weil Amtsträger beschuldigt werden.
Die geforderte öffentliche Aufarbeitung fällt nun wohl aus
Er hoffe nun allerdings, dass bei dem Verfahren die Einzelheiten dessen, was im Februar 2021 genau passiert ist, öffentlich werden, sagte der Vertreter des Jungen und seiner Familie. Genau das wird nun aber nicht eintreten, da es nicht mehr Prozess kommt.